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Marianne Fredriksson:


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 © 2003


Betrifft: Maria Magdalena
Marianne Fredriksson - Maria Magdalena

arianne Fredriksson wendet sich nach ihren beiden Romanen, dem Bestseller "Hannas Töchter" und "Simon", bei ihrem dritten Roman einer schillernden historischen Persönlichkeit aus der Religionsgeschichte zu - Maria Magdalena.

Beim kritischen Blättern in den Evangelien fällt ins Auge, dass sie alle von Männern verfasst wurden. Sollten Frauen im Leben des Mannes Jesus keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben? Das scheint mehr als weltfremd und zweifelhaft.

So taucht Marianne Fredriksson in das Leben einer Frau ein, die Jesus getroffen hat - Maria Magdalena. Ihre Eltern wurden in ihrer Kindheit als aufständische Juden von Römern ermordet. In ihrem Schmerz liest sie ein griechischen Kaufmann auf und steckt Maria in ein Freudenhaus. Sie hat Glück und wird von der Besitzerin als Tochter adoptiert und erhält eine glänzende Ausbildung.

Das Mädchen wächst heran und trifft auf einer einsamen Wanderung in den Bergen auf den faszinierenden Mann Jesus. Er beeindruckt sie so stark, dass sie ihm bis zur seiner Kreuzigung auf seinem Weg folgt.

Sie ist diejenige, mit der er unzählige Gespräche führt, die ihm sehr nahekommt und die vor allem eine Botschaft erhält: "Macht keine Gebote aus dem was ich euch gesagt habe. Schreibt keine Gesetze nieder, so wie die Schriftgelehrten es tun."

Doch genau das haben seine Jünger nach seinem Tod vor. Maria erhält viele Jahre später Besuch von den Aposteln Petrus und Paulus. Sie wollen mit ihr über ihre gemeinsame Zeit mit Jesus sprechen, doch Maria Magdalena erkennt schnell, dass es den Männern nur darum geht, das Christentum als Institution zu etablieren. Im Kern eine Machtfrage.

Marianne Fredriksson beschreibt den Konflikt zwischen weiblicher Intuition und männlicher Logik und Macht hervorragend. Ihre besten Passagen erinnern an die Romane von Luise Rinser und mit ihrem Thema greift sie den Konflikt auf, der den Kirchen im Augenblick eine Menge Kopfzerbrechen bereitet, denn die vielen Kirchenaustritte sind ein massiver Protest gegen die Institution Kirche, nicht gegen das Christentum.
manuela haselberger



  Marianne Fredriksson -
  Maria Magdalena
   Originaltitel: »Enligt Maria Magdalena«, © 1997
   Übersetzt von Senta Kapoun
   © 1999, Frankfurt, Krüger Verlag, 284 S., --.-- €
   © 1999, Frankfurt, Fischer Verlag, 284 S., 9.90 €
   © 1999, Frankfurt, Der HÖR Verlag DHV, 3 Cass., 21.90 € (MC)
  

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Auf einem großen Platz in Antiochia hörte sie ihn sprechen, ihn, der Simon hieß, jedoch Petrus genannt wurde. Er hatte sich nicht verändert, Der Fischer von den Ufern des Sees Genezareth war auch jetzt noch von aufrechter Gestalt und hatte sich die scharfen Gesichtszüge bewahrt. Und den Blick: kindlich und gelassen.
Auch viele seiner Worte erkannte sie wieder. Wie ein Echo.
»Liebet einander«, sagte der Mann auf dem Platz.
Das hatte Er gesagt. Aber erst jetzt erkannte sie, daß Er nie verstanden hatte, wie wenig Liebe es in Wirklichkeit unter den Menschen gab.
»Liebet einander.« Der großgewachsene Mann wiederholte die Worte, und sie klangen aus seinem Mund wie ein Gesetz.
Jetzt konnte sie sehen, wie vertrauensvoll sein Blick war.

Gleich darauf sprach Simon vom Licht, das nicht versteckt werden durfte. Und sie erinnerte sich an ihr Erstaunen darüber, daß Er nicht gewußt hatte, daß die Menschen zum Schattendasein verdammt waren.
Sein eigenes Licht. hat Ihn geblendet, dachte sie.
Vielleicht hatte Er deshalb den finstersten aller Tode gewählt.

Dann, zum Schluß, das Gebet, das sie so gut kannte. »Vater unser .. .«‚ und die Menschenmenge löste sich auf. Hier und dort war höhnisches Gelächter zu hören, aber es verlor sich bald. Die Worte des Simon Petrus besaßen Leuchtkraft, waren der Widerschein dessen, was einst gesagt worden war. Aber sie hatten ihren verbor­genen tieferen Sinn verloren.
Wieviel Zeit war inzwischen vergangen? Wie lange würde es noch dauern?

Auf dem Heimweg mußte sie daran denken, daß sie den großmauligen Fischer nie hatte leiden können und daß sie sich deswegen geschämt und zu beten versucht hatte: Vater unser, vergib mir alle meine bösen Gedanken.

Dann dachte sie, daß sie nicht zu der Versammlung hätte gehen sollen, daß sie es hätte besser wissen müssen. Sie hatte viele Jahre gebraucht, um zu vergessen, und konnte sich an sein Gesicht, seine Hände nicht mehr erinnern, ja, nicht einmal an die Augen oder den Mund, der so merkwürdige Worte formte. Auch die Süße der Nächte hatte sie aus der Erinnerung getilgt. Am schwie­rigsten war es, sein Lächeln zu vergessen. Sie hatte es während der täglichen Arbeit immer wieder vor Augen.

Von einer Nachbarin hatte sie gehört, daß ein Prophet der neuen Sekte auf dem großen Platz im jüdischen Stadtteil sprechen würde.
»Ich möchte selbst gern hingehen, aber ich wage es nicht, mich meinem Mann zu widersetzen«. hatte sie gesagt.
»Ich bin auch neugierig auf die neuen Schwärmer«, hatte Maria Magdalena geantwortet, dabei den Mund zu einem bitteren Lächeln verzogen und an Simon Petrus gedacht, der den Herrn drei­mal verleugnet hatte.
Während sie ihre morgendliche Mahlzeit zu sich nahm, hatte die Neugier sie endgültig gepackt: Ich gehe, hülle mich in den weiten schwarzen Mantel und bedecke das Gesicht mit einem Schleier. Niemand wird mich erkennen.
Alles war gutgegangen, sie war niemandem aufgefallen, ein schwarzer Rabe inmitten vieler anderer Raben.

In der Nacht nach der Begegnung konnte sie nicht schlafen. Auch nicht weinen, obwohl Trauer sie quälte, und ihr Herz hämmerte, als wolle es zerspringen.
Sie stand auf, versuchte ein paar Schritte zu gehen. Aber ihre Beine trugen sie nicht. Sie bemühte sich, den alten Haß auf Simon und die anderen verfluchten Fischer wieder anzufachen. Und auch die Wut. auf Jesus selbst, der den grausamen Tod einem Leben mit ihr vorgezogen hatte.
Aber ihre Verbitterung war erloschen.

Plötzlich hatte sie die letzte Begegnung mit den jüngern in einem dunklen Saal in Jerusalem, wohin der Mann mit dem Wasserkrug sie geleitet hatte, deutlich vor Augen. Die Sonne hatte sich einen Weg durch die hohen Fenster gebahnt und Strahlen aus flimmerndem Staub in die Luft gewoben, Wort war auf Wort gefolgt. Die Männer hatten sie gebeten: »Beschenke uns mit den Worten, die Er zu dir gesprochen hat und die wir nicht kennen.«

Jetzt fiel ihr erst ein, daß die Männer geweint hatten. Merkwürdig, dachte sie, wie hatte ich ihre Verzweiflung vergessen können? Und dann hörte sie auch ihre eigene junge Stimme wieder:
»Der Herr ist mir erschienen, und ich habe ihn willkommen geheißen. Er sagte: »Sei gesegnet, daß du bei meinem Anblick ohne Furcht bist. Dort, wo dein Verstand ist, findest du den Schatz.«
Sie war so aufgeregt gewesen, daß sie nicht bemerkt hatte, wie die Gesichter der Männer, die um den Tisch saßen, sich verfinsterten. Unverdrossen erzählte sie weiter von dem, was Er gesagt hatte: »Seid guten Mutes, der Menschensohn ist mit euch. Folgt ihm nach, wer ihn sucht, wird ihn finden. Macht keine Gebote aus dem, was ich euch gesagt habe. Schreibt keine Gesetze nieder, so wie die Schriftgelehrten es tun.«

Sie hatte noch lange weitergesprochen, vom Tode und alldem, was die Menschen überwinden müssen, während die Seele noch in ihrem Körper wohnt — Zorn, Begierde und Unwissenheit. Sie hatte ein Zwiegespräch zwischen Körper und Seele wiedergegeben: Der Körper sagt: >Ich habe dich nicht gesehen.< Und die Seele antwortet: >Ich habe dich gesehen. Aber du hast mich nicht erkannt.< »Ich habe ihn gefragt: >Was ist die Sünde der Welt?<, und Er hat. mir geantwortet: >Die Welt ist ohne Sünde. Ihr Menschen erschafft sie, indem ihr die Wirklichkeit verfälscht.<

Das war der Augenblick, in dem Simon Petrus gerufen hatte: »Das sind eigentümliche Lehren«, und sich an die anderen wandte. »Ich glaube nicht, daß der Herr solche Worte gesprochen hat. Warum sollte Er so etwas sagen. wenn er allein mit einer Frau ist, anstatt sich uns zu offenbaren.«
»Mein Bruder Petrus. Glaubst du, ich könnte, was den Herrn betrifft, lügen?«
Hier im Bett ihres Zimmers in Antiochia konnte sie endlich weinen. Als das erste Morgenlicht den Himmel färbte, verfiel sie in einen unruhigen Schlaf, in dem sie Bilder von Wanderungen um den blauen See sah, Als sie aufwachte und die Last wie Steine im Magen spürte, war schon lange Tag.
Aber das Herz schlug, wie es sollte, und ihre Gedanken waren klar. Jetzt wußte sie, daß sie den ganzen Weg noch einmal gehen mußte, daß sie sich, von Nesseln gebrannt und von Ruten gepeitscht, auf verwachsenen Pfaden durchkämpfen mußte.

Sie stand auf. Als sie sich wusch, war sein Lächeln ihr nahe. Er munterte sie auf.
»Aber ich bin doch nur ein Mensch«, sagte sie laut.

Dann setzte sie sich, um zu beten, und wandte sich dabei direkt an den Menschensohn. »Ich habe endlich verstanden, daß du mich mit der Liebe geliebt hast, die alle Menschen einschließt. Mich hat nur das ständige Gerede der Jünger verwirrt, darüber, wen von ihnen du wohl am meisten liebtest.
Du hast geliebt. Und vielleicht hast du mir gegenüber Dankbarkeit empfunden, weil ich dich die körperliche Liebe lehrte und damit dein Wissen von den Lebensbedingungen der Menschen vertieft habe. Deine Mutter hat versucht, dir das Unvermeidliche des Lebens zu vermitteln, aber du hast nicht auf sie gehört. Auf mich hast du gehört. Mit deinem Körper.
Gott im Himmel, wie einsam du warst.
Ich habe dazu beigetragen, daß du ein Mensch wurdest. Die Welt der Schatten hast du erst am Kreuz kennengelernt.
Ich erinnere mich, daß du oft erstaunt warst: >Wie kann man den Splitter im Auge des Bruders sehen, aber den Blick vor dem Balken im eigenen Auge verschließen.<
Ich hätte dir sagen können, wie groß die Angst sein kann. Aber ich war damals erst zwanzig Jahre alt. Und eine Hure.«


Lesezitat nach Marianne Fredriksson - Maria Magdalena



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© 1999-09-28

by Manuela Haselberger
www.bookinist.de