V O R W O R T
Gary starb am Freitag, den 27. Februar, gegen 10 Uhr abends in der Turnhalle der Middletown Highschool. Nachdem die Kugel ihm die linke Schädelhälfte zerschmettert und ihm das Gehirn zerfetzt hatte, lebte er etwa noch 10 bis 15 Sekunden. ... S. 11
... über Gary
Gary und seine Mutter, Mrs Searle, zogen einen Tag vor dem ersten Tag des zweiten Schuljahrs in das Haus bei uns nebenan. Zum ersten Mal richtig gesehen habe ich ihn dann an der Bushaltestelle. Ein ziemlich stiller Junge, aber ganz freundlich. Die anderen spielten morgens an der Bushaltestelle immer Fußball, aber ich hatte keine Lust dazu und war richtig froh, als Gary auftauchte, weil ich jetzt jemanden zum Reden hatte. Wir unterhielten uns über Wackelbilder und Videospiele und was wir im Fernsehen gesehen hatten.
Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, ich glaube, Mrs Searle war ein bisschen überängstlich. Wahrscheinlich weil sie allein erziehend war. Die ganze Zeit hat sie Gary gefragt, wo er hingeht, und ob er auch warm genug angezogen ist und alles so was. Gary hat immer nur die Augen verdreht. Bis Brendan aufgetaucht ist, war ich sicherlich Garys bester Freund. Aber Gary hatte so was Geheimnisvolles an sich, da wusste man nie so genau Bescheid. Als ob er irgendwas verbergen würde. Ich kann das nicht erklären, aber ich konnte es spüren, wenn wir zusammen waren. Manchmal wurde er dann plötzlich ganz still, und man spürte, dass er völlig weggetreten war. Ich habe immer gedacht, das hätte vielleicht mit der Scheidung seiner Eltern zu tun.
Ryan Clancy, Freund von Gary und Brendan
Gary Searle war ein ganz reizender Junge mit rötlich braunen Haaren und großen runden Augen. Er war höflich und ruhig und hat immer getan, was man ihm aufgetragen hat. Ich erinnere mich, dass er von einigen Kindern gehänselt wurde, weil er so dick war. Aber Sie wissen ja, wie Kinder in diesem Alter sind.
>Ruth Hollington, Garys Lehrerin
in der vierten Klasse an der Grundschule Middletown
Ich bin erst im fünften Schuljahr nach Middletown gekommen, vorher habe ich Gary nicht gekannt. Wir waren viel zusammen und manchmal hat er von früher erzählt. Von der Scheidung und wie furchtbar das für ihn gewesen ist, und wie sein Vater dann einfach verschwunden ist und keine Alimente gezahlt und niemals angerufen hat und so. Das hat ihn schrecklich enttäuscht. Da ist er nie drüber weggekommen.
Allison Findley, Garys zeitweilige Freundin an der Middletown Highschool
Die Scheidung war eine hässliche Angelegenheit. Ständig Zank und Geschrei. Geldstreitigkeiten. Und Gary immer mittendrin, Ich glaube, manchmal habe ich ihn benutzt, um zu bekommen, was mir zustand. Was uns beiden zustand.
Schrecklich, ein Kind in so was reinzuziehen, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.
Cynthia Searle, Garys Mutter
Gary war ein sehr aufgewecktes Kind. Man sah ihm das nicht an, weil er recht verschlossen wirkte und sich niemals meldete. Mir ist das zum ersten Mal in Mathe aufgefallen. Seine Klassenarbeiten waren fast immer tadellos, von einzelnen Flüchtigkeitsfehlern einmal abgesehen. Und am Computer war er der Beste. Ich wollte mit der Klasse eine Website einrichten. Gary hat sich freiwillig dafür gemeldet. Und ganz gleich, welche Probleme auftauchten, Gary hat immer mindestens drei Lösungen gefunden.
Stuart McEvoy,
Garys Lehrer in der sechsten Klasse an der Mittelschule Middletown
Viele Jugendliche machen Computerspiele und so was, aber bei Gary war das etwas anderes. Er ist andauernd vorm Computer gesessen. Am Telefon war er oft völlig geistesabwesend, und dann wusste ich, dass er gerade online war. Er sprach ganz komisch, immer mit so einer kurzen Verzögerung, und im Hintergrund konnte man ihn tippen hören. Als ob er zwei Dinge auf einmal tun würde. Einmal habe ich ihn besucht und ihm dabei zugesehen. Er hatte drei Chatseiten gleichzeitig geöffnet und hat auf jeder mit einem anderen Partner gechattet. Und dabei auch noch telefoniert.
Da ist mir klar geworden, dass er, wenn ich mit ihm telefonierte, nicht zwei Dinge auf einmal tat. Sondern vier.
Ryan Clancy
Ich bin mit Gary zu einer Psychologin gegangen, weil ich hoffte, da würde er vielleicht etwas aus sich herausgehen. Sie fand ihn sehr verschlossen. Ich glaube, sie ist nie so richtig an ihn herangekommen. Inzwischen ist klar, dass uns das allen nie gelungen ist.
Cynthia Searle
Ich will Ihnen ein Beispiel dafür erzählen, wie klug Gary war. Nach dem ersten Monat im sechsten Schuljahr wurde mir eines Tages ausgerichtet, ich solle seine Mutter bei der Arbeit anrufen. Ich erinnere mich an dieses Telefonat, weil sie sich irgendwie nicht wirklich dazu durchringen konnte, mir offen zu sagen, worum es ihr ging; aber am Ende hatte ich den Eindruck, dass sie wissen wollte, warum ich nur so wenig Hausaufgaben stellte. Offenbar brauchte Gary selten mehr als eine halbe Stunde am Abend, um damit fertig zu werden. Das Komische daran war, dass die Hälfte der Eltern meiner Schüler sich beklagten, ich würde den Kindern zu viel für zu Hause aufgeben.
Stuart McEvoy
Heute ist es einfach, zurückzublicken und in allem, was man getan hat, irgendwelche Hinweise zu sehen. In einem Sommer zum Beispiel haben Gary und ich mit Vergrößerungsgläsern gespielt, das heißt, wir haben damit lebendige Käfer und Raupen verbrannt. Das war schon stark, zu beobachten, wie die sich gewunden haben. Ist das ein Hinweis? Oder tun das Millionen andere Kinder auch?
Ryan Clancy
Lesezitate nach Morton Rhue - Ich knall euch ab!