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Jay Ullal
Man hat nur sieben Leben
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Jay Ullal
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The Best of Jay Ullal
Jay Ullal - Man hat nur sieben Leben

inen anderen Beruf als Fotograf hätte der im südindischen Mangalore geborene Jay Ullal gar nicht ergreifen können. Schließlich hat ein weiser Mann in seiner Heimat nach der Geburt Jays prophezeit: "Dieses Kind wird mit kleinen Instrumenten um die Welt reisen und berühmt werden."

So klein sind allerdings seine Fotoapparate, Objektive und Kamerataschen gar nicht, die Ullal zu den Brennpunkten der Welt schleppt. Ständig war er unterwegs. 1963 kam er nach Deutschland, zunächst für das Magazin "Constanze", und erreichte 1970 sein Ziel: Er wurde Fotograf beim "Stern".

Zusammen mit so bekannten Autoren wie Kai Herman, ("Wir Kinder vom Bahnhof Zoo") ist Ullal in Bombay unterwegs und begleitet Kinder durch die nächtliche Stadt. Das Mädchen Hasrina, zehn Jahre alt, erzählt, wie sie an Europäer und Araber verkauft wurde und als Belohnung dafür Heroin bekommt. Schockierend sind die Bilder vom Bürgerkrieg im Libanon, hier werden Hermann und Ullal unbeteiligte Zeugen eines Massenmords. Die Bilder davon sprechen eine deutlichere Sprache als viele Worte.

Ob in Grenada, Pakistan, Indien oder im philippinischen Regenwald, Jay Ullas hat seine Kamera immer dabei und keines seiner Bilder ist gestellt oder arrangiert. "Er fotografiert die Reichen und Armen, die Mächtigen und die Ohnmächtigen, den Glamour und die Schäbigkeit mit der gleichen Leidenschaft."

Sehr beeindruckend sind auch Ullals Porträts von Mutter Teresa, in ein Gebet versunken, oder Willy Brandt, den er in einem sehr privaten Augenblick vor dem Spiegel im Badezimmer erwischt, kurz bevor er sich mit dem amerikanischen Präsidenten Richard Nixon traf.

Schön, dass endlich alle Reportagen und Fotografien in einem Band zusammen gestellt wurden, denn diese überwältigende Fülle zeigt die bestechende Qualität dieses Fotografen, der immer auch Journalist ist, mehr als deutlich. Im Jahre 1998 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für die Würdigung seiner Arbeit als "herausragendes Beispiel für die Verbindung von Journalismus mit humanitärem Engagement und Völkerverständigung." © manuela haselberger


Jay Ullal -
Man hat nur sieben Leben

© 2002, Berlin, Aufbau Verlag, 240 S., 25 € (HC) RESTEXEMPLARE bei Amazon: 9.95 Euro


Quellen im Internet:

Portrait
Stern - Artikel
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BESUCHE BEIM DALAI LAMA

Ein einziges Foto von Jay Ullal hat mein Leben verändert: Es zeigt ein farbenprunkendes kreisrundes Mandala, ein tibetisches Meditationsbild. Ich sah dieses Bild, als ich eher zufällig am Projektionsraum im stern vorbeiging, während Jay dort gerade seine Dias von einem buddhistischen Fest in Ladakh vorführte. Durch die halboffene Tür blitzte just dieses Mandala an der Wand auf. Ich blieb elektrisiert stehen: "Wow, was ist das denn für ein Teppich? Seit wann machen die Tibeter Mandala-Teppiche?" "Das ist kein Teppich, Sir", sagte Jay freundlich. "Das ist ein drei mal drei Meter großes Schaubild, das die Mönche in wochenlanger Arbeit aus gefärbtem Sand aufgeschüttet haben. Und kaum war es fertig, haben sie es in den Fluss gekippt - als Symbol dafür, dass alles vergänglich ist!"
"Wahnsinn", sagte ich. "Solche Leute möchte ich kennen lernen!"

Tibet war mein Traum, seitdem ich, mit dreizehn, Heinrich Harrers Buch "Sieben Jahre in Tibet" verschlungen hatte.

Noch am selben Tag bekam ich von der stern-Chefredaktion den Auftrag:

"Fahren Sie nach Dharamsala und machen Sie ein anständiges Interview mit dem Dalai Lama!" Die Freude über den unverhofften Traumjob nahm mir die Luft. Jeder Journalist kennt dieses flaue Gefühl, dieses Flattern zwischen Begeisterung und Angst, wenn man plötzlich unter Erfolgszwang steht. In Minuten stand ich klatschnass im Hemd.
Interview? Die machen Witze, dachte ich. In Indien herrschte Ausnahmezustand, Journalisten benötigten - wie in Diktaturstaaten - besondere Presse-Visa, die ….



Rums Es schmettert wie ein Vorschlaghammer gegen den Unterboden des schmalbrüsigen Suzuki-Minibusses. Der Wagen wird augenblicklich langsamer, fährt jedoch ein paar Sekunden lang weiter, als sei nichts geschehen. Das hysterische Hupen der oft kaum eine Handbreit entfernt an uns vorbeischießenden Lkws wird wieder umso lauter. In Indien, das habe ich schnell gelernt, verwandeln sich die Fahrer der bunt bemalten Laster jede Nacht zu Wahnsinnigen und Werwölfen. Das vielstimmige Kreischen und Blöken der Signalhörner, das Plärren abgefahrener Uralt-Reifen, das Mahlen gequälter Schrott-Getriebe und das Röhren überbeanspruchter Motoren ist eine dem Subkontinent ureigene Kakophonie. Aber dann lässt ein Wirbel von Trommelschlägen das Blech des kleinen Taxis erzittern, das uns seit etwa neun Stunden bockend und von Schlagloch zu Schlagloch hüpfend von Bombay die westindische Küste entlang zur Peststadt Surat trägt. Irgendwas in der Aufhängung ist kaputt.

Der Krach weckt Jay auf dem Beifahrersitz, und er debattiert auf Hindi mit dem Fahrer. Jay kann selbst dann schlafen, wenn er alle paar Sekunden mit dem ganzen Körper aus dem dünnen Polster in die Höhe geschleudert wird. Ich bewundere das maßlos, denn für mich ist die Fahrt mit meinen zwei Metern, die in kein indisches Auto passen, eine Qual. Wir stoppen, Jay fragt nach dem Weg - wohin, verstehe ich nicht. Wir rollen ein paar Minuten langsam weiter, biegen schließlich von der Straße ab und halten auf die nacht-schwarze Fassade einer Werkstatt zu. Die



Indien, ob ich will oder nicht, ich komme immer wieder zurück auf Indien. Wir haben auch Reportagereisen in andere Weitgegenden gemacht, die mir in Erinnerung geblieben sind. Beispielsweise nach Shaoshan, in Mao Tse-tungs Geburtsort in der Provinz Hunan, wo der Hundeliebhaber Jay eine seiner bittersten Stunden erleben musste: Der chinesische Provinzgouverneur lud ihn zum Zwergpudelge schnetzelten in pikanter Soße (er hat es tapfer überstanden - Jay, meine ich, nicht der Hund - und durfte anschließend die Hütte des Großen Vorsitzenden aus allen Winkeln ablichten).

Oder nach Honolulu, wo eine ob ihres eigenen schweren Asylantenschicksals zu Tränen gerührte Philippinen-First-Lady Imelda Marcos die Pumps in die Ecke kickte, für uns exklusiv ihr Lieblingslied ,,Feelings" sang und anschließend den soeben verstorbenen Gatten in die Heimat verfrachtete.

Oder nach Chiangrai ins Opiumschwangere "Goldene Dreieck", wo bekiffte "Unabhängigkeitskämpfer" der antibirmesischen Shan-Armee, kaum einer über 16 Jahre alt, uns im Dschungel am Ende der Welt in eine wilde Schießerei verwickelten, bei der wir stundenlang fluchend und vor Angst schlotternd in einem Schlammloch kauerten (sorry, sagten die Kids anschließend grinsend, da ballerten nur unsere eigenen Leute, "friendly fire", kommt schon mal vor).

Aber irgendwie waren das immer Nebenkriegsschauplätze, wenn ich an Jay denke. Eingebrannt in mein Gedächtnis haben sich vor allem unsere Indien-Geschichten. Einige schmerzhaft, weil sie mit Tod und Leid verbunden waren, und dieser religiös verbrämten Verdammnis zur ….



Es ist erst sechs Uhr früh im Dschungel am Rio Coco. Bernabe Lacut steht barfüßig in einem Trupp Krieger, der sich Mühe gibt, den Eindruck einer geordneten militärischen Formation zu erwecken. Die Schulterriemen von Bernabes Kalaschnikow drücken tief ins Uniformhemd, der Gürtel mit den Handgranaten droht dem Zwölfjährigen über die Hüfte zu rutschen. Neben ihm verkrampft sich Casatola Rivas, sein elfjähriger Waffenkamerad, zu einer schiefen Habachtstellung. Er trägt einen Karabiner, der ihm bis an die Kniekehlen reicht.

"Männer"; schreit der Kommandant mit hoher dünner Stimme in den feucht-heißen Morgen hinein, "Männer, ihr kämpft einen gerechten Kampf."

Bernabe hält mit der Linken den rutschenden Gürtel fest. "... und deshalb werdet ihr den Feind schlagen ..." Castola knickt in den Knien ein und bekommt von seinem Hintermann einen kräftigen Stoß ins Rückgrat auch wenn viele von euch keine Schuhe haben!

Und dann spricht der Kommandant von der notwendigen Aufopferung fürs gemeinsame Ziel, von den Leiden derer, die befreit werden sollen, von den zyklischen Krisen des Kapitalismus, die Schuld daran trügen, dass es seinen Soldaten an festem Schuhwerk mangelt. Niemand versteht diesen ziemlich absurden Exkurs ins Ideologische, aber das ist an diesem Ort und in diesem Augenblick auch gar nicht wichtig. Morgen werden Bernabe und Castola, zwei von einigen hundert "Männern", die unter 15 sind, in Einbäumen den Rio Coco überqueren, den Grenzfluss zwischen Honduras und Nicaragua.

Lesezitate nach Jay Ullal - Man hat nur sieben Leben





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Titel von
Jay Ullal
 Hardcover



Tibet.
Das stille Drama auf dem Dach der Erde.


© 2000


© 3.5.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de
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