Kolumnen
Peter Bichsel -
Gegen unseren Briefträger
konnte man nichts machen

Der neue Band von Peter Bichsel ist eigentlich ein "alter Bichsel", denn seine gesammelten Kolumnen aus den Jahren von 1990 - 1994 sind alle schon einmal erschienen, zumeist in der "Schweizer Illustrierte". Diese Tatsache schmälert allerdings keinesfalls den Lesegenuß. Die kurzen, kritischen Betrachtungen, Randbemerkungen zu unserer Gegenwart, Beobachtungen aus dem Alltag lesen sich wie gerade frisch verfaßt. Sie sind in dem Band "Gegen unseren Briefträger kann man nichts machen" nach den Jahren ihres Erscheinens geordnet.

Schon das Lesen einiger prägnanter Überlegungen Bichsels zu unserer Vorliebe für Ordnung, die weder vor der Organisation eines Umzugs, noch vor der detaillierten Ordnung eines Begräbnisses oder der mittels Computer akribisch vorausgeplanten und gebuchten Urlaubsreise halt macht, gibt genug Stoff zum Nachdenken. Auch seine aufrüttelnden Gedanken, was wir einem Freund zu erzählen hätten, der vor zehn Jahren gestorben ist, die er mit der Bemerkung abschließt:" Hätten Sie den Mut, jenen wiederzusehen, der selbst so gern noch gelebt hätte - und Sie hätten ihm nichts zu erzählen?", sind eine wunderbare Lektüre. Hier schreibt ein Außenseiter, der sich und seiner Zeit jedoch immer wieder im rechten Augenblick den Spiegel vorhält. Seine nicht immer schmeichelhaften, vielfach schmerzhaften Wahrnehmungen, die oft an die Perspektive eines naiven Kindes erinnern, bringt er in einer kurzen, knappen Sprache zum Ausdruck. Seine völlig unaufgeregte, ruhige, bedächtige Art machen seine Kolumnen zu einer lohnenden, wunderbaren Lektüre.

Peter Bichsel -
Gegen unseren Briefträger konnte man nichts machen
1995, Frankfurt, Suhrkamp Verlag, 248 S.,
2002, 8.50 EUR

Buch bestellen Taschenbuch (ab 2002)


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 6.10.1996

Quelle: http://www.bookinist.de