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  Lesealter: 12 - 112 Jahre  

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Abenteuer am Amazonas
Isabel Allende - Die Stadt der wilden Götter

s ist das erste Mal, dass die chilenische Erfolgsautorin Isabel Allende, weltweit bekannt durch den Roman "Das Geisterhaus", ihrer Fantasie in einem Buch für junge Leser freien Lauf lässt. Verfasst hat sie in erster Linie ein ungeheuer spannendes Abenteuer aus der geheimnisvollen Welt der Amazonas - Indianer.

Und so wie jede sehr gute Geschichte, schlägt der Roman "Die Stadt der wilden Götter", der sowohl im Kinderbuchprogramm bei Hanser, als auch gleichzeitig im Suhrkamp Verlag in einer aufwändigen Ausgabe erscheint, die Leser jeden Alters in seinen Bann.

Der Junge Alex, fünfzehn Jahre alt, der behütet an der kalifornischen Küste aufwächst, hätte es sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können, welches grandiose Abenteuer er mit seiner Großmutter erleben wird. Dass seine Großmutter so ganz anders ist, als die vielen netten Omas aus den nachmittäglichen Fernseh - Serien, das weiß Alex schon lange. Doch dass sie ausgerechnet ihn als Begleiter für ihre Reise in den Dschungel des Amazonas wählt, das überrascht Alex dann doch. Seine Großmutter ist als Journalistin für das Magazin "National Geographic" unterwegs und soll über die bedrohten Indianer Südamerikas berichten. Imponierend ist ihr furchtloses Motto: "Ich will lieber am Amazonas von den Indianern umgebracht werden, als in New York vom Alter."

Die Reise ist allerdings tatsächlich nicht ungefährlich. Kann es sein, dass eine stinkende Bestie mit den Indianern ein gefährliches Spiel treibt und sie tötet? Immer wieder ist von riesigen, geheimnisvollen Fußspuren die Rede. Die Expedition wird von einem tollpatschigen Professor und einem schweigsamen Indio begleitet. Mit von der Partie ist auch eine Ärztin, die mit ihrem Impfstoff die Indianer vor Zivilisationskrankheiten schützen soll. Doch das Amazonas Gebiet ist durch seinen großen Reichtum an Bodenschätzen bekannt und nicht alle Teilnehmer der Reise haben ehrbare Absichten. Alex findet in Nadia, die den Dschungel wie ihre Westentasche kennt, eine liebenswerte Freundin, die ihm eine Menge über die Welt der Amazonas - Indianer erzählen kann. Warum sie beispielsweise "Nebelmenschen" genannt werden, das bekommt Alex, als er Opfer einer spektakulären Entführung wird, bald schon selbst heraus.

Isabel Allende hat neben der Abenteuergeschichte im Vordergrund, nicht mit kritischen Anmerkungen zur Umweltzerstörung am Amazonas gespart. Überzogen ist das Ganze mit einem Hauch von Magie, denn die Schamanen nehmen beim Volk der "Nebelmenschen" eine wichtige Rolle ein. Und zu guter Letzt ist es auch eine Erzählung, die ihren jungen Lesern Mut macht und Selbstvertrauen spendet. Eigenschaften, die gar nicht hoch genug zu werten sind. Aber am aller wichtigsten ist, es macht Spaß, in die Sümpfe des Orinokos einzutauchen und sich in einer unbekannten Welt zu verlieren. Und das alles ohne lästige Mückenstiche.
© manuela haselberger
    Lesealter ab 12 Jahren


Isabel Allende - Die Stadt der wilden Götter
Originaltitel: La Ciudad de las Bestias , © 2002
Übersetzt von Svenja Becker

© 2002, München, Hanser Verlag, 353 S., 16.90 € (HC)
© 2002, Frankfurt, Suhrkamp Verlag, 22.90 € (HC)
© 2002, München, Hör Verlag, 6 Hörcassetten., 25.90 € (MC)
© 2002, München, Hör Verlag, 8 CDs., 25.90 € (CD)






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Erstes Kapitel
Der schlimme Traum

Alexander Gold schreckte im Morgengrauen aus einem L Albtraum auf. Ein riesiger schwarzer Geier hatte darin eine der Fensterscheiben zertrümmert, war ins Haus eingedrungen und hatte seine Mutter mitgenommen. Im Traum hatte Alex ohnmächtig mit ansehen müssen, wie der gigantische Vogel Lisa Gold mit seinen gelben Fängen an den Kleidern packte, durch das geborstene Fenster wieder hinausflog und sich in dem mit dicken Wolken verhangenen Himmel verlor. Geweckt hatte ihn der Sturm, der Wind, der an den Bäumen zerrte, der Regen auf dem Dach, das Blitzen und Donnern. Ihm war zumute wie in einer Nussschale im Ozean; er tastete nach dem Schalter der Nachttischlampe und presste sich gegen den Koloss von Hund, der neben ihm schlief. Er stellte sich den Pazifik vor, nur wenige Straßen von seinem Zuhause entfernt: Bestimmt bäumte der sich gerade brüllend auf und spie seine wütende Brandung gegen die Klippen. Er lauschte auf das Unwetter, dachte an den schwarzen Vogel und an seine Mutter und wartete darauf, dass die Trommelschläge in seiner Brust zur Ruhe kamen. Die beklemmenden Traumbilder hielten ihn noch immer gefangen.

Alex sah auf die Uhr: halb sieben, Zeit zum Aufstehen. Draußen hatte es kaum zu dämmern begonnen. Aber dieser Tag war eigentlich schon jetzt nicht mehr zu retten, einer von denen, die man besser im Bett verbringt, weil sowieso alles schief geht. Seit seine Mutter krank war, gab es viele solcher Tage; manchmal war die Atmosphäre im Haus so drückend wie auf dem Grund des Meeres. Alles, was dann noch helfen konnte, war abzuhauen und mit Poncho den Strand entlangzurennen, bis einem die Puste ausging. Aber es regnete und regnete seit einer Woche, eine richtige Sintflut, und außerdem war Poncho von einem Reh gebissen worden und wollte sich nicht bewegen. Alex war überzeugt, den dümmsten Hund seit Menschengedenken zu haben, den einzigen vierzig Kilo schweren Labrador, der sich je von einem Reh hatte beißen lassen. Mit seinen vier Jahren war Poncho von etlichen Waschbären angegriffen worden, von der Nachbarskatze und nun von einem Reh, ganz zu schweigen von den Stinktieren, die ihn einsprühten, so dass man ihn hinterher mit Tomatenketchup abschrubben musste, damit der Gestank nachließ. Der Hund war zum Trottel geboren. Er kapierte nicht, dass Scheiben durchsichtig sind, und rannte gegen jede Glastür; selbst auf die grundlegendsten Befehle hörte er nicht. Noch dazu hatte er überhaupt kein Benehmen, legte Besuchern zur Begrüßung die Pfoten auf die Schultern und bellte ihnen ins Gesicht. Ohne Poncho zu stören, schlüpfte Alex aus dem Bett und zog sich schlotternd an; die Heizung schaltete sich um sechs Uhr ein, aber in seinem Zimmer, dem letzten auf dem Flur, war die Wärme noch nicht angekommen.

Als es Zeit zum Frühstücken war, hatte Alex schlechte Laune und fühlte sich wirklich unfähig, die Mühe zu würdigen, die sich sein Vater mit den Pfannkuchen gegeben hatte. John Gold war alles andere als ein Meisterkoch: Er konnte bloß Pfannkuchen machen, und die wurden bei ihm eine Art mexikanische Gummi-Tortillas. Um ihn nicht zu kränken, stopften seine Kinder sie sich in den Mund, aber sobald er nicht hinsah, spuckten sie die Dinger in den Müll. Vergeblich hatten sie versucht, Poncho dazu abzurichten, dass er sie aß: Der Hund war ein Trottel, aber kein Volltrottel.

»Wann wird Mama wieder gesund?«, fragte Nicole, während sie versuchte, den widerspenstigen Pfannkuchen mit der Gabel aufzuspießen.
»Halt den Mund, dummes Huhn!«, fuhr Alex sie an, denn er hatte es satt, dass seine kleine Schwester ihnen seit Wochen mit dieser Frage in den Ohren lag. »Mama wird sterben«, bemerkte Andrea.
»Du lügst! Sie wird nicht sterben!«, schrie Nicole.
»Was soll dieser Kindergarten, ihr habt ja keine Ahnung, wovon ihr redet!«, sagte Alex zornig.
»Kommt, Kinder, beruhigt euch. Mama wird wieder gesund .. .«, unterbrach sie John Gold, aber überzeugend klang das nicht.
Alex war wütend auf seinen Vater auf seine Schwestern, auf Poncho, auf das Leben überhaupt und sogar auf seine Mutter, weil die einfach krank geworden war. Entschlossen, auf das Frühstück zu verzichten, stürzte er aus der Küche, aber im Flur stolperte er über den Hund und fiel der Länge nach hin.

»Mach doch Platz, du Schwachkopf!«, brüllte er Poncho an, aber der leckte ihm nur freudig schmatzend über das Gesicht und besabberte seine Brille. Doch, heute war definitiv der Wurm drin. Wenig später stellte sein Vater fest, dass der Kleinbus einen Platten hatte, und Alex musste helfen, in aller Eile den Reifen zu wechseln, aber sie verloren dennoch kostbare Minuten, und er kam zu spät zur Schule. Wegen der überstürzten Abfahrt hatte er seine Mathehausaufgaben vergessen, was die Beziehung zu seinem Mathelehrer nicht gerade verbesserte. Aber Alex hielt ihn ohnehin für einen jämmerlichen Wicht, dem es nur darum ging, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Und dann hatte er auch noch seine Flöte zu Hause liegen lassen, und am Nachmittag probte das Schulorchester; er war der Solist und musste hin.

»Manchmal ist man ein Floh; und dann wieder das Flohpulver; ich bin schon lange nicht mehr das Flohpulver gewesen.« Er ließ den Kopf hängen.

* Wegen der Flöte musste Alex also während der Mittagspause noch einmal nach Hause. Der Sturm war vorüber, aber die See war noch immer aufgewühlt, und die Wellen spritzten über die Klippen bis auf die Uferstraße, so dass er die Abkürzung über den Strand nicht nehmen konnte. Auf der langen Strecke nach Hause musste er rennen, weil er so wenig Zeit hatte.

In den letzten Wochen, seit seine Mutter krank war, kam eine Frau zum Putzen, aber an diesem Tag hatte sie wegen des Sturms abgesagt. Mex hätte auch sonst gut auf sie verzichten können, man merkte ja doch, dass nichts mehr so war wie früher. Schon von außen sahen Haus und Grundstück ein bisschen heruntergekommen aus, fast als wären auch sie traurig.

Alex spürte, dass seine Familie mehr und mehr auseinander brach. Seine Schwester Andrea, die schon immer ein bisschen anders gewesen war als andere Mädchen, lief nur noch verkleidet herum und verlor sich für Stunden in ihrer Fantasiewelt, wo Hexen in den Spiegeln lauerten und Außerirdische in der Suppe schwammen. Alex fand, dass sie für so etwas schon zu alt war, eigentlich hätte sie sich mit ihren zwölf Jahren für Jungs interessieren und sich reihenweise Ohrlöcher stechen lassen sollen. Dagegen klaubte sich Nicole, die Jüngste der Familie, nach und nach einen Zoo zusammen und versuchte so, die Aufmerksamkeit zu ersetzen, die ihre Mutter ihr nicht mehr geben konnte. Sie fütterte jede Menge Waschbären und Stinktiere durch, die um das Haus herumstrichen; sechs verwaiste Kätzchen hatte sie adoptiert und in der Garage versteckt; sie hatte einem hässlichen, flügellahmen Vogel das Leben gerettet und hielt eine Schlange von einem Meter Lange in einer Kiste. Hätte ihre Mutter die Schlange gefunden, sie wäre vor Schreck tot umgefallen, aber das war nicht sehr wahrscheinlich, denn wenn Lisa Gold nicht im Krankenhaus war, musste sie zu Hause im Bett liegen.

Einmal abgesehen von den Pfannkuchen seines Vaters und den Sandwichs mit Thunfisch und Mayonnaise, die Andreas Spezialität waren, kochte von der Familie schon seit Monaten niemand mehr. Im Kühlschrank gab es bloß Orangensaft, Milch und Eiscreme; abends bestellten sie Pizza oder etwas vom Chinesen. Am Anfang war das beinahe wie ein Fest gewesen, weil jeder essen konnte, wann und was er wollte, vor allem Süßigkeiten, aber mittlerweile wünschten sich alle das gesunde, regelmäßige Essen von früher zurück. Zu Hause ohne seine Mutter war gar nicht richtig zu Hause. Sie fehlte ihm so! Dass man sie so leicht hatte zum Lachen bringen können, dass sie zärtlich gewesen war und manchmal auch streng, nicht so nachsichtig wie sein Vater und viel gewiefter: Völlig unmöglich, ihr etwas vorzumachen, ihrem sechsten Sinn entging einfach nichts. Jetzt hörte man sie keine italienischen Lieder mehr singen, es gab überhaupt keine Musik mehr und keine Blumen, und auch dieser vertraute Geruch nach frisch gebackenen Plätzchen und Ölfarbe war verschwunden. Früher hatte seine Mutter es so eingerichtet, dass sie morgens ein paar Stunden in ihrem Atelier arbeiten konnte, das Haus war trotzdem in Schuss gewesen, und … S. 7-11
Lesezitate nach Isabel Allende - Die Stadt der wilden Götter



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by Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de