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Erlesene Orte
Ebba Dangschat - Erlesene Orte

ach den wunderschönen Titeln "Bücherwelten" und "Mit Büchern leben" erfreut der Gerstenberg Verlag das bibliophile Herz erneut mit einem Bildband der Extraklasse: "Erlesene Orte". Die Fotografin Ebba Dangschat begleitet 53 Prominente aus Kultur, Politik und Wirtschaft zu ihren Lieblingsplätzen des Lesens.

Bei Iris Radisch, bekannt als Mitstreiterin im Literarischen Quartett und Literaturchefin der ZEIT ist es das Bett, vor dem sich die Neuerscheinungen türmen, die Schauspielerin Nina Petri zieht sich mit Vorliebe in den Hafen, auf ein Schiff zurück und die Regisseurin Margarethe von Trotta sitzt am liebsten ungestört im Café bei ihrer Lektüre.

Doch es sind nicht nur die privaten Blicke, die das Leserherz höher schlagen lassen, auch die oftmals überraschenden Lieblingsbücher finden Eingang in das jeweilige Porträt, angereichert mit besonders schönen Textstellen. Die Auskunft über die unterschiedlichen Lesegewohnheiten, ob es nun in der Hängematte wie bei Doris Dörrie, oder eine einfache Decke im Englischen Garten ist, die Nina Ruge bevorzugt, sie alle runden diesen herausragenden Bildband, den sich kein passionierter Leser entgehen lassen sollte, perfekt ab. Schlicht: ein MUSS für jeden Buchliebhaber. © manuela haselberger


Ebba Dangschat - Erlesene Orte

© 2002, Hildesheim,
Gerstenberg Verlag, 208 S., 39.90 € (HC)






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Wenn der Weg schon das Ziel ist, sind Umwege manchmal noch spannender, zumindest wenn es sich um literarische handelt. Volker Schlöndorff liest gern in der S-Bahn, im Zug oder im Flugzeug - in mobilen Gefährten, die ihn durch Zeit und Raum bewegen so wie sein Lesestoff. - "Im Grunde merkt man gar nicht, wie man von einem Ort zum anderen kommt, weil man Im Kopf gerade in der Normandie während der Französischen Revolution oder in einer Straße In New York ist. Ich bin dann immer ganz überrascht, wenn Ich angekommen bin."

Als Reisebegleitung wählt er nur "richtige" Literatur aus, das heißt keinen Krimi und kein Sachbuch, so der Anspruchsvolle. "Dadurch, dass mir die Fahrzeit von einem Ort zum anderen wie tot vorkommt, lese ich in der Bahn immer ein Buch, das mir etwas gibt. Das kann das schwierigste Buch der Welt sein, ich tauche vollkommen ab, egal wie kurz die Strecke ist." Schlöndorff bleibt oft einem Autor, den er neu entdeckt hat, über längere Zeit auf der Spur. "Als Junge habe ich mal drei Jahre nur Musil gelesen. Dann schubweise Dostojewski und Balzac, später Zola. Kürzlich hatte ich eine schwere Philip-Roth-Vergiftung und habe fünf seiner Romane am Stück gelesen." Die Möglichkeit einer filmischen Umsetzung des Gelesenen spielt für den Regisseur zunächst keine Rolle. "Zurzeit lese ich mit dem größten Vergnügen Goethes Wilhelm Meister und denke nicht im Traum daran, jemals einen Film daraus zu machen." Das geistige Abenteuer behält so sein Geheimnis zwischen den Buchdeckeln. Es gibt natürlich auch Werke, die dazu verführen, das Geheimnis zu enthüllen - wie die Elementarteilchen von Michel Houellebecq.

"Ich habe beim Lesen versucht zu begreifen, wie sich das mit der Sexualität in unserer heutigen Gesellschaft verhält. Die Sexualität ist anscheinend zu einer Ware und zu einem technischen Prozess verkommen. Ich habe mit jungen Schauspielern darüber gesprochen. Einerseits ist Sex für sie der einzige verbleibende Kick, nachdem sie jegliches politische oder sonstige gesellschaftliche Engagement aufgegeben haben. Andererseits ist alles hoffnungslos versachlicht, sodass es keine echte Befriedigung geben kann. Das wäre ein Thema, das ich mir auch vorstellen könnte, in einem Film zu behandeln." Bücher, die er verfilmen will, liest Schlöndorff grundsätzlich nicht in der S-Bahn. "Wenn ich einen Film vorbereite, ist das eine andere Art des Lesens: ein Auseinandernehmen mit Schere, Bleistift und Klebstoff, Bezüge suchen im Buch. Man arbeitet einen Handlungsstrang heraus und konzentriert sich auf eine bestimmte Anzahl von Schauplätzen. Dieser Arbeitsprozess hat mit dem Lesen nicht mehr viel zu tun, sondern mit dem, was die Lektüre in einem ausgelöst hat."

Unterwegs mit der S-Bahn zur Filmhochschule Babelsberg, wo der Autorenfilmer eine Regieklasse betreut, löst sich sein Blick nur noch selten von der Lektüre, um nach draußen zu schauen. Bewegten Bildern setzt er sich lieber im Kino aus. "Filme haben etwas Hypnotisches, was man in einer Art Halbschlaf, in einer Traumdimension aufnimmt. Lesen ist etwas Aktiveres", sagt Schlöndorff - und ohne es bemerkt zu haben, hat der Zug sein Ziel erreicht. S. 94

Lesezitate nach Ebba Dangschat - Erlesene Orte



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© 14.5.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de