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Krimipreisträgerin 2004 Wen das Landleben einfängt, den lässt es nicht mehr los Anne Chaplet - Schneesterben
tändig wird der deutsche Krimi an amerikanischen Vorbildern gemessen und schneidet dabei oft recht schlecht ab. Doch wenn
die richtigen Autoren an die Messlatte gelegt werden, sieht die Sache anders aus. Eine dieser viel versprechenden
Krimischreiberinnen ist Anne Chaplet. An Preisen für ihre Romane wurde nicht gegeizt: den deutschen Krimipreis 2001 erhielt sie
für "Nichts als die Wahrheit",
"Die Fotografin" bekam den Radio-Bremen-Krimipreis 2003 und nun bekommt
sie 2004 zum zweiten Mal den deutschen Krimipreis für "Schneesterben", und das mit Fug und Recht, denn "Schneesterben"
ist Krimikost vom Allerfeinsten.
Das Landleben in Klein-Roda ist für den Stadflüchter Paul Bremer immer noch ungewohnt. Erst nach und nach gewöhnt er sich daran, dass hier alles langsam und beschaulich abläuft. Und jedes noch so kleine Ereignis selbstverständlich von allen Dorfbewohnern kommentiert wird. Sei es, dass jemand erbost in den Bankautomaten gepinkelt hat, oder die junge Tamara über Nacht nicht nach Hause gekommen ist. "Wen das Landleben einfängt, den lässt es nicht mehr los, dachte Paul Bremer."
Allerdings, als ein Toter unter einer dicken Schneeschicht in einem Vorgarten aufgefunden wird, erreichen die Tuscheleien und Spekulationen auf dem Dorfplatz rasch den Siedepunkt. Ohne viel Federlesens gibt Krista, die Frau des Kinderarztes zu, dass sie den toten Journalisten mit dem Auto vor ihrem Wochenendhaus angefahren hat. Doch vom tödlichen Schlag auf den Kopf des Opfers will sie nichts wissen. Dafür ist ihr Mann überraschend auskunftswillig. Und so sitzt der angesehene Kinderarzt nach wenigen Tagen im Gefängnis. Ein Mord aus Eifersucht?
Die Indizien geben jedoch kein klares Bild für die Staatsanwältin aus dem nahen Frankfurt. Es sieht ganz danach aus, als ob der Mord, und bei einem bleibt es nicht, zu einem Verbrechen in der Vergangenheit weist. Damals, nach Kriegsende, wurde im alten Stollen von Klein-Roda nicht nur Hitlers Sonderzug entdeckt, einige Jahre später fand dort auch ein grausamer Mord an einem kleinen Jungen statt. Noch leben die Angehörigen im Dorf und viele erinnern sich. "Milde gegenüber Menschen, die gegen die Gesetze der Gemeinschaft verstoßen, war ein Luxus der Städter. Auf dem Land geht jeder Regelverstoß ans Eingemachte." Da hilft auf Dauer keine neue Identität, kein anderer Name - gar nichts.
Elegant führt Anne Chaplet den Leser auf falsche Spuren, spielt mit Motiven, spart nicht an brutalen Morden und dreht die Spannungsschraube genüsslich dem Show-down entgegen. Sie unterhält glänzend mit einer vielschichtigen, sehr fein ausgearbeiteten Handlung und spart nicht an humoristischen Einlagen aus der dörflichen Idylle.
manuela haselberger
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© 22.2.2004 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |