Und die Vögel verstummten
Mary McCarthy - Und die Vögel verstummten

Für die Psychoanalytikerin Eleanor Ross ist es Zeit für einen Tapetenwechsel. Ihr Ehemann ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und, auch wenn ihre Ehe in den letzten Jahren nicht als gut zu bezeichnen war, hat sie der Unfall trotzdem sehr mitgenommen. Um wieder Boden unter den Füßen zu spüren, entflieht sie der Hektik der Großstadt Dublin und mietet sie sich für den Sommer in "The Lodge", einem idyllisch gelegenen Anwesen ein.

Der schöne Schein des Landlebens ist jedoch, wie so oft, trügerisch; rasch wird Eleanor von den verschrobenen Bewohnern in ihre verwickelte Familiengeschichte hineingezogen. Sie berichten ihr hinter vorgehaltener Hand von zwei Mordfällen, die vor einigen Jahren geschehen sind und bis heute nicht aufgeklärt wurden und noch immer die Gemüter erregen.

Herrin auf "The Lodge" ist Großmutter Iris Laffan. Doch seit einigen Jahren leidet sie an der Alzheimer´schen Krankheit und hat das Regiment gezwungener Maßen ihrer Tochter Victoria übertragen. In ihren wenigen lichten Momenten erinnert Mrs. Laffan sich daran, daß ihre älteste Tochter Lorna vor mehr als fünfzehn Jahren unter mysteriösen Umständen gestorben ist. Die meiste Zeit ist sie allerdings damit beschäftigt, den Bewohnern ihres Gästehauses Kleinigkeiten zu entwenden, die ihr besonders gut gefallen. Zu ihren Favoriten gehören vor allem sündhaft teure, pinkfarbene Nachthemden, die sie sich dann kurzerhand mit der Schere maßgerecht kürzt, - nicht immer zur Freude der Bestohlenen.

Doch ihre Erinnerungen an die Vergangenheit sind noch nicht völlig in der Vergessenheit versunken. Und ihr Wissen kann für den Mörder gefährlich werden.

Der zweite Mordfall geschah hinter dem herrlichen Anwesen der Laffans. Warum die Frau des Zahnarztes dort vor fünf Jahren erwürgt wurde, darüber häufen sich im Dorf die absurdesten Spekulationen. Doch Genaues weiß niemand. So wird Eleanor mit Klatsch und Tratsch neben den verrückten Eskapaden Granny Laffans von ihren eigenen Problemen abgelenkt. Gefragt ist jedoch vor allem ihre Kombinationsgabe.

"Und die Vögel verstummten" ist der erste auf deutsch erschienene Krimi der irischen Autorin Mary McCarthy. Sie schreibt in bester englischer Erzähltradition. Kaum wahrnehmbar, doch durchaus vorhanden ist der leichte Hauch des viktorianischen Zeitalters zwischen den Seiten des Buches, auch wenn die Personen im heutigen Dublin angesiedelt sind. Mary McCarthy läßt sich Zeit, die Charaktere ihrer Geschöpfe herauszuarbeiten, spürt den verborgenen Motiven ihrer Handlungen nach und läßt sich nicht dazu verleiten, das Tempo des Romans künstlich zu beschleunigen.

Der Thriller "Und die Vögel verstummten" ist kein nervenaufpeitschender Schocker, sondern zählt zu den gemütlichen Krimis, mit dem Vorteil, daß er handwerklich sehr sorgfältig gearbeitet ist.




Mary McCarthy - Und die Vögel verstummten
aus dem Englischen von Elke vom Scheidt
Originaltitel: 1997, "And No Bird Sang"
1998, München, btb Verlag, 480 S.,

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1998-Dez-20
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Quelle: http://www.bookinist.de
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