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Zitat aus dem Buch

Das Kostüm war grün und gute Markenware, und niemand konnte ahnen, dass sie es für neunundachtzig Kronen fünfzig in einem Trödelladen der Heilsarmee gekauft hatte. Der Knopf war am Rockbund durch eine Sicherheitsnadel ersetzt, aber auch das konnte niemand sehen. Sie winkte den Kellner heran und bestellte noch ein Glas Weißwein.

Der Auserwählte dieses Abends saß zwei Tische weiter, der Tisch zwischen ihnen war frei. Sie hatte noch nicht angefangen und konnte darum nicht beurteilen, wie bewusst ihm ihre Gegenwart war.

Er war erst bei der Vorspeise.
Sie hatte genügend Zeit.
Sie nahm einen Schluck aus dem nachgefüllten Weinglas. Der Wein war trocken und genau richtig temperiert. Und bestimmt ziemlich teuer. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, nach dem Preis zu fragen, da er sie absolut nicht interessierte.
S. 9


Lesezitat nach Karin Alvtegen - Karin Alvtegen


Flucht
Karin Alvtegen - Die Flüchtige

ie Großnichte von Astrid Lindgren zu sein und das Schreiben zum Beruf erwählen, da gibt es sicher Leichteres. Doch Karin Alvtegen, geboren 1965, hat damit überhaupt kein Problem. Ihr deutsches Debüt "Die Flüchtige" ist ein Roman, der mit der ungewöhnlichen Protagonistin Sibylla rundum begeistert.

Sibylla Forsenström ist 32 Jahre alt und lebt als Obdachlose in Stockholm. "Sie hatte selten jemand Armes getroffen, und sie war kein schlechter Mensch. Sie war lediglich eine, die noch nie in die allgemein akzeptierten Normen gepasst hatte und nun schon so lange außerhalb dieser Normen lebte, dass sich daran nichts mehr ändern ließ. Sie hatte keinen Platz im System."

Hin und wieder gönnt sie sich den Luxus einer Nacht im Grand Hotel. Dazu sind ein paar Tricks nötig, um den passenden Mann im Hotel-Restaurant von ihrer Rolle als erfolgreiche Geschäftsfrau zu überzeugen, doch lange genug war Sibylla, als Tochter eines reichen Industriellen selbst Teil der Highsociety, so dass sie die Spielregeln immer noch mühelos beherrscht.

Als die Polizei allerdings am Morgen danach an ihre Zimmertüre klopft, weil der Mann, der die Übernachtung bezahlt hat, grausam ermordet worden war, wird ihre Situation brenzlig. Wer glaubt schon einer Zechprellerin, die sich als obdachlose Pennerin durchs Leben schwindelt? Es bleibt Sibylla keine andere Wahl, sie muss den Ereignissen selbst auf den Grund gehen. "Sie hatte nie etwas von der Gesellschaft verlangt, und dachte das auch in Zukunft nicht zu tun."

An der Oberfläche ist "Die Flüchtige" ein spannender Thriller, doch darunter verpackt und überrascht Karin Alvtegen ihre Leser mit einer überzeugenden psychologischen Charakterstudie einer Frau, die bereits als junges Mädchen von ihrem Elternhaus mit aller Gewalt "zu ihrem Besten" verbogen wurde, und die nachhaltig dagegen rebelliert, als die Situation für sie unerträglich wird. Selbst vor der Psychiatrie scheuen die "besorgten" Eltern nicht zurück, um ihre Tochter tradierten Vorstellungen anzupassen. Am Ende, als Sibylla ihre Fesseln nicht ohne Verletzungen gesprengt hat, ist sie eine Frau, die keine Abhängigkeiten mehr duldet, eine Frau, die nur noch sich selbst verpflichtet sein möchte.

Ein Roman, geschrieben in einer klaren, schnörkellosen Sprache, der unterhält, mit Spannung nicht geizt und sehr detailliert über das Leben der Obdachlosen informiert, noch dazu psychologisch ausgefeilt - was will man mehr? Natürlich - unbedingt lesen. © manuela haselberger


Karin Alvtegen - Die Flüchtige
Originaltitel: Saknad, © 2000
Übersetzt von Hedwig M. Binder
2001, Reinbek, Wunderlich Verlag, 269 S.

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Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de