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Vom Zusammenleben außerhalb des Mutterleibs Karine Tuil - Schaumhochzeit
mma ist dreißig und führt ein einigermaßen selbständiges Leben als junge Frau. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Lektorin in einem kleinen Verlag für erotische Literatur und ihre Freizeit teilt sie mit Jules, einem verheirateten Börsianer. So weit ist alles in Ordnung, wenn da nur nicht Emmas Mutter Nina wäre.
Nina gehört zu der Sorte jüdischer Mütter, die ihre Kinder von morgens bis abends bekochen, ihnen hinterher räumen und auch sonst sämtliche Schwierigkeiten aus dem Weg schaffen, bevor sie auch nur die Chance haben, als solche aufzutreten. Das Alter der Nachkommen spielt dabei keine Rolle.
Der Preis dafür: Emma muss sich das ewige Genörgel ihrer Mutter anhören, warum sie es immer noch nicht fertig gebracht hat, einen akzeptablen Ehemann zu heiraten, denn schließlich gilt Ninas unumstößlicher Grundsatz: "Alle jungen Frauen wollen heiraten und Kinder bekommen."
Wie es dazu kommt, dass sich Emma plötzlich in einer Ehe mit einem Urologen wieder findet, ihr Bruder aus New York anreist, weil er sich von seiner Frau scheiden lassen möchte, und am Schluss Nina ihr Leben noch einmal ganz von vorne beginnt, das erzählt die französische Autorin Karine Tuil in ihrem Roman "Schaumhochzeit" einzigartig gut. Es sind eine Menge Familien - Turbulenzen, die in diesem Buch die Protagonisten heftig durcheinander wirbeln.
Die Autorin Karine Tuil hat die Fähigkeit, ihren Personen sehr genau zu zuhören. Die endlosen Monologe Ninas, gesprochen ohne Punkt und Komma, sitzen perfekt. Und der Urologe, Emmas Ehemann, mit seinem Hang zum Zitat und hemmungslosen Literaturmissbrauch ist höchst amüsant, wenn auch als Charakter etwas blutleer.
Übrigens, der von Emma angesprochene Gedanke zur Wirkung von Literatur ist unbedingt weiterzuverfolgen: "Literatur sollte zu einer gemeinnützigen Sache erklärt werden; die Sozialversicherung würde einem dann die Kosten für einen Bücherkauf erstatten." Schließlich weiß doch längst jeder, dass Lesen eine therapeutische Funktion hat. Und bei manchen Krankheiten viel besser hilft, als ein Medikament aus der Apotheke. Warum fragen Sie anstelle Ihres Apothekers 'mal zur Abwechslung nicht Ihren Buchhändler!?
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Karine Tuil 1967 geboren, lebt in
Paris und veröffentlichte bisher drei
Romane. Diese wurden in der
französischen Presse mit Werken
von Woody Allen und Philip Roth
verglichen. Der vorliegende dritte
Roman war für den »Prix Goncourt«
nominiert.
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© 4.3.2003 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |