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Eine Kindheit im Heim
Peter Hoeg - Der Plan von der Abschaffung des Dunkels
Seit seinem Erfolg mit dem Bestseller
"Fräulein Smillas Gespür für Schnee"
ist der Autor Peter Hoeg kein Unbekannter mehr. In seinem neuen
Buch mit dem etwas sperrigen Titel "Der Plan von der Abschaffung
des Dunkels" hat er sich noch um einige literarische Klassen
gesteigert. In einer kurzen knappen Sprache erzählt Hoeg
die Geschichte dreier Kinder in einem Waisenhaus. Sie nehmen alle
an einem fortschrittlichen pädagogischen Experiment teil,
das die Eingliederung auffälliger Kinder und Jugendlicher
in die Gesellschaft zum Ziel hat. Für die drei Kinder sieht
die Realität ganz anders aus. Verzweifelt versuchen sie die
strengen hierarchischen und organisatorischen Zwänge des
Kinderheimes zu verstehen. Heimlich spielen sie Familie, da ihnen
jede Kontaktaufnahme zueinander streng verboten ist. Eines neben
vielen Ordnungskriterien ist die Zeit, denn jede Minute im Heim
ist reglementiert. Peter, der älteste von ihnen, der noch
nicht zu den gesellschaftlich ganz Ausgestoßenen gehört,
versucht diese Zeitmuster zu erkennen. Er bestimmt Zeitlinien,
um eine Ordnung in sein Leben, insbesondere in seine Vergangenheit
zu bringen. Für August, den Kleinsten, kommt allerdings jede
Hilfe zu spät. Er hat solche schweren psychischen Verletzungen
erhalten, daß sich ihm keiner nähern darf. In einer
Kurzschlußreaktion hat er seine Eltern, nachdem sie ihn
jahrelang mißhandelt haben, mit einem Schrotgewehr erschossen.
Das Waisenmädchen Katarina, die dritte im Bunde, schafft
es, Peter zum ersten Mal in seinem Leben ein Gefühl von Wärme
und Zuneigung zu vermitteln. Ihm gelingt es mit dieser Erfahrung
das unmenschliche System zu überwinden und adoptiert zu werden.
In einer lakonischen Sprache, bei der kein Wort zuviel ist, beschreibt
Hoeg das Unglück der Kinder. Er versucht mit seiner Sprache
zum Wesentlichen vorzudringen. Der Schrecken und Schmerz bleibt
jedoch oft zwischen den Worten stecken. Es ist unaussprechlich.
Ein immer wiederkehrendes Wort ist "souverän".
Das ist das Hauptanliegen der Kinder: endlich ihrer Lage, ihrem
Leben jederzeit gewachsen zu sein und keinerlei Abhängigkeit
mehr zu spüren.
"Der Plan von der Abschaffung des Dunkels" hat keine
lineare Erzählstruktur und es dauert einige Seiten, bis man
sich eingelesen hat. Er ist ganz gewiß auch keine leichte,
unterhaltende Sommerlektüre, doch es handelt sich dabei um
ein Buch, das so unter die Haut geht mit seinem Inhalt, seinen
Sätzen, seinem Anliegen, daß man es nicht unberührt
aus der Hand legen kann.
Peter Hoeg - Der Plan von der Abschaffung des Dunkels
1998, Reinbek, rororo, 296 S.,
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