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Onkel Toms Hütte, Berlin Pierre Frei - Onkel Toms Hütte, Berlin
Es spielt im Berlin der Nachkriegszeit in der von den Amerikanern besetzten Zone um den U-Bahnhof "Onkel Toms Hütte". Seit einigen Wochen wird die Polizei von mehreren Frauenmorden in Atem gehalten. Captain Ashburner und sein deutscher Kollege ermitteln fieberhaft, wobei der selbstsichere Umgangston der Sieger nicht immer leicht für die deutschen Kollegen zu ertragen ist. Haben sie es mit einem Serienmörder zu tun? Allen Opfern ist gemeinsam, dass sie weiblich, jung und blond sind.
Die besondere Geschichte der ermordeten Frauen, die aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten stammen, erzählt Pierre Frei in Rückblenden und entwickelt so ein komplexes Bild über das stetige Vordringen des Nationalsozialismus. Aus der naiven, unerfahrenen Schauspielerin Karin wird durch die richtigen Beziehungen ein großer Ufa-Star und die preußische Landadlige Henriette zeigt, dass hinter ihrer vornehmen Contenance eine gehörige Portion Mut steckt, als sie ihrem Bruder bei der Flucht aus Nazi-Deutschland behilflich ist.
Jede der Frauen spricht mit ihrer eigenen Stimme. Marlene beispielsweise, ein Kind aus kleinsten Verhältnissen lässt sich ihre Berliner Schnauze nicht verbieten - selbst wenn sie von der Gestapo verhört wird.
Die ganze Atmosphäre des Romans besticht durch absolute Authentizität; bis zu den Werbeplakaten an den U-Bahn Wänden stimmt einfach alles. In Nebenrollen tauchen neben vielen anderen Grete Weiser, Max Reinhardt und Ernest Hemingway auf. Kleine Schmankerl am Rande.
Sein ganzes Können zeigt Pierre Frei, wenn er Handlungsstränge überlappt, mit seinen Personen spielt und eine bekannte Szenerie aus einem ganz anderen Blickwinkel einfängt.
Zu vergleichen ist "Onkel Toms Hütte" bestenfalls mit Harold Nebenzals erfolgreichem Roman
Alles in allem ein wunderbar komponierter Berlinroman mit der richtigen Dosis an Gänsehaut, Herzklopfen und fundierten historischen Fakten.
Fest steht jedenfalls: Ein Buch, das durch Mundpropaganda seinen Weg finden wird, denn niemand hat bisher so stimmig, dicht, spannend und unterhaltend die Besatzungszeit in Berlin aufgearbeitet. Ein Serienmörder geht um - das ist einerseits wichtig, andererseits auch wieder nur Nebensache, weil es viel spannender ist, die Vorgeschichte der fünf jungen Frauen, die dem Killer zum Opfer fallen, zu lesen.
Eine ganz besondere Rolle kommt dabei jenen Bauern zu, die im weiteren Spielverlauf unbehelligt an die Grenze des gegnerischen Feldes gelangen und dann gegen eine höherwertige Spielfigur eingetauscht werden können. Genauso ergeht es mir bei Pierre Frei - der Mörder hat in der Schachfigur des Bauern eigentlich die ganze Zeit dem Leser vor Augen gestanden und doch erst am Schluss entpuppt er sich als das, was er von Anfang an war: Der gesuchte Täter. Und das ist nur eine Facette, die den Roman so lesenswert macht. Denn die erwähnten Schachfiguren sind nicht nur zweifarbig blass, sondern schillern detailgetreu im Kolorit ihrer Zeit, ob nun in den wilden Zwanzigern, den angepassten Dreißigern, den defätistischen Vierzigern oder der neu hereinbrechenden Besatzungszeit, Pierre Frei erzählt seine Figuren zeitgeschichtlich treu. Mag sein, dass seine Phantasie zu morden (in ihrer Wiederholung) langweilig ist, bei der Sexualität den Frauen immer den aktiven Part überlässt und er mehr als einmal seine Figur sehr sympatisch positioniert hat und sie trotzdem - oder gerade deshalb - anstelle eines Happy-Ends grausam abschlachten lässt - aber, so ist das Leben eben manchmal - hart und ungerecht, Fortuna mit der Augenbinde und dem köpfenden Schwert in der Faust, quasi im Leihkostüm der Justitia.
Inzwischen haben viele Kollegen hier im Verlag das Manuskript ebenfalls gelesen, und ihr einhelliger Enthusiasmus gibt mir den Mut, Ihnen Onkel Toms Hütte, Berlin besonders ans Herz zu legen. Der Roman spielt im Sommer 1945 in der Nähe des U-Bahnhofs "Onkel Toms Hütte", einem Gebiet, das die Amerikaner größtenteils zum Sperrbezirk erklärt hatten. Das eigentliche Zentrum des Buches bilden die Schicksale von fünf couragierten Frauen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, die alle im Dritten Reich in schwere Konflikte geraten waren und eben erst anfangen, sich mit dem neuen Leben unter den Amerikanern zu arrangieren. Meiner Meinung nach ist es Pierre Frei hervorragend gelungen, die Atmosphäre der Kriegsjahre mit einer Krimihandlung authentisch so zu verbinden, dass man Seite um Seite gefangen bleibt. Ich hoffe, dass dieses Buch auch Sie begeistert. Der Erstverkaufstag wird der 10. Dezember sein. Mit allen guten Wünschen für den Bücherherbst, Ihr
Karl H. Blessing |
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