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Liebe Toni Morrison - Liebe
In ihrem neuen Roman "Liebe" entwickelt die Nobelpreisträgerin Toni Morrison ein komplexes Familienporträt. Im Mittelpunkt steht der Patriarch Bill Cosey, der, obwohl schon vor vielen Jahren gestorben, noch immer das Leben der Hinterbliebenen bestimmt. In seinem Haus und dem benachbarten ehemaligen Hotel lebt seine Witwe Heed zusammen mit seiner Enkelin Christine aus erster Ehe. Ungewöhnlich daran ist das überraschende Altersverhältnis: Heed ist wenige Monate jünger als Christine.
Die beiden Frauen, ehemalige Sandkastenfreundinnen, sind zutiefst verfeindet und verbringen ihre Zeit damit, sich um das Erbe zu streiten. Bis eines Tages ein junges Mädchen auftaucht, das Heed ein wenig zur Hand gehen soll, da sie ihre Memoiren schreiben möchte. Jetzt kommt Bewegung in die erstarrten Beziehungen.
Es dauert eine geraume Zeit, bis der Leser die unterschiedlichen Beziehungen der Personen untereinander ordnen kann, doch die Geduld wird von Toni Morrison durch eine vielschichtige Familiengeschichte belohnt. Aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet sie die Vorfälle im Haus der Coseys. Und der erste, oberflächliche Eindruck von den handelnden Personen muss immer wieder bei der Lektüre korrigiert werden. Längst ist Bill Cosey nicht der wandelnde Wohltäter, als der er in der Öffentlichkeit so gerne auftrat.
Auch sein Tod gibt Rätsel auf. Starb er wirklich so plötzlich nach dem Genuss einer Mahlzeit oder wurde damals etwas nachgeholfen. Wenn ja, von welcher seiner Frauen? Vergöttert haben sie ihn schließlich alle.
Übrigens trifft für Toni Morrison der Satz, "junge Leute können nicht verschwenderisch mit Worten umgehen, dazu haben sie zu
wenig," den die Haushälterin notiert, überhaupt nicht zu. Mit ihrer virtuosen sprachlichen Brillanz bietet sie Literatur
der Spitzenklasse.
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© 21.11.2004 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |