Eine zu 85 % wahre Geschichte
"Chuck Klosterman - Eine zu 85 % wahre Geschichte"

ntscheidungen zu treffen, vor allem die richtigen, das fällt dem Musikjournalisten Chuck Klosterman schwer. Gleichgültig, ob es sich dabei um die passende Frau handelt, immerhin liebt er Diane, Quincy und auch Lenore. Aber eben nicht immer gleich intensiv. Noch viel komplizierter ist es für ihn, die richtige Musik für seinen neuen Auftrag auszuwählen. Er soll eine große Reportage für das Musikmagazin "Spin" über spektakuläre Tode in der Musik-Szene verfassen. Dafür verbringt er knapp drei Wochen mit Autofahren. "Ich habe nicht unbegrenzt Platz, deshalb kann ich nur die Alben mitnehmen, die absolut unentbehrlich sind." Diese Einstellung ist nachvollziehbar, doch ein echter Musik-Freak kennt in diesem Punkt keine Schmerzgrenze. "Ich entscheide mich für 600."

Um alles möglichst authentisch zu erleben, setzt sich Chuck in einen Mietwagen und beginnt seine Reise quer durch den amerikanischen Kontinent. Los geht es in New York, hier wurde John Lennon erschossen, und über diesen zweifellos berühmtesten Mord in der Musikgeschichte weiß er einfach alles. "Ich weiß, wie viele Beatles-Bänder Mark David Chapman in der Jacke hatte, als er Lennon in die Brust schoss (14) und ich weiß, wie das NFL Monday Night Football Game stand, als Howard Coswell im Fernsehen von dem Attentat berichtete."

Natürlich darf ein Abstecher nach Memphis zu "Graceland", dem Domizil von Elvis nicht fehlen, in dem das Andenken an den "King of Rock and Roll" immer noch zelebriert wird. Etwas schwieriger wird es, in Magnolia die Stelle in den Sümpfen zu finden, an der 1977 das Flugzeug von Lynyrd Skynyrd und seiner Band abstürzte.

Während Chuck von einer Unglücksstelle zu anderen fährt, philosophiert er über den Tod, das Sterben und natürlich die Liebe. Und es ist unglaublich, welch breites Wissen über die Musik-Szene er ganz nebenbei ausbreitet. Das alles verpackt er in locker erzählte Anekdoten. In der Literatur ist sein Buch am ehesten mit dem Bestseller "High Fidelity" von Nick Hornby zu vergleichen.

Doch Chuck beschreibt nicht nur die Musik, die ihn in den vergangenen Jahren begleitet hat, er weiß immer auch, welche Filme gleichzeitig in den Kinos liefen oder welche Serie dazu gerade im Fernsehen aktuell war. Es gelingt ihm mit diesem Buch nicht nur seine Leser mit seinem lockeren Ton witzig zu unterhalten, sondern er gibt auch einen Blick frei auf das Lebensgefühl seiner Generation.

Die Reise endet - wie kann es anders sein, in Seattle. Hier hat Kurt Cobain seinem Leben ein Ende gesetzt und Chuck lässt noch einmal Nirvana aus den Autolautsprechern dröhnen. Absolut perfekt wäre als kleine Beigabe zum Buch ein Soundtrack auf CD. Doch da geht die Problematik mit der richtigen Entscheidung wieder los. Und dem wollte Chuck Klosterman sicher entgehen.
manuela haselberger

Chuck Klosterman -    Eine zu 85 % wahre Geschichte     Originaltitel: »Killing Yourself to Live. «, © 2005     Übersetzt von Adelheid Zöfel     © 2006, Frankfurt, S. Fischer Verlag, 284 S., 18.90 € (HC)               gebundenes Buch
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