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Marionetten
'Le Carré, John - Marionetten'

obald ein neuer Roman von John Le Carré erscheint, können sich die Leser darauf verlassen, dass sie mit einer politisch brisanten Geschichte an exotischen Schauplätzen unterhalten werden, in der die Welt der Geheimdienste eine wesentliche Rolle spielt und dass ganz sicher mit Spannung nicht gegeizt wird. Und so viel gleich vorweg: der neue Thriller „Marionetten“ erfüllt diese Erwartungen voll und ganz. Nur die Exotik der Schauplätze ist mit Hamburg, der wohlhabendsten Stadt Deutschlands, etwas eingeschränkt.

Als im Hamburger Stadtteil Altona eines Tages ein junger Mann vor der Tür des Boxers Melik steht und um Einlass bittet, würde der ihn am liebsten sofort wieder wegschicken. Meliks Mutter hingegen nimmt die türkische Gastfreundschaft ernst und lädt den Fremden ein. Issa ist wortkarg, doch nach und nach erzählt er, dass er illegal nach Deutschland gekommen ist. Er stammt aus Tschetschenien, war in Russland und in der Türkei in verschiedenen Gefängnissen und die Spuren auf seinem Körper zeigen deutlich, dass er mehrfach gefoltert wurde.

Über eine Hilfsorganisation lernt Issa die hübsche Anwältin Annabel kennen. Sie vertritt seine Interessen, als er mit dem Privatbankier Tommie Brue Kontakt aufnimmt und ihm ein geheimnisvolles Foto zeigt. Was will ein junger islamischer Tschetschene von einem gutsituierten Bankier? Issas Vater, ein hochrangiger russischer Offizier, hat bei Brues Vater vor langer Zeit ein Konto mit dem Decknamen Lipizzaner eröffnet und damals mit einem beträchtlichen Geldbetrag ausgestattet.

Natürlich hat nicht nur der deutsche Verfassungsschutz längst die Ohren gespitzt. Denn schon einmal wurde ausgerechnet in Hamburg nicht bemerkt, dass ein Mann namens Mohamed Atta ein gefährliches Attentat vorbereitete. Einen solchen Fehler will sich Günther Bachmann, der versierte Leiter des deutschen Geheimdienstes, nicht mehr vorwerfen lassen.

Allerdings agiert nicht nur der deutsche Geheimdienst. Für die amerikanischen Kollegen ist der junge Mann ebenso hochgradig verdächtig. Niemand glaubt Issa, wenn er bescheiden darum bittet: „Beschaffen Sie mir nur gütigst einen deutschen Pass und eine Aufenthaltsgenehmigung und einen Ort, wo ich Medizin studieren und in Demut beten kann.“

Schon bald verwirren sich alle Beteiligten in einem Wust aus Intrigen und Verstrickungen und keiner hat in Wahrheit mehr einen eigenen Willen. Brue, der schottische Bankier erhält Anweisungen von Bachmann, möchte aber gleichzeitig nicht den strengen moralischen Grundsätzen von Annabell widersprechen. Sie erinnert ihn ein wenig an seine eigene Tochter im fernen Amerika, zu der er eine schwierige Vater-Tochter-Beziehung unterhält.

Geschickt verknüpft John Le Carré die große Weltpolitik mit den kleinen persönlichen Schicksalen und am Ende ist für alle Beteiligten klar, dass sie nicht ungeschoren davon kommen werden. Nicht einmal Melik und seine Mutter. Und die Moral? Ja, die spielt überhaupt keine Rolle.
Manuela Haselberger, 2008-11-14



   Le Carré, John -
   Marionetten
    Übersetzt von Sabine Roth
    Regina Rawlinson
    © 2008, Berlin, Ullstein Buchverlag, 367 S.,
    22.90 € (Hardcover)
    9.95 € (Taschenbuch)
    24.95 € (Audiobook)
   


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