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Ein Franzose in Deutschland
Daniel Goeudevert - Wie Gott in Deutschland

b man Daniel Goeudevert tatsächlich noch als echten Franzosen bezeichnen kann? Immerhin hat der ehemalige Automanager, zuletzt war er Vorstand bei VW, fünfundzwanzig Jahre in Deutschland gelebt und ist in zweiter Ehe mit einer Deutschen verheiratet. Dass er unsere Eigenheiten, Vorlieben und Fehler nur allzu gut kennt, das kann man ihm mit diesem Hintergrund durchaus glauben.

In seinem neuen Buch »Wie Gott in Deutschland«, betrachtet er die Deutschen ganz genau und versucht dem Rätsel auf die Spur zu kommen, warum »unter Deutschen« alles so schwer wiegt und den meisten Ausländern zu Deutschland sofort Stichworte wie Zäune, Verbotsschilder und geschützte Grünanlagen einfallen?

»Spaß oder Freude, von Ausgelassenheit gar nicht zu reden, möchte bei ihnen nicht so recht aufkommen; es sei denn, die Freude ist ein gut vorbereitetes und eingeübtes Programm, eine närrische Pflicht gar, wie etwa beim rheinischen Karneval.«

Doch stopp, wer denkt Goeudevert hat sich darin ergangen, eine Zusammenfassung aller gängigen Klischees zwischen zwei Buchdeckel zu pressen, der irrt, denn der Untertitel seines Buches verrät, dass es sich um eine Liebeserklärung handelt. Eine Liebeserklärung in doppelter Hinsicht.

Zum einen hat Goeudevert seine berufliche Karriere bis an die Spitze der deutschen Wirtschaft vorangetrieben, begünstigt durch eine Reihe glücklicher Fügungen, wie er sehr amüsant in seinen autobiografischen Notizen erzählt. So gehören seine Jugend, die fünfziger Jahre und der Beginn seiner beruflichen Laufbahn zum besten Teil des Buchs.

Zum anderen schreibt er eine sehr persönliche Liebeserklärung an seine Frau, mit der er seit vielen Jahren glücklich verheiratet ist, und die sein Manuskript während des Entstehens mit ihren scharfzüngigen Kommentaren würzt.

Auf sehr charmante Weise - so sind sie halt die Franzosen - plaudert Goeudevert über Gott und die Welt, erzählt aus seiner Schulzeit und wie er sein Faible für die deutsche Sprache erst mit Hindernissen entdeckte. Natürlich spart er als Automann nicht mit spitzen, boshaften Bemerkungen zu des "Deutschen liebsten Kind: das Auto."

Eine kurzweilige Lektüre mit Tiefgang, leicht serviert.
manuela haselberger



  Daniel Goeudevert -
  Wie Gott in Deutschland
   Eine Liebeserklärung
   © 2003, München, Econ Verlag, 224 S., 22 €

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Vorwort

Zu seiner Belehrung sollte ein Schriftsteller mehr leben als lesen. Zu seiner Unterhaltung sollte ein Schriftsteller mehr schreiben als lesen. Dann können Bücher entstehen, die das Publikum zur Belehrung und zur Unterhaltung liest.
KARL KRAUS


Leben »wie Gott in Deutschland«. Gut leben? In diesem Land? Das könne doch wohl nur ironisch gemeint sein, bemerkte ein Dortmunder Bekannter in mitwissendem Ton, als ich ihm erzählte, woran ich gerade arbeite und welchen Titel ich dem Buch zu geben beabsichtige. Und mit der Ironie, fügte er sogar noch vorsichtig hinzu, als wolle er mich vor einem Fehler bewahren, sei das so eine Sache; damit täten sich die Deutschen ja bekanntlich schwer. Ob meine Leserinnen und Leser mir das danken würden?

Ja, so sind sie, die Deutschen. Unter anderem. Von sich selbst, ihrem Land, ihren Landsleuten haben sie für gewöhnlich keine sehr hohe Meinung. Leicht missmutig, häufig grüblerisch und stets Ieidensbereit scheinen sie das Schlechte dem Guten, das Negative dem Positiven vorzuziehen. Als stünden sie immer an der Schwelle irgendeines Abgrunds, dessen Anblick sie jedes Zutrauen in den Wert der Dinge, in die Verlässlichkeit sozialer und politischer Verhältnisse oder in die Sicherheit der eigenen materiellen Existenz als Illusion erkennen lässt. Das hält den Zweifel, auch den Selbstzweifel wach und macht misstrauisch: So nah am Abgrund kann schließlich schon der nächste Schritt ins Leere, in die Katastrophe führen. Da ist Vorsicht angeraten.

Diese ängstlich verunsicherte Haltung, die man sogar schon im Ausland mit dem Namen »German Angst« belegt hat, ist übrigens nicht, wie man es immer mal wieder liest oder hört, bloß aufgesetzt, sie ist keine Pose, auch keine erst infolge des Nationalsozialismus antrainierte Korrektheit oder Bescheidenheit. Nein, die Wurzeln reichen wohl tiefer, vermutlich weit zurück in eine Zeit, von der zum Beispiel das beliebte Kinderlied »Maikäfer flieg« erzählt. Diese kleine Volksweise gehört laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage bis heute zu den bekanntesten Kinderliedern in Deutschland. Nahezu 70 Prozent aller Deutschen kennen Melodie und Reim.

»Maikäfer flieg. Dein Vater ist im Krieg, die Mutter ist in Pommerland, Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer flieg!« Kein gerade fröhlich stimmender Text, dessen Inhalt und Herkunft sich darüber hinaus einem Kind von heute wohl kaum erschließen dürften. Dennoch hat sich das Lied ins Gedächtnis der meisten eingeschrieben. Es besingt den Dreißigjährigen Krieg, der vor weit mehr als 350 Jahren mit dem Westfälischen Frieden von 1648 sein Ende fand und in dessen Verlauf fast die Hälfte aller Deutschen gestorben war - diese »Deutschen« bewohnten damals freilich noch kein Deutschland, sondern verschiedene Fürstentümer, König- und Kaiserreiche. Dreißig Jahre Krieg hatten die deutschen Länder verwüstet. Entvölkerung, völlige Verarmung, kulturelle Stagnation und ein demütigendes interventionsrecht ausländischer Mächte - Frankreich und Schweden - waren die lang anhaltenden Folgen, die, so scheint es, das Selbstbild der Deutschen nachhaltig geprägt haben. Keine kriegerische, stolze Marianne wie in Frankreich steht für das nationale Selbstbewusstsein, sondern der deutsche Michel, der hier, in dieser längst vergangenen Zeit seinen Ursprung hat.

Lange nach Beendigung dieses Krieges, rund 150 Jahre später, am Anfang des 19. Jahrhunderts, bereiste die französische Schriftstellerin Madame de Staël das Land und kam in ihrem 1813 in England veröffentlichten Buch Über die Deutschen zu einem ähnlichen Ergebnis: »In einem Reich, das seit Jahrhunderten zersplittert ist und wo, fast immer durch fremden Einfluss bewogen, Deutsche gegen Deutsche kämpften, kann keine große Vaterlandsliebe existieren, und auch die Liebe zu Ruhm kann nicht sehr lebhaft sein in einem Land, wo es kein Zentrum, keine Hauptstadt, keine Gesellschaft gibt.«

Nun gut. Seitdem ist wiederum viel Zeit vergangen. Deutschland hat inzwischen eine prächtige Hauptstadt, eine stabile Gesellschaft, ist längst nicht mehr verarmt - alles andere als das - und glücklicherweise auch nicht mehr zersplittert, nicht einmal mehr »geteilt«. Wie steht es also heute mit den Deutschen? Hat ihr Selbstbild mit diesen Veränderungen Schritt gehalten und sie ein neues Selbstverständnis ausbilden lassen? Oder wirken die Traumata ihrer Geschichte bis in die Gegenwart nach? Ist es immer noch der deutsche Michel, der den Nationalcharakter am treffendsten verkörpert? Gibt es überhaupt so etwas wie einen Nationalcharakter, eine deutsche Mentalität? Oder übernimmt die Rede davon lediglich die verzerrenden Stereotype, die den verschiedenen Nationen - selten in bester Absicht - vor allem von außen angedichtet wurden und werden? Haben solche Zuschreibungen möglicherweise mit der Lebenswirklichkeit in einem Land nicht das Geringste zu tun?

Keine Sorge! Ganz so ernst, wie die Fragen hier gestellt sind, werden meine Antworten gewiss nicht ausfallen. Ich bin kein Wissenschaftler und ich möchte niemanden langweilen, sondern bemühe mich, der Empfehlung von Karl Kraus zu folgen, die ich als Motto vorangestellt habe. Aber nach der einen oder anderen Antwort suche ich als neugieriger Mensch durchaus. Nicht zuletzt deshalb, weil mich solche Bemerkungen wie die meines Dortmunder Freundes immer wieder und immer noch verwundern. Und worüber ich mich wundere, dem versuche ich auf den Grund zu gehen.

»Nein«, musste ich ihm dann auch entschieden versichern und sein Missverständnis aufklären, »die Titelformulierung mag verspielt sein. Ironisch ist sie nicht. Die Aussage gibt vielmehr recht genau wieder, wie ich mich in Deutschland gefühlt habe und bis heute fühle. Das Buch soll also alles andere als eine Abrechnung sein, eher schon eine Liebeserklärung« - womit ich dem Dortmunder Gespräch am Ende unverhofft nicht nur einen Einstieg in das Thema, sondern auch den Untertitel verdanke.

Ja, eine Liebeserklärung. Ich habe 25 Jahre meines Lebens in Deutschland verbracht. Zwei Drittel der Bücher in meinen Regalen sind deutsche Bücher. Inzwischen träume ich sogar in deutscher Sprache. Das Land und seine Menschen haben mir fast alles gegeben: Arbeit, Erfolg, Liebe, so dass ich gar nicht anders kann, als zurück zu lieben. Hier ist mir eine wundersame Karriere geschehen, die mich über Führungspositionen bei Citroën und Renault sowie den Vorstandsvorsitz der deutschen Ford-Werke bis in die Konzernspitze von Volkswagen geführt hat - und für die ich am Ende, als wäre all das nicht schon Lohn genug gewesen, auch noch mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde.

Deutschland ist mir Heimat geworden. Hier fühle ich mich mindestens so gut verstanden wie in meinem Geburtsland Frankreich. Und das ist schon recht bemerkenswert, da mir nichts Deutsches in die Wiege gelegt worden war und es von seiten meiner Familie nicht das Geringste gab, was meinen Weg nach und mein Verhältnis zu Deutschland vorgezeichnet hätte. Ich bin deshalb geneigt, von meinem »deutschen Schicksal« zu sprechen, das mich durch viele unverhoffte Fügungen ereilt hat.

Davon handelt dieses Buch. Ich wollte mich des seltsamen Geschehens, das man im Rückblick »mein Leben«

nennt, noch einmal schreibend vergewissern. Und ich wollte versuchen, sowohl meine Beziehung zu den Deutschen als auch die Beziehung der Deutschen zu sich selbst zu verstehen. Denn solange ich mittendrin war, mehr Teilnehmer als Beobachter, habe ich zwar unendlich viel erlebt und gelernt, war aber von dem jeweils Gegenwärtigen derart absorbiert, dass mir zur Besinnung kaum Zeit blieb. Erst heute und aus einem gewissen Abstand sehe ich vieles klarer, manches Erlebte erscheint in anderem Licht, einiges bislang Unverstandene will völlig neu bedacht sein.

Aber noch einmal: keine Sorge! Zu einer solchen Erkundung ist reine Schwärmerei natürlich denkbar ungeeignet, weshalb der Untertitel, das Wort »Liebeserklärung«, nicht zu eng ausgelegt werden sollte. Lauter Freundlichkeiten wären ja auf Dauer auch langweilig und finden sich hier deshalb nicht. Harmonie und Gleichklang, Geistes- und Wahlverwandtschaften werden zwar angesprochen, sind aber für das Erkennen wie für das Schreiben viel weniger ergiebig als die Misstöne, die Unterschiede, das Fremde und Befremdliche.

Erst durch Fremdheit und Befremdung kommt das Denken in die Welt. Deshalb ist es im Nachhinein nicht verwunderlich, dass die Eigenarten der Deutschen, die Unterschiede etwa zwischen Deutschland und Frankreich in der Folge ein viel größeres Gewicht einnehmen, als ich es mir anfangs vorgestellt hatte. Dabei sind sich beispielsweise Franzosen und Deutsche, trotz mancher Differenzen, sehr viel ähnlicher, als gemeinhin angenommen wird. Ja, die Gemeinsamkeiten sind in Wahrheit zahlreicher als die Unterschiede, es gibt mehr Verbindendes als Trennendes. Aber erst die kleinen und großen Differenzen sind es, die Neugier und Interesse wecken. Neugier und Interesse wiederum stehen am Beginn und sind die Voraussetzung jeder Liebesbeziehung. Und nur bleibende Neugier und anhaltendes Interesse können eine Liebe lebendig erhalten - so wie meine Liebe zu Deutschland, aber auch, weit wichtiger noch, die Liebe zu meiner Frau.

Doch nun habe ich fast schon zu viel verraten. Ich möchte deshalb nicht weiter vorgreifen und muss vorab auch gar nicht viel erklären, weil das Buch seinen eigenen Entstehungsprozess sozusagen miterzählt. Denn es war nicht so, dass ich eines Morgens aufwachte und begann, einen lange gehegten Plan endlich in die schreibende Tat umzusetzen. An ein weiteres Buch hatte ich vielmehr, wie es den Leserinnen und Lesern meines vorherigen bekannt sein dürfte, gar nicht mehr gedacht. Und doch hat es sich dann aber, wie so vieles in meinem Leben, irgendwie ergeben; nicht das Buch natürlich, sondern die Tatsache, dass ich es schreiben wollte - und auch sollte - und also geschrieben habe. Wie es sich ergeben hat, ist gleich nachzulesen, weshalb ich diese kleine Vorrede knapp halten und hier beenden kann.

Alles begann mit einem Gespräch ...S.7-12


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