... reinlesen





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Irgendwo muss ich anfangen.
Aber wo!
Und soll ich an dich schreiben? Oder an niemanden!
Oder an mich!
Eine Geschichte beginnt am Anfang. Das weiß schließlich jedes Kind. Aber woher weiß man, an welcher Stelle eine Geschichte beginnt!
Du warst Tessas Vater, Tessa war meine beste Freundin, und alles war ganz einfach.
Also:
Es war einmal eine einfache Welt. S.6

Anna und ich begegnen uns auf dem Schulflur. Es ist kurz nach sieben. Alle anderen warten bereits vor der Tür. Alle außer Paul.
Er hat bisher keinen einzigen Kursabend verpasst. Ich sehe mich um. Anna schließt den Klassenraum auf und wir gehen hinein. Wie die anderen Male auch stellen wir die vorderen Tische im Halbkreis um das Pult herum, bevor wir uns setzen. Pauls Platz ist leer. Mir ist plötzlich ganz schlecht. Das liegt natürlich daran, dass ich nichts gegessen habe. Die Mappe vor mir ist ein schwarzes Rechteck. Wie eine Öffnung, durch die man hindurchschlüpfen kann. S. 45

Ich starre auf die Mappe vor mir, bis meine Augen brennen. Ich blinzle ein paar Mal, aber es brennt immer noch. Mein Gott, bin ich kindisch. Völlig lächerlich. Er kann die Gedichte doch auch ein andermal lesen, wenn es so lebenswichtig ist.
Da klopft es an der Tür und Paul betritt atemlos den Raum. Das Ganze kommt so überraschend, dass mein Herz drei Doppelschläge macht und mir das Blut ins Geslcht schießt, während meine Handflächen schlagartig eiskalt und schweißnass werden. Wäre der Zusammenhang mit Pauls Erscheinen nicht so offensichtlich, hätte ich es für die ersten Anzeichen einer Grippe gehalten.
quot;Tut mir Leid, dass ich zu spät komme'' , sagt Paul und geht eilig zu seinem Platz. "lch bin nicht rechtzeitig mit meiner Arbeit fertig geworden. S. 46


Lesezitat nach
Katarina von Bredow - Als ob nichts wäre


Als ob nichts wäre
Katarina von Bredow - Als ob nichts wäre

Elin ist neunzehn Jahre und frisch verliebt. Was kann es schöneres geben? Mit Paul, dem Mann ihrer Träume, besucht sie zusammen den Literaturkurs der Volkshochschule. Sie lesen sich ihre ersten selbst geschriebenen Texte vor – stellen fest, dass sie auf einer Wellenlänge liegen und in ihren Empfindungen übereinstimmen, die Welt leuchtet himmelblau und rosarot.

Mit dem winzigen, aber nicht unerheblichen Fehler: Paul ist der Vater von Elins bester Freundin und mit seinen vierundvierzig Jahren genau so alt wie ihre Mutter.

Elin ignoriert zunächst rigoros alle Schwierigkeiten. Die gemeinsamen Grillabende mit ihrer und Pauls Familie sind jedoch eine Tortur. Es ist ein schmerzhafter Prozess, bis sie in der Lage ist wahrzunehmen, dass Paul eine riesige Angst davor hat, sein beschauliches und angenehmes Leben mit Ehefrau und Kindern für sie aufzugeben. Ehrlich, es war für ihn nie eine ernsthafte Überlegung.

Die schwedische Kinder- und Jugendbuchautorin Katarina von Bredow, die bereits mit ihrem Roman für Jugendliche "Kaum erlaubt" eine ungewöhnliche Liebesgeschichte thematisiert, schildert die Beziehung zwischen Elin und Paul aus der verträumten Sicht des jungen Mädchens. "Ich rede mit ihm. Auf dem Weg zur Arbeit, während der Stunden im Laden, auf dem Weg nach Hause, abends, wenn ich auf meinem Bett liege, morgens, wenn ich wach werde. Ich frage und erkläre ununterbrochen in sein abgewandtes Gesicht, flüstere Geheimnisse in seine verschlossene Ohren und schreie meine Wut über seine Abwesenheit heraus."

Am Ende steht Elin vor einem Scherbenhaufen. Wenn sie sich und ihre Gefühle nicht missbrauchen lassen will, bleibt ihr nur ein Ausweg. Und sie kratzt die Kurve im allerletzten Moment.

"Als ob nichts wäre" ist ein ungewöhnlicher Roman über die Zeit der ersten großen Liebe. Vehement kämpft Elin darum, dass "Gewohnheiten in den Fleischwolf" gehören, doch letztendlich scheitert sie an der Macht der eingefahrenen Idylle.

Lesealter ab 14 Jahren



Katarina von Bredow - Als ob nichts wäre
Originaltitel: Som Om Ingenting, 1999
Übersetzt von Maike Dörries
2000, Weinheim, Anrich, 239 S.,

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Stühlequietschen und Stimmengewirr. Paul unterhält sich mit Eva, während sie wie die anderen auch zur Tür gehen. Ich probiere vorsichtig aus, ob meine Beine mich tragen. Trödele herum. Jessika und ich verlassen als Letzte den Klassenraum. ...
Paul wirft einen Blick über die Schulter, verlangsamt das Tempo, lässt Eva vorgehen. Ich spüre mit jeder Faser meines Körpers, dass er auf mich wartet. So wie sonst auch immer. Der Abstand zwischen uns schrumpft. Aber ich werde auch langsamer und unterhalte mich intensiv mit Jessika. Bla bla bla. Mein Herz pocht wie wild. Jetzt hat Anna Paul eingeholt und sagt etwas zu ihm, er lacht und antwortet ihr, und der Abstand zwischen uns verringert sich nicht weiter. S. 55

"Wenn ich mit neunzehn so geschrieben hätte wie du, hätte ich alle Hebel in Bewegung gesetzt, Schriftsteller zu werden." .... Wir müssen unbedingt darüber reden. ...
Reden, denke ich, als ich kurz darauf meinen Schrank durchwühle - Treffen und reden. Schwarzer Pullover und Jeans! Vielleicht zu kindisch. Etwas Erwachseneres. Schwarzer Pullover und Rock? Ich zerre die Klamotten aus dem Schrank, werfe sie aufs Bett und zieht die Jeans und den weinroten Pullover aus, die ich gerade anhabe. Meine Haut glänzt vor Schwei. Als ob meine Nervosität auf die Drüsen unter der Haut drückt. Nicht so, dass der Schweiß läuft, eher wie ein Film von Feuchtigkeit.
Der Rock spannt über meinen Hüften. Anscheinend habe ich zugenommen. Obwohl er jetzt fast besser sitzt als vor er. Jetzt der Pullover. Ich drehe mich vor dem Wandspiegel hin und her. Müssten die Brüste nicht etwas angehoben werden? Mein BH ist ausgewaschen und völlig wertlos. Tessa trägt Push-ups. Aber sie hat eine kleinere Oberweite als ich, B. Ich muss D kaufen. Außerdem habe ich einen sehr schmalen Brustkorb. Größe 75D ist in den Geschäften kaum aufzutreiben, meine Auswahl ist daher begrenzt. Warum gibt es eigentlich keine Push-ups für Frauen, die wirklich was zu pushen haben? Und wo kaufen eigentlich die Frauen mit silikongefüllten Brüsten ihre BHs?
Ich packe die Nähmaschine in Mamas Nähzimmer aus, füttere sie mit schwarzem Nähgarn und mache den BH ein wenig enger, sodass ich die Träger etwas kürzer machen kann, ohne zu riskieren, dass sich die Brüste unter dem unteren Rand hervormogeln. Danach drehe ich mich erneut vor dem Spiegel hin und her. Schon besser.
Was mache ich hier eigentlich?
Treffen und reden, hat er gesagt!
Ich bin nicht ganz bei Trost.
Tessa würde auf der Stelle tot umfallen, wenn sie das wüsste.
Trotzdem. S. 94

In meinem Kopf sind Pauls Worte. Gewöhnliche Worte. Worte, die, jedes für sich genommen, überhaupt nicht erwähnenswert wären. Reihe ich sie aber aneinander, werden sie zu einem magischen Mantra von ungeheurem und schwer zu deutendem Inhalt. Ich rede mit ihm. Auf dem Weg zur Arbeit, während der Stunden im Laden, auf dem Weg nach Hause, abends, wenn ich auf meinem Bett liege, morgens, wenn ich wach werde. Ich frage und erkläre, rede ununterbrochen in sein abgewandtes Gesicht, flüstere Geheimnisse in seine verschlossenen Ohren und schreie meine Wut über seine Abwesenheit heraus.

"Du hast Angst, du alter Feigling!'', schreie ich. "Jetzt hast du Angst, was? Mach dir keine Sorgen! Ich werde deine heile Puppenhauswelt nicht mit meinem verdorbenen Atem anhauchen, deine zerbrechliche Idylle nicht besudeln! Auch den heutigen Tag werde ich überleben! Von Anfang bis Ende werde ich diesen Tag überleben!''
S. 149

In deiner Nähe hab ich keine Überlebenschance, Paul. Es gibt nur eine Möglichkeit. ...
Aber vorher muss ich es noch aufschreiben.
Und am besten gleich damit anfangen.
Aber wo?
Woher weiß man, an welcher Stelle eine Geschichte beginnt? S. 239


Lesezitate nach Katarina von Bredow - Als ob nichts wäre


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 19.4.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger