... reinlesen




... reinlesen

Wilma kniff die Lippen zusammen. »Das gibt es, aber es wird noch geheim gehalten.«
»Was heißt geheim?«, fragte ich sauer. »Geheim heißt, dass es eine geheim gehaltene Studie über einen Windpark gibt, der mit einer Wahnsinnsleistung arbeiten soll. Strom für ganz Aachen, wenn ihr so wollt«
»Eine Studie?«, lächelte Rodenstock. »Eine Studie, die geheim bleiben soll? Das ist doch wohl ein Wunschtraum. Wer hat die Studie denn in Auftrag gegeben?«
»Ein Hersteller-Konsortium, die Leute, die Windräder bauen. Teure Sache.«
»Gut«, sagte ich. »Ich nehme mal an, Jakob Driesch wusste davon, du wusstest davon, die Hersteller wussten davon, die Leute, die die Studie erstellt haben, wussten davon. Und wer, außer diesen dreißig bis vierzig Leuten und ihren unmittelbaren Mitarbeitern wusste noch davon?«
»Nur die Leute, denen das Terrain gehört, das in Frage kommt.«
»Wie viele sind das etwa?«, fragte Rodenstock freundlich.
»Sechzehn«, antwortete Wilma. »Es handelt sich um eine Waldbesitzergemeinschaft.«
»Wahrscheinlich haben die meisten Familie und diskutieren bei jedem Abendessen darüber. Wir dürften also ungefähr zweihundert bis dreihundert Leute vor uns haben, oder?« Du lieber Himmel, wann würden Politiker endlich einmal nach Intelligenz ausgewählt?
»Über wie viel Geld reden wir denn da, das investiert werden muss, bis die Windräder stehen und Strom erzeugen?«, kam Rodenstock zum Kern der Sache.
»Rund einhundertdreißig Millionen«, erklärte Wilma.Sie sah uns nicht an.

»Und was spielte Annette von Hülsdonk für eine Rolle in dem Spiel?«, wollte ich wissen.
»Na ja, sie hatte die Rolle der Safeknackerin. Wir haben ihr diesen Spitznamen gegeben. Sie ist von Haus zu Haus marschiert und hat die Besitzer überzeugt, die Waldbesitzer. Sie hat verdammt gute Arbeit geleistet, sie hat sie alle unter einen Hut gebracht, und das gilt in der Eifel als Königsschuss.« Es herrschte Schweigen.

Wilma starrte uns an. »Warum soll einer dieser Leute, die von dem Projekt wussten, Driesch töten? Und Annette? Das ist doch verrückt.«
Rodenstock bewegte das rechte Bein. Er zeichnete mit der Spitze seines Schuhs einen Kreis. »Wenn ich das Problemfeld der Windenergie richtig verstehe, so gibt es doch heftige Gegner, oder? Nun, ohne Driesch und ohne Annette ist das Problem vom Tisch, weil die Gruppe ihre Köpfe verloren hat. Außerdem kommt die Planung an die breite Öffentlichkeit und ist damit im Eimer. Sehe ich das richtig?«
»Das könnte sein«, nickte Wilma und ihr Blick verlor sich in der Ferne. »Aber trotzdem ist das verrückt, das bringt doch alles nichts. Windräder sind nicht mehr aufzuhalten.«
»Sie, liebe Wilma, sind auf eine sanfte Weise auch verrückt«, sagte Rodenstock mild. »Sie stehen nur auf der anderen Seite des Zauns. Was, meinen Sie, könnte jetzt passieren?«
Wilma schaute ihn an, sah ihn aber gar nicht. »Sagen Sie es mir.«
»Jemand könnte sich fragen, ob es nicht sicherer wäre, auch Sie zu töten. Der Volksmund sagt: Aller guten Dinge sind drei!«

Lesezitat nach Jacques Berndorf Eifelsturm, (S. 38-39)
»Das muss gegen zwei weiter....


Eifel-Sturm
Jacques Berndorf - Eifelsturm

Jacques Berndorf ist das Pseudonym des Journalisten Michael Preute. Er gilt nach mittlerweile acht Krimis in zehn Jahren als der Erfinder der Marke "Eifel-Krimi" schlechthin - selbstverständlich trägt jeder seiner Reißer die Eifel als Etikett im Titel.

Für den Journalisten Siggi Baumeister ist es völlig unerklärlich, was den konservativen Bundestagsabgeordneten Jakob Driesch um vier Uhr früh in das kalte Wasser des Gebirgsflüsschen Rur im wildromantischen Monschau treibt. Seine Leiche, von mehreren Schüssen einer Winchester durchsiebt, wird morgens aus den eisigen Fluten gezogen.

Driesch, ein gut aussehender Mittfünfziger, arbeitete zusammen mit der jungen, lebenslustigen Annette von Hülsdonk und der Grünen Abgeordneten Wilma Bruns an einem gigantischen Windkraftprojekt, das bei den dickköpfigen Eiflern nicht auf unumschränkte Zustimmung stößt. Ganz nebenbei geht es um EU-Fördergelder in Millionenhöhe aus Brüssel. Liegt hier der Schlüssel für den Mord? Es scheint so, denn in kurzem Abstand werden auch Annette und Wilma tot aufgefunden. Beide Frauen wurden ebenfalls ermordet. Doch dann entdeckt Baumeister ein verstecktes Liebesnest am Ufer der Rur und die Ermittlungen laufen in eine völlig andere Richtung.

Die Zeit drängt. Siggi Baumeister soll für sein Magazin in Hamburg möglichst schnell einen aufklärenden Bericht abliefern und dabei kämpft er im privaten Bereich auf verlorenem Posten. Aus unerklärlichen Gründen ist sein Haus vollständig abgebrannt. Übrigens verwertet hier Berndorf, ebenso wie in seinen genauen landschaftlichen Beschreibungen, autobiografische Erlebnisse.

"Eifel-Sturm" gehört nicht zu den nervenzerfetzenden Page-Turnern, doch es ist ein handwerklich solide gearbeiteter Krimi mit einer ordentlichen Portion Lokalkolorit. Eher erinnert das ganze an einen Blues. So wie Baumeister feststellt: "dass Blues in die Eifel passt, als sei er für diese Landschaft geschrieben."



Jacques Berndorf - Eifelsturm
1999, Dortmund, Grafit Verlag, 284 S.,

dieses Buch bestellen Email Lieferbedingungen


Fortsetzung des Lesezitats ...

»Das muss gegen zwei Uhr gewesen sein. Ich kam von Tenhoven.«

»Ich habe davon gehört. Großes Lob. Komm jetzt, wir müssen jedes Hirn einspannen, der Fall wird mir langsam unheimlich.«

Ein paar Minuten später startete ich, die Eifel lag immer noch unter einer heißen Sonne und niemand hatte Kühlung versprochen.

Im Grunde wirkte das alles viel zu trivial, um Realität zu sein. Rodenstock hatte prophezeit: »Möglicherweise ist Wilma Bruns die Dritte.« Nun war sie die Dritte. Wo war der Beamte geblieben, der sie hatte beschützen sollen? Wie war sie nach Mützenich in die traumhaft schöne Moorlandschaft geraten?

Es war nicht schwer, den Ort zu finden, denn die belgische Polizei hatte die Straße abgesperrt und ließ niemanden durch. Ich sagte, wer ich sei, berief mich auf Rodenstock und durfte weiterfahren. Ich parkte den Wagen, querte die Straße und war auf dem Pfad, der zu einer hölzernen Aussichtsplattform für Wanderer führt. Tafeln erklären, wie dieses Moor entstanden, dass es abgrundtief und lebensgefährlich ist. Der Pfad ist nur durch senkrecht stehende und quer gelegte dünne Fichtenstämme, die als Geländer dienen sollen, gesichert. Er führt um das erste Loch herum, das vielleicht einen Durchmesser von dreihundert Metern hat. Hier blühen im Frühling millionenfach gelbe Narzissen, ein unglaublicher Anblick, eine richtige Detonation in Gelb. Später im Jahr überzieht ein weißer Schimmer das Land, das Wollgras breitet sich aus. Wer sich die Mühe macht und sich bückt, sieht den Sonnentau, das winzige Fleisch fressende Ungeheuer. Ich starrte auf die Wasserfläche, die absolut ungefährlich, ja harmlos wirkte, und erinnerte mich an eine alte Frau, die einmal neben mir gestanden hatte, als gerade die Narzissen das Land erobert hatten. Die Frau hatte geweint und gesagt: »Das hat der Herrgott schön eingerichtet.«

Jetzt war Wilma Bruns gekommen, um hier zu sterben.

Ich entdeckte zweihundert Meter weiter Rodenstock und Emma, die mit anderen Männern zusammenstanden. Sie winkten. Ich ging langsam auf sie zu und stopfte mir dabei eine Pfeife. Wilma musste auch hier entlang gegangen sein, denn hier konnte kein Auto fahren. Hatte Nebel über dem Wasser gelegen, war sie unglücklich gewesen? Wollte sie sterben?
»Sie ist bis hierher gekommen«, sagte Emma. »Guten Morgen, Baumeister. Hier ist sie unter dem Geländer her gekrabbelt und dann einfach geradeaus gegangen. Sie ist maximal fünf Meter weit gekommen.«
»Wieso hat man sie gefunden? Ich denke, das Moor verschluckt alles.«
»Das ist richtig«, meinte Rodenstock. »Aber ihr rechter Schuh hatte sich an einer kleinen Weide festgehakt. Siehst du sie dort? Heute Morgen gegen acht Uhr ist ein Wildhüter hier entlang gekommen, Routinegang. Der hat ihren Schuh entdeckt.«
»Wo ist sie jetzt?«
Auf der Straße weiter unten steht der Laborwagen. Die belgischen Kollegen helfen uns. Sie machen jetzt erste Blut- und Flüssigkeitsuntersuchungen, die ganze Latte der ersten Routine. Wir brauchen schnelle Erkenntnisse. Wir müssen wissen, ob wir Selbstmord ausschließen können, obwohl alles danach aussieht.« Rodenstock paffte eine seiner gewaltigen Zigarren. Das war am hellen Tag und vor dem Mittagessen ungewöhnlich.

»Keine weiteren Spuren? Ich meine, hat sie jemand begleitet?«
»Wir wissen es noch nicht genau«, sagte Emma. Lesezitat nach Jacques Berndorf Eifelsturm, S. (S 146-147)


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1999-12-21

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger