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... aber alles änderte sich , als mit fünfzehn Jahren ihre endgültigen Formen zutage traten und ihr bewusst wurde, welch zerstörerische Anziehung sie auf die Männer ausübte. Ihre Mutter, in Angst wegen der möglichen Folgen dieser ungeheueren Macht, versuchte den Verführungsdrang ihrer Tochter zu bändigen, predigte ihr Zurückhaltung und wollte ihr beibringen, wie ein Soldat zu gehen, nämlich ohne Schultern und Hüften zu schwenken, aber alles blieb vergeblich: die Männer jeden Alters, jeder Rasse und Herkunft verdrehten sich die Hälse nach ihr. Als Lynn die Vorzüge ihrer Schönheit begriffen hatte, schimpfte sie nicht länger darauf, wie sie es als Kind getan hatte, und beschloß, Malermodell zu werden - für eine kurze Zeit, bis ein Prinz auf seinem geflügelten Roß kommen und sie ins eheliche Glück führen würde. Die Eltern hatten während ihrer Kindheit die Fotos von Unschuldsgeschöpfen auf 5chaukeln als harmlose Laune geduldet, aber sie sahen doch eine große Gefahr darin, wenn Lynn vor den Kameras ihre neue Weiblichkeit vorführte. S. 83-84


Lesezitat nach Isabel Allende - Porträt in Sepia


Zerrissen zwischen Chile und Chinatown
Isabel Allende - Porträt in Sepia

ange Jahre ihrer Kindheit wird Aurora immer von demselben Albtraum gequält. Und wenn sie ihre Großmutter Paulina del Valle nach ihrer Herkunft, nach ihren Eltern, fagt, erhält sie nur ausweichende Antworten. Starb ihre Mutter tatsächlich bei ihrer Geburt? Die Identität ihres Vaters erfährt sie erst viele Jahre später auf dessen Sterbebett. "Meiner Träume wegen bin ich anders, so wie die Menschen, die wegen eines Geburtsfehlers oder einer körperlichen Missbildung ständig Kraft und Mühe aufwenden müssen, um ein normales Leben führen zu können."

Erst mit der Kamera, die Aurora mit dreizehn Jahren von ihrem Patenonkel Severo del Valle geschenkt bekommt, gelingt es ihr, Ordnung in ihren Wahrnehmungen zu schaffen. Lange versucht sie, ihre beängstigenden Träume in ein Bild zu bannen. "Die Fotografie und das Schreiben sind Versuche, die Augenblicke zu packen, ehe sie vergehen, die Erinnerungen festzuhalten, um meinem Leben einen Sinn zu geben."

Isabel Allende erzählt in ihrem Roman "Porträt in Sepia" wieder auf ihre ganz besondere Art, ausschweifend, sinnlich und sehr lebensnah, die Geschichte einer ungewöhnlichen, jungen Frau. Sie knüpft damit einerseits direkt an ihren vorigen Roman an: Auroras Großmutter mütterlicherseits, bei der sie fünf unbeschwerte Jahre ihrer Kindheit in Chinatown verlebt, ist Eliza Sommers, die Hauptperson aus Fortunas Tochter. Zuweilen schimmern auch die Anfänge des Bestsellers "Das Geisterhaus" durch die Handlung, wenn Auroras Heranwachsen in Chile erzählt wird.

"Porträt in Sepia" ist eine wunderbare Familiensaga, die zum einen in der Zeit von 1860 bis zu Beginn des neuen Jahrhunderts in San Francisco spielt, dabei wechselt die Handlung zwischen dem Viertel der wohlhabenden weißen Amerikaner um den Union Square und dem völlig anderen Leben in Chinatown. Die Jahre ihrer Jugend sind geprägt von der chilenischen Geschichte, dem Bürgerkrieg, der die Familie ihres Vaters nicht unbeteiligt lässt.

Isabel Allende entfaltet erneut ihre unwiderstehliche Magie und packt den Leser mit ganzer Kraft. Und er ruht nicht eher, bis er alle Einzelheiten aus Auroras Geschichte kennt. Erst dann klappt er zufrieden das Buch zu. © manuela haselberger


Isabel Allende - Porträt in Sepia
Originaltitel: Retrato in Sepia, © 2000
Übersetzt von Lieselotte Kolanoske
© 2001, Frankfurt, Suhrkamp Verlag, 460 S., 25.80 €


Fortsetzung des Lesezitats ...

Ich kam an einem Dienstag im Herbst 1880 in San Francisco zur Welt, im Haus meiner Großeltern mütterlicherseits. Während in dem labyrinthischen Holzbau meine Mutter mit tapferem Herzen und verzweifelnden Gliedern sich keuchend mühte, mir einen Ausgang zu öffnen, kochte auf der Straße das ungezügelte Leben des Chinesenviertels mit seinem untilgbaren Geruch nach exotischer Küche, seinem lärmenden Sturzbach gebrüllter Dialekte, seinem hastenden Hin und Her unerschöpflicher Massen menschlicher Bienen. Ich wurde im ersten Morgenlicht geboren, aber in Chinatown gehen die Uhren anders, und um diese Stunde fängt das Handelsgeschäft an, rumpeln unablässig die Lastkarren durch die Straßen, tönt aus den Käfigen das traurige Jaulen der Hunde, die auf das Messer des Kochs warten. Ich habe die Einzelheiten um meine Geburt erst ziemlich spät im Leben erfahren, aber es wäre schlimmer gewesen, wenn ich sie nie entdeckt hätte; sie hätten für immer auf den Irrwegen des Vergessens verlorengehen können. Es gibt so viele Geheimnisse in meiner Familie, daß mir vielleicht die Zeit nicht reicht, sie alle aufzuklären: die Wahrheit ist vergänglich, Wolkenbrüche schwemmen sie fort. Meine Großeltern empfingen mich tief bewegt - wenn auch einige Augenzeugen behaupten, ich sei ein gräßliches Baby gewesen - und legten mich meiner Mutter an die Brust, wo ich einige Minuten verblieb, die einzigen Minuten, die ich je mit ihr zusammensein konnte. Danach blies mir mein Onkel Lucky seinen Atem ins Gesicht, um sein Glück auf mich zu übertragen.

Wie großmütig die Absicht, so unfehlbar die Methode, denn zumindest in diesen ersten dreißig Jahren meines Lebens ist es mir gut ergangen. Aber halt, ich darf nicht vorgreifen. Die Geschichte ist lang und beginnt weit vor meiner Geburt; S. 11-12

Lesezitate nach Isabel Allende - Porträt in Sepia





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© 14.10.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de