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  Lesealter: 14 Jahre  

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Gewalt in der Schule
Morton Rhue - Ich knall euch ab!

er Roman "Die Welle", der sich mit der Entstehung von totalitären Strukturen beschäftigt, gehört heute zur Pflichtlektüre an deutschen Schulen. Nun hat sich der amerikanische Autor Morton Rhue einem neuen, brisanten Thema zugewandt: Wie kann es geschehen, dass Schüler zur Waffe greifen und töten?

Diese Frage stellte man sich bislang eher in den USA, doch seit dem 26. April 2002 hat in Erfurt, Deutschland, die Realität die Fiction bei weitem überholt: 17 Tote - eine bislang weltweit nicht übertroffene Bilanz eines Schüler-Amoklaufes.

Möglicherweise hilft Morton Rhues Buch Antworten zu finden: Gary und Brendan sind in ihrer Klasse Außenseiter. Zu den Sportkanonen zählen sie nicht, Markenklamotten interessieren sie überhaupt nicht, so sondern sich die beiden immer mehr in ihre eigene Welt der Computer-Spiele ab. Doch weit gefehlt, wer glaubt, sie würden in Ruhe gelassen. Die Stars der Klasse piesacken Gary und Brendan, wo immer es geht. Hilfe haben die beiden von niemandem zu erwarten. Die Lehrer schauen weg, andere Mitschüler trauen sich nicht, ihnen zu helfen, aus Angst, dass sie als nächstes diesem Terror ausgesetzt sind.

So planen die beiden ihren großen Coup. Am Abend des Abschlussballs präparieren sie die Ausgänge der Turnhalle mit Bomben und stürmen das Fest - bis an die Zähne bewaffnet. Ihr großer Tag ist gekommen, heute wollen sie es allen zeigen - die Aktion endet tödlich.

Morton Rhue geht in seinem Roman sehr sensibel vor. Es gibt keinen allwissenden Erzähler, sondern er sammelt eine Vielzahl von Stimmen. Eltern, Freunde, Klassenkameraden, Lehrer, Nachbarn, die die beiden Jungs gekannt haben, kommen zu Wort. So entwirft er ein Bild ihrer Persönlichkeiten von außen, das vielseitige Schattierungen zeigt. Gary und Brendan finden allein durch ihre Abschiedsbriefe Gehör. Mit dieser Technik vermittelt Rhue keine allgemein gültigen Rezepte, sondern zwingt seine Leser, selbst nachzudenken, Schlüsse zu ziehen und sich eigene Gedanken zum Verhalten der beiden Jungen zu machen. Dass es nicht richtig war, das ist klar, aber vielleicht hätten die Mitschüler und Lehrer durchaus Möglichkeiten gehabt, anders zu reagieren? Und hier beginnt die Auseinandersetzung spannend zu werden.

"Ich knall euch ab!!" ist ein brutales Buch, das nichts beschönigt, aber mit Sicherheit eine Menge Diskussionsstoff bietet und zugleich auch die Chance birgt, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, die nicht vertan werden sollte.
Vielleicht wäre die Tat in Erfurt nie geschehen, wenn man mehr miteinander geredet hätte.

© manuela haselberger     Lesealter ab 14 Jahren

Morton Rhue - Ich knall euch ab!
Originaltitel: Give a Boy a Gun, © 2000
Übersetzt von Werner Schmitz
© 2002, Ravensburg, Ravensburger Taschenbuchverlag, 157 S., 4.95 € (TB)


Interpretationen für den Deutschunterricht
Literatur-Kartei - Lernmaterialien zu: Ich knall euch ab!


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V O R W O R T

Gary starb am Freitag, den 27. Februar, gegen 10 Uhr abends in der Turnhalle der Middletown Highschool. Nachdem die Kugel ihm die linke Schädelhälfte zerschmettert und ihm das Gehirn zerfetzt hatte, lebte er etwa noch 10 bis 15 Sekunden. ... S. 11

... über Gary

Gary und seine Mutter, Mrs Searle, zogen einen Tag vor dem ersten Tag des zweiten Schuljahrs in das Haus bei uns nebenan. Zum ersten Mal richtig gesehen habe ich ihn dann an der Bushaltestelle. Ein ziemlich stiller Junge, aber ganz freundlich. Die anderen spielten morgens an der Bushaltestelle immer Fußball, aber ich hatte keine Lust dazu und war richtig froh, als Gary auftauchte, weil ich jetzt jemanden zum Reden hatte. Wir unterhielten uns über Wackelbilder und Videospiele und was wir im Fernsehen gesehen hatten.

Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, ich glaube, Mrs Searle war ein bisschen überängstlich. Wahrscheinlich weil sie allein erziehend war. Die ganze Zeit hat sie Gary gefragt, wo er hingeht, und ob er auch warm genug angezogen ist und alles so was. Gary hat immer nur die Augen verdreht. Bis Brendan aufgetaucht ist, war ich sicherlich Garys bester Freund. Aber Gary hatte so was Geheimnisvolles an sich, da wusste man nie so genau Bescheid. Als ob er irgendwas verbergen würde. Ich kann das nicht erklären, aber ich konnte es spüren, wenn wir zusammen waren. Manchmal wurde er dann plötzlich ganz still, und man spürte, dass er völlig weggetreten war. Ich habe immer gedacht, das hätte vielleicht mit der Scheidung seiner Eltern zu tun.
Ryan Clancy, Freund von Gary und Brendan

Gary Searle war ein ganz reizender Junge mit rötlich braunen Haaren und großen runden Augen. Er war höflich und ruhig und hat immer getan, was man ihm aufgetragen hat. Ich erinnere mich, dass er von einigen Kindern gehänselt wurde, weil er so dick war. Aber Sie wissen ja, wie Kinder in diesem Alter sind.
>Ruth Hollington, Garys Lehrerin
in der vierten Klasse an der Grundschule Middletown

Ich bin erst im fünften Schuljahr nach Middletown gekommen, vorher habe ich Gary nicht gekannt. Wir waren viel zusammen und manchmal hat er von früher erzählt. Von der Scheidung und wie furchtbar das für ihn gewesen ist, und wie sein Vater dann einfach verschwunden ist und keine Alimente gezahlt und niemals angerufen hat und so. Das hat ihn schrecklich enttäuscht. Da ist er nie drüber weggekommen.
Allison Findley, Garys zeitweilige Freundin an der Middletown Highschool

Die Scheidung war eine hässliche Angelegenheit. Ständig Zank und Geschrei. Geldstreitigkeiten. Und Gary immer mittendrin, Ich glaube, manchmal habe ich ihn benutzt, um zu bekommen, was mir zustand. Was uns beiden zustand. Schrecklich, ein Kind in so was reinzuziehen, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.
Cynthia Searle, Garys Mutter

Gary war ein sehr aufgewecktes Kind. Man sah ihm das nicht an, weil er recht verschlossen wirkte und sich niemals meldete. Mir ist das zum ersten Mal in Mathe aufgefallen. Seine Klassenarbeiten waren fast immer tadellos, von einzelnen Flüchtigkeitsfehlern einmal abgesehen. Und am Computer war er der Beste. Ich wollte mit der Klasse eine Website einrichten. Gary hat sich freiwillig dafür gemeldet. Und ganz gleich, welche Probleme auftauchten, Gary hat immer mindestens drei Lösungen gefunden.
Stuart McEvoy,
Garys Lehrer in der sechsten Klasse an der Mittelschule Middletown

Viele Jugendliche machen Computerspiele und so was, aber bei Gary war das etwas anderes. Er ist andauernd vorm Computer gesessen. Am Telefon war er oft völlig geistesabwesend, und dann wusste ich, dass er gerade online war. Er sprach ganz komisch, immer mit so einer kurzen Verzögerung, und im Hintergrund konnte man ihn tippen hören. Als ob er zwei Dinge auf einmal tun würde. Einmal habe ich ihn besucht und ihm dabei zugesehen. Er hatte drei Chatseiten gleichzeitig geöffnet und hat auf jeder mit einem anderen Partner gechattet. Und dabei auch noch telefoniert. Da ist mir klar geworden, dass er, wenn ich mit ihm telefonierte, nicht zwei Dinge auf einmal tat. Sondern vier.
Ryan Clancy

Ich bin mit Gary zu einer Psychologin gegangen, weil ich hoffte, da würde er vielleicht etwas aus sich herausgehen. Sie fand ihn sehr verschlossen. Ich glaube, sie ist nie so richtig an ihn herangekommen. Inzwischen ist klar, dass uns das allen nie gelungen ist.
Cynthia Searle

Ich will Ihnen ein Beispiel dafür erzählen, wie klug Gary war. Nach dem ersten Monat im sechsten Schuljahr wurde mir eines Tages ausgerichtet, ich solle seine Mutter bei der Arbeit anrufen. Ich erinnere mich an dieses Telefonat, weil sie sich irgendwie nicht wirklich dazu durchringen konnte, mir offen zu sagen, worum es ihr ging; aber am Ende hatte ich den Eindruck, dass sie wissen wollte, warum ich nur so wenig Hausaufgaben stellte. Offenbar brauchte Gary selten mehr als eine halbe Stunde am Abend, um damit fertig zu werden. Das Komische daran war, dass die Hälfte der Eltern meiner Schüler sich beklagten, ich würde den Kindern zu viel für zu Hause aufgeben.
Stuart McEvoy

Heute ist es einfach, zurückzublicken und in allem, was man getan hat, irgendwelche Hinweise zu sehen. In einem Sommer zum Beispiel haben Gary und ich mit Vergrößerungsgläsern gespielt, das heißt, wir haben damit lebendige Käfer und Raupen verbrannt. Das war schon stark, zu beobachten, wie die sich gewunden haben. Ist das ein Hinweis? Oder tun das Millionen andere Kinder auch? Ryan Clancy

Lesezitate nach Morton Rhue - Ich knall euch ab!










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Titel von
Morton Rhue
 Taschenbuch



Literatur- Kartei:
Die Welle... und andere Bewegungen.


(Lernmaterialien)
© 1992



Die Welle

© 1997



The Wave
Text & Study Aids

© 1996


© 29.4.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de