chon Scheherazade hat, um ihr Leben
zu retten, ihrem Herrn jeden Abend ein Märchen erzählt.
Dem Tübinger Rolf Vollmann müssten
noch eine ganze Reihe neuer Leben zustehen, für die faszinierenden
Geschichten, die er in seinem zweibändigen Werk "Die wunderbaren
Falschmünzer" gesammelt hat,und natürlich
auch jede Menge Zeit zum Lesen all der Bücher, die er
hoffentlich zukünftig für seine Leser noch entdecken wird.
Er hat sich in den vergangenen Dekaden in die so romanreiche
Zeit des 19.Jahrhunderts gestürzt und sich auf die Suche
gemacht, welche der damals erschienen Romane es verdienen,
heute noch gelesen zu werden.
Und Vollmann wurde fündig.
Mehr als tausend Bücher hat er in Europa und Amerika
ausgegraben, die von 1800 bis 1930 erschienen sind. Allerdings macht er es sich
nicht so leicht, dass er sich darauf beschränken würde, nur
eine neue Literaturgeschichte zu schreiben, sondern er hat zwei
umwerfende Bände verfaßt, in denen es sich einerseits chronologisch
schmökern lässt, andererseits aber auch Infos nachgeschlagen werden
können.
Seine Leseerfahrungen würzt er mit seiner persönlichen
Meinung und das macht die Spannung aus. Er übernimmt
nicht sattsam bekannte, germanistische Lehrmeinungen, sondern
erzählt in Anmerkungen, Schlenkern und Querverweisen, wie es ihm als
Leser mit einem bestimmten Autor ergangen ist.
Er stellt Zusammenhänge
zwischen den Büchern eines Schriftstellers her und beschreibt,
wie die Lektüre eines Autors zwangsläufig zum
nächsten führt. Aber er erzählt auch sehr unterhaltsam
aus dem Leben seiner versammelten Schriftsteller: wer hat mit wem korrespondiert,
was hatten sie sich zu sagen, wer hat wen gelesen.......
Es sind eine solche Fülle von Geschichten und Anekdoten,
dass man dieses grandiose Werk allen Bücherwürmern
wärmstens ans Herz legen muss. Auch wer meint,
alles schon zu kennen, hier finden sich noch zu entdeckende Schätze.
Vollmanns Bücher schwören auch dem heute
so lästigen Nachjagen nach sensationellen Neuerscheinungen ab, die leider
oft nur ein altes Thema, das schon in der Vergangenheit besser erzählt wurde, neu auflegen.
Es lohnt sich, mit Vollmann in den alten Bücherkisten zu stöbern. Hier
lässt ein besessener, süchtiger Leser sein Publikum an seiner
Obsession und seinem immensen Wissen teilhaben. Er schafft es sogar,
seine Sucht so weiterzugeben, dass man die von ihm erwählten Bücher
nicht aus der Hand legen mag, denn er verwickelt seine Leser in eine
Unterhaltung, die man nicht einfach unhöflich unterbrechen möchte.
Vollmanns Bücher sind absolute Standard-Ausrüstung
für die einsame Insel und wer dann noch einen CD-Player mitnehmen kann, der wird den zweistündigen Genuss von
Vollmanns umfassenden Wissen über Literatur, Bücher und ihre Macher von ihm persönlich gelesen nicht missen wollen.
© manuela haselberger