Lea
"Pascal Mercier - Lea"

chwer zu sagen, um was es sich bei der Novelle von Pascal Mercier handelt. Ist es eine psychologische Studie, ein Psychogramm einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung oder ist es ein Entwicklungsroman und das Scheitern einer grandiosen Begabung? Sicher ist, es ist ein großartiges Stück Literatur, ganz egal, wohin der Literaturbetrieb es einordnen wird.

Im Mittelpunkt der Handlung steht bei Pascal Mercier, wie schon in „Der Klavierstimmer“ die Musik. Lea, ein Mädchen mit sieben Jahren, zieht sich nach dem Krebstod der Mutter ganz in sich selbst zurück. Erst als sie im Bahnhof zufällig eine Geigenspielerin hört, ist ihr Interesse geweckt. Ihr Vater ist froh über ihre Begeisterung und schenkt ihr voller Enthusiasmus eine Geige. Ihre einzigartige Begabung führt das Mädchen schon bald zu eigenen Konzerten und musikalischen Höhenflügen. Schule und Freunde werden vernachlässigt, Lea übt unermüdlich und ihre Welt besteht aus ihrem Vater, ihrer Geigenlehrerin und ihrer Musik. Sie entwickelt einen Ehrgeiz, „gleich einem Brand, den man nicht mehr löschen kann.“ Immer mehr übernimmt „die Violinmusik die Regie über das Leben.“

Die leichten Risse in Leas Sätzen, ihre merkwürdigen Formulierungen fallen dem Vater von Zeit zu Zeit auf, doch er schiebt es auf ihre ständige Überreiztheit und auch ihre überspannte Erregung vor jedem Konzert, ihre permanente Angst zu Versagen, schreibt er dem Lampenfieber zu. Der Absturz für Lea beginnt, als ihr der neue, über alles vergötterte Geigenlehrer eröffnet, dass er heiraten wird. Sofort bricht sie den Unterricht ab und kann nur knapp davon abgehalten werden, ihre kostbare Geige, die sie von ihm zu Beginn seines Unterrichts erhalten hat, wütend zu zertrümmern.

Nun beginnt eine spiralförmige Entwicklung nach unten. Lea unterzieht sich einer psychiatrischen Behandlung, der Vater begeht eine millionenschwere Unterschlagung um Geld für eine neue Geige zu beschaffen – alles nur, damit Lea wieder spielt und vermeintlich glücklich wird. Den „Rhythmus ihrer Seele“ hat sie jedoch unwiderruflich verloren.

Es ist eine traurige, sehr vielschichtige Geschichte, die der verzweifelte Vater einem fremden Mann erzählt, den er auf seiner Fahrt durch Südfrankreich, kennenlernt. Immer wieder sucht er nach Punkten in seinem Leben, an denen er noch alles hätte abwenden können. Hätte er nicht seine Tochter beschützen müssen?

Ähnlich atemlos hat man den Roman von Markus Werner „Am Hang“ gelesen, der auch aus einem Gespräch zweier Fremder besteht. „Es gibt Unglück von einer Größe, dass es ohne Worte nicht zu ertragen ist.“
manuela haselberger

Pascal Mercier -    Lea     © 2007, München, Hanser Verlag, 253 S., 19.90 € (HC)     © 2007, München, Hanser, 6 CDs,     ungekürzt, gelesen von Walter Kreye ... (Erstpreis) 29.95 € (CD)     ISBN-13 9783446209152               gebundenes Buch           Audiobook CD		Hörprobe
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