Ohne Erinnerung
Nicci French - In seiner Hand

s sind nur drei oder vier Tage, die der Mann sie in einem dunklen Kellerraum festgehalten hat, doch neben ihrer Würde hat sie auch ihre Erinnerung verloren.

Wie durch ein Wunder gelingt Abbie die Flucht, doch schon im Krankenhaus merkt die junge Frau, dass die Polizei und die Ärzte ihren Erlebnissen keinen Glauben schenken. Ganz auf sich allein gestellt, beginnt sie ihr Leben vor der Entführung zu rekonstruieren. Keine ganz leichte Aufgabe, denn sie scheint gründlich aufgeräumt zu haben: Tabula rasa in allen Bereichen.

Die Beziehung zu ihrem Freund hat sie rigoros beendet. Nicht weiter schlimm, es wurde sogar höchste Zeit, denn er hat sie häufig geschlagen und sein Alkoholkonsum war beachtlich. Im Beruf hat sie ebenfalls die Notbremse gezogen und unbezahlten Urlaub genommen. Es ist schwer für Abbie, die Fäden der Vergangenheit wieder aufzugreifen und ihre Existenz neu zu ordnen.

"In seiner Hand" aus der Feder von Nicci French, ist ein echter Psychothriller, der seinem Namen alle Ehre macht. Ganz langsam, sehr logisch und mit unglaublicher Akribie setzt die englische Krimischriftstellerin, die in Deutschland vor allem mit ihren Titeln "Höhenangst" und "Der Sommermörder" bekannt wurde, Stein für Stein aus der Vergangenheit zusammen. Und irgendwo, zwischen den Telefonanrufen, Besprechungen und Besuchen, lauert der Mörder und wartet darauf, dass Abbie sich ihm erneut nähert. Ihr Handy hat er schon.

"Für mich war dieses Telefon eine Art unsichtbarer Faden, der sich zwischen uns spannte. Ich konnte ihn durchschneiden oder versuchen, ihm zu folgen - aber würde ich ihm aus dem Labyrinth hinaus folgen oder wieder hinein?

Auch wenn der Schluss ein wenig mehr Raffinesse verdient hätte, so hängt man als Leser mit diesem Krimi an einem Tropf, der im Zeitlupentempo sein Geheimnis preisgibt - die Spannung dabei ist nicht zu steigern. Es muss nicht immer rasendes Tempo sein, das den Krimileser an die Seiten fesselt.
manuela haselberger

Nicci French -    In seiner Hand     Originaltitel: »Land of the Living«, © 2002     Übersetzt von Birgit Moosmüller     © 2003, München, Bertelsmann Verlag, 416 S., 21.90 € (HC)           gebundenes Buch