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Bookinists Buchtipp zu

Anchee Min


Die letzte Kaiserin

© 2005

Der Roman "Die letzte Kaiserin" spielt im China des 19. Jahrhunderts. Der chinesische Kaiser sucht unter den schönsten Frauen seines Landes sieben aus, die er alle zu seiner Frau machen will, mit gewissen Rangunterschieden. Dieser heute sehr modernen Form des Castings stellt sich auch das Mädchen Orchidee, um der arrangierten Ehe mit einem unsympathischen Mann zu entkommen. Orchidee wird auserwählt in der Verbotenen Stadt als vierte Ehefrau des Kaisers zu residieren. Die Zwänge, denen sie sich zu unterwerfen hat, sind immens.

"Abends zuvor hatte mir der Obereunuch erklärt, dass ich, sobald ich die Verbotene Stadt betreten hätte, meine Mutter nicht mehr besuchen dürfte. Das Gleiche galt, wenn ich den Palast verlassen wollte, um meine Familie zu besuchen."



Madame Mao
Anchee Min - Madame Mao

ie änderte drei Mal ihren Namen, doch international bekannt und gefürchtet wurde sie als die Witwe Maos. Die in Shanghai geborene Schriftstellerin Anchee Min widmet dieser schönen und machtbesessenen Frau ihren Roman "Madame Mao".

Schon als Kleinkind verweigert dieses widerborstige Mädchen, sich nach chinesischer Tradition die Füße einbinden zu lassen und verfolgt als junge Frau ihren Weg zur Schauspielerin, trotz aller Hindernisse, mit aller Macht. Auch vor einer Hochzeit schreckt sie, um ihr Ziel zu erreichen, nicht zurück.

An die Spitze des Staates gelangt sie, als sie Mao kennen lernt und ihn heiratet. Ihn begleitet sie bei seinem Aufstieg und Sieg der Kommunisten. Das erhoffte politische Amt wird ihr von Mao jedoch nicht zugebilligt. Sie muss sich mit der Kultur begnügen; eine Zeit lang sind ihr alle Theater Chinas unterstellt. In dieser Funktion tritt sie direkt in das Leben der Autorin Anchee Min. Diese wurde mit siebzehn Jahren in ein Arbeitslager verbannt und wird dort nach Jahren mühseliger Arbeit von einem Talentsucher für Madame Maos Filmstudio in Shanghai entdeckt. Doch das Glück ist von kurzer Dauer, denn als die Witwe Maos des Mordes an ihrem Mann angeklagt wird, kommt für Anchee Min nur noch niedrige Studioarbeit in Betracht, bis sie mit Hilfe der Schauspielerin Joan Chen in die USA ausreisen kann. Ihre persönlichen Erlebnisse verarbeitet sie in dem Roman "Rote Azalee".

Die Frau an Mao Zedongs Seite ist eine wirklich schillernde Figur, doch trotz der wechselnden Erzählperspektive, immer wieder ergreift Madame Mao selbst das Wort, bleibt sie im Roman von Anchee Min blass und farblos. Das entscheidende Quäntchen Leben, mehr historisches Kolorit, hätte sich der Leser hin und wieder schon gewünscht. So ist "Madame Mao" auf langer Strecke eine eher trockener Stoff, der sich oft in einer öden Aufzählung von Namen und stattgefundenen Treffen verliert.

Schade, dabei hätte der Leser so gerne Chinas ehemalige First Lady näher kennen gelernt. Denn faszinierend war sie in all ihrer Bösartigkeit, das steht fest. © manuela haselberger


Anchee Min - Madame Mao
Originaltitel: Becoming Madam Mao, © 2000
übersetzt von Barbara Heller

© 2002, Bern, Scherz Verlag, 348 S., 19.90 € (HC)
© 2003, München, Droemer Knaur Verlag, 348 S., 8.90 € (HC)


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PROLOG
Was lässt die Geschichtsschreibung gelten? Ein Gericht aus hundert Spatzen - einen Teller voller Münder. Seit vierzehn Jahren ist sie in Haft. 1991. Madame Mao - Jiang Qing - ist siebenundsiebzig Jahre alt. Sie sitzt in der Todeszelle. Man zögert ihre Hinrichtung hinaus, weil man auf ihre Reue hofft.

Nun, ich werde nicht kapitulieren. Als ich ein Kind war, pflegte meine Mutter zu sagen, ich müsse sein wie Gras - dazu geschaffen, dass man darauf tritt. Aber ich bin wie ein Pfau unter Hühnern. Ich werde nicht gerecht beurteilt. Mao Zedong und ich standen Seite an Seite, doch er wird wie ein Gott verehrt, während ich ein Dämon bin. Mao Zedong und ich waren achtunddreißig Jahre verheiratet. Achtunddreißig Jahre.
Ich spreche zu meiner Tochter Na. Ich bitte sie, meine Biographie zu schreiben. Sie darf mich einmal im Monat besuchen. Sie hat die Frisur einer Bäuerin - einen Wokdeckel-Schnitt - und trägt einen Männeranzug. Sie sieht unerträglich albern aus. Das macht sie, um meinen Augen wehzutun. Sie ist geschieden, hat wieder geheiratet und lebt jetzt in Peking. Sie hat einen Sohn, der nicht weiß, wer seine Großmutter ist.

Nein, Mutter. Es klingt entschieden und eigensinnig.
Ich kann meine Enttäuschung kaum beschreiben. Ich setze Erwartungen in Na. Zu hohe vielleicht. Vielleicht hat das ihren Geist getötet. Bin ich nicht wie meine Mutter, die nur mein Bestes wollte, als sie mir die Füße band? Na nimmt, was ich nicht mag, und verschmäht, was ich mag. Das ist so, seit sie gesehen hat, wie ihr Vater mich behandelt. Wie sollen die Schuhe trocken bleiben, wenn man immer am Strand entlanggeht? Na sieht nicht das ganze Bild. Sie weiß nicht, dass ihr Vater mich einmal angebetet hat. Sie kann sich nicht vorstellen, dass ich Maos Sonne war. Ich mache ihr keinen Vorwurf. Maos Gesicht zeigte keine Spur mehr von dieser Leidenschaftt, nachdem er in die Verbotene Stadt gezogen und ein moderner Imperator geworden war. Keine Spur davon, dass Mao und ich einst Liebende bis in den Tod waren.

Die Mutter sagt der Tochter, dass sie Feiglinge ebenso hasst, wie ihr Vater es getan hat. Die Worte bleiben ohne Wirkung. Na ist zu zermürbt. In den Augen der Mutter ist sie verfaultes Holz, aus dem niemals ein schönes Möbelstück entstehen kann. Sie hat so große Angst, dass ihre Stimme zittert. Nichts von sich selbst erkennt die Mutter in der Tochter wieder.

- Die Mutter erzählt noch einmal die alte Geschichte von Cima-Qinhua, dem unerschrockenen Mädchen, das seine Mutter aus einem blutigen Aufruhr rettet. Ein Muster an kindlicher Liebe. Na hört zu, äußert sich aber nicht. Dann weint sie und sagt, sie sei nicht die Mutter. Könne nicht tun, was die Mutter tut. Man solle nichts Unmögliches von ihr verlangen.
Willst du denn keinen Finger rühren?, ruft die Mutter. Es ist mein letzter Wunsch, um Himmels willen!

Rette mich, Na. Jeden Tag kann man mir eine Kugel in den Kopf schießen. Kannst du dir das vorstellen?
Siehst du nicht die Verschwörung gegen mich? Erinnerst du dich nicht, wie Deng Xiaoping auf der Beerdigung deines Vaters kaum meine Finger berührt, mir nicht einmal die Hand gegeben hat? Als bezweifelte er, dass ich Maos Witwe bin. Er dachte an die Kameras - die Reporter sollten die Szene einfangen. Und der andere, Marschall Ye Jianying. Er ging an mir vorbei, mit einer Miene, als hätte ich den Vorsitzenden umgebracht!

Dein Vater hat mich vor seinen Genossen gewarnt. Aber er hat nichts getan, um mich zu schützen. Er konnte grausam sein. Rachsucht glühte in seinen Augen bei dieser Warnung. Er hat es mir missgönnt, dass ich am Leben blieb. Am liebsten hätte er mich nut ins Grab genommen wie die alten Kaiser ihre Konkubinen.S. 11-12

So fängt es an. Mit Spaziergängen. Er holt sie ab und zeigt in Orte, die sie noch nie gesehen hat. Eine Zigarette zwischen der Fingern, entfaltet er sein Wissen. Er ist liebenswürdig, begeisterungsfähig und bescheiden, aber er ist auch arrogant und rechthaberisch - so hat er sich als Kritiker einen Namen gemacht.

Sie sind verschieden, fast gegensätzlich. Sie findet Tang Na an regend. Sein Englisch fasziniert sie. Eine neue Welt tut sich auf und Lan Ping brennt darauf, sie zu erkunden. Seine liberale Haltung bezaubert sie. Er ist anders als Yu Qiwei. Mit Yu Qiwei hat sie ihren Sinn fürs Abenteuer entdeckt, Tang Na pflegt seine Kultiviertheit. Yu Qiwei hat ihr Wesen geöffnet und geformt, Tang Na nimmt sie in sich auf und verliert sich selbst in ihrer Rolle. Yu Qiwei ist ruhig und entschlossen, Tang Na sensibel und zutiefst leidenschaftlich. Für Yu Qiwei war sie ein Stern in seinem Universum, für Tang Na ist sie das Universum.


Tang Na ist wie ein altes Pferd, das sich blind in Shanghai zurechtfindet. Jeder in seinem Bekanntenkreis bewundert den Westen und hasst die Japaner. Oft wird auf seinen Partys gesungen. Man wetteifert darum, wer am lautesten singt. Die Komponisten schreiben Noten auf Servietten, die Musiker spielen die Melodie. Die Bühnenautoren entwerfen zwischen den Trinksprüchen ihre Szenen, die Schauspieler stellen sie dar. Einige Tage später taucht das Lied im Radio auf, die Szene in einem Film.

Ich lerne Tang Nas beste Freunde kennen, den Filmregisseur Junli und seine Frau Cheng, eine Schriftstellerin. Junli ist der Begabteste von Tang Nas Freunden. Er ist Ende zwanzig, ein eigenartig aussehender Mann mit dünnen Haaren, der im Begriff steht, sich mit seinen Filmen einen Namen zu machen. Er nennt Tang Na einen hoffnugslosen Romantiker. Tang Nas Lebensstil liefert mir Ideen für meine Filme, sagt er.

Hätte ich gewusst, was ich später weiß, ich hätte Junlis Worte nicht als Kompliment verstanden.
Tang Na lebt für des Schauspiel; das wird sein Verderben sein.

Aber noch bin ich beeindruckt von den Äußerungen seiner Freunde über ihn. Ich komme gar nicht auf die Idee, dass seine Passion negativ oder gar schädlich sein könnte. Seine Freunde wissen es nicht besser, sie leben nicht mit ihm zusammen. Erst später wird mir klar, dass Tang Na Realität und Film nicht auseinander halten kann und dass er es auch gar nicht will, Aber er ist ungeheuer nett zu seinen Freunden. Er bespricht Junlis Filme und rührt die Werbetrommel für ihn.

Was er Junli von mir erzählt, weiß ich nicht. Es sei ein Geheimnis, sagt er. Unter Männern. Ich bin sicher, er sagt ihm, wie er über mich denkt. Und ich bin sicher, Junli hat Nora oder Ein Puppenheim gesehen. Aber er äußert sich nicht über mich. Er scheint nicht recht zu wissen, was er von mir oder Tang Nas Beziehung zu mir halten soll. Er beobachtet und studiert uns wie die Figuren in seinen Filmen. Wahrscheinlich findet er, dass ich Tang Na zu sehr bedränge. Vielleicht ist er auch skeptisch, was Tang Na selbst anbelangt. Als sein bester Freund muss er dessen Verhältnis zu Frauen kennen. Er muss spüren, dass es ein schlimmes Ende mit uns nehmen wird. Dennoch höre ich nie einen Rat oder eine Warnung von ihm. Dazu steht ihm Tang Na zu nahe.

Aber ich spüre es. Zwischen Junli und mir springt der Funke nicht über wie zwischen Tang Na und mir. Ein Jammer. Ich kann die Sympathie eines Regisseurs nicht erzwingen. Wäre ich nicht Tang Nas Freundin, sähe Junli mich vielleicht mit anderen Augen. Aber das lässt Tang Na nicht zu. Ich kann Junli nur als Tang Nas neue Freundin begegnen - der Schaden ist bereits angerichtet.

Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf. Vielleicht wird Junli mir eines Tages doch noch eine Rolle in einem seiner Filme anbieten, Tang Na zuliebe. Vielleicht kann er mich auch seinen Kollegen als talentierte Schauspielerin empfehlen. Meine Karriere muss unbedingt wieder in Schwung kommen.
Immerhin bin ich schon einundzwanzig.

Tang Na behauptet, ich sei fünfundzwanzig. Und ich finde, das Leben zu genießen ist wichtiger als alles andere.
Aber ich frage mich, wie man das Leben in vollen Zügen genießen soll, wenn man nicht das tut, was man eigentlich tun will.

Tang Na ist überzeugt, dass Lan Ping mehr aus sich machen kann. Er traut sich zu, sie umzuformen. Sie kann eine Göttin sein, glaubt er.
Tang Na erklärt Lan Ping, was die moderne Frau ausmacht. Sie bemüht sich um Bildung. Das unterscheidet die Leute in Shanghai von den übrigen Chinesen. Daraus beziehen die Frauen hier ihr Selbstbewusstsein und ihren Stil. Sie haben eine vernünftigere Einstellung zum Leben. Sie bewundern andere Kulturen zwar, hofieren sie aber nicht. Selbst die Rikschafahrer, die unterste Schicht der Bevölkerung, sind in der Lage, englische Wendungen in ihren Dialekt einzustreuen, sagt Tang Na und fordert Lan Ping auf, sich selbst davon zu überzeugen. Erst der Rauch macht den Schinken schmackhaft. Verstehst du, was ich meine, Lan Ping? S. 70-72

Lesezitate nach Anchee Min - Madame Mao



© 7.3.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de

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