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Malcolm Hinson sah es als erster wie ein Stück Tuch vom Baum herabhängen. Er wäre auch daran vorbeigegangen, in dem Glauben, daß es sich nur um ein altes Laken handelte, das bei jemandem vom Verandageländer geweht worden war und sich jetzt halb versteckt in diesem Kieferngestrüpp verfangen hatte, wäre nicht die Rundung eines schwarzen Schuhs gewesen, die unter dem Rand des Baumwolltuchs hervorlugte, genau in seine Richtung wies und im gebrochenen Sonnenlicht blinkte.

Er rannte die dreiviertel Meile bis zu Parrishs Haus. Gemeinsam liefen die beiden jungen Männer durch das Feld zurück, und die Spitzen des noch nicht gemähten Schwingelgrases rissen ihnen die Beine wund. »Vielleicht sollten wir eine Leiter mitnehmen, vielleicht sollten wir das!« rief Malcolm keuchend. Aber Parrish rannte weiter, und seine Stiefel waren ein Flüstern dse Schreckens inmitten der hohen, umknickenden Halme.


Der Tod in der Vergangenheit
Teri Holbrook - Der Junge am Fenster

"In der Alden - Familie war der Tod zu einem Zuschauersport geworden." Angefangen hat es mit dem spektakulären Selbstmord von Linnie Glynn Canes im Jahre 1925. Bis heute erzählt jedes Kind in Statlers Cross noch vom Tod dieser eigenartigen Frau mit der schlechtesten Laune, die sich eher eigenhändig erwürgt hätte, als "Guten Morgen" zu sagen.

An einem wunderschönen Nachmittag zog sie ihrem fünfjährigen Sohn die besten Kleider an und sperrte ihn in sein Zimmer. Sie ging hinaus zur Scheune, suchte sich ein Seil und einen Hocker und trug beides zum Pekanbaum neben dem Haus. "Sie schlang das Seil um einen Ast, stellte sich auf den kleinen Hocker und legte sich das Seil um den Hals. Und seither spukt sie durch die Stadt und trauert um den kleinen Jungen, den sie zurückgelassen hat."

Doch würde eine Mutter wirklich vor den Augen des Sohnes, der am Fenster des Zimmers steht und traurig herausschaut, Selbstmord begehen?

Die Reihe der tragischen Todesfälle reißt in der Familie der Canes nicht ab.

Beim alljährlichen Barbecue stellt Sill ihrem Vater Martin ihre neue Freundin vor. Entsetzt nimmt Martin zur Kenntnis, daß seine Tochter mit einer anderen Frau zusammenlebt. Wenige Minuten später wird er tot in seinem Schlafzimmer aufgefunden. Beim Reinigen seines Gewehrs hat sich ein Schuß gelöst. Kann einem erfahrenen Jäger und Waffennarren wirklich so ein Fehler unterlaufen?

Wo sind die Reinigungs - Utensilien?

"Der Junge am Fenster" ist eine Familiengeschichte aus dem Süden der USA, in der bei genauerem Hinsehen nichts so ist, wie es scheint. In Amerika wurde der Roman für den Edgar-Allan-Poe-Award, den Anthony Award und den Agatha-Award nominiert.

Doch die Langmut des Lesers wird mit den verworrenen, unklaren Familienverhältnissen am Beginn der Geschichte, die sich erst nach und nach aufklären, den vagen Charakteren, die sehr unpräzise geschildert werden, auf eine ziemlich lange Geduldsprobe gestellt. Richtig spannend wird´s leider erst in der zweiten Hälfte des Romans.




Teri Holbrook - Der Junge am Fenster
aus dem Amerikanischen von Xaver Engelhard
Originaltitel: © 1996, "The Grass Widow"
1999, München, Goldmann Verlag, 382 S., 14.90 DM

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1999/06/07

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger