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Wir lernen einander in der Gärtnerei kennen. Zwischen uns steht ein Tisch auf Rädern, drei Meter breit und sicher acht Meter lang. Er ist bedeckt mit Tausenden Stiefmütterchen, einem wogenden Meer von gelb gestreiftem Blau und Violett, wie Sonnengeglitzer auf Wlasser.


Sie steht mir gegenüber. Ihr Gesicht spiegelt meine eigene Freude wider, und ich zeige mit gestrecktem Arm auf die Blumen und sage, das sei unglaublich. Sie antwortet mir einem blendend weißen Lächeln, sagt, dass fast nichts auf der Welt solche Lebensfreude vermittle wie Blumen.

"Höchstens kleine Kinder", fügt sie hinzu.

Ich kann mir ihre Worte nicht ganz erklären, obwohl sie gut schwedisch spricht. Allerdings mit einem kleinen Akzent, und nun sehe ich, dass sie eine Einwanderin ist, vermutlich Chilenin. "Der Gedanke ist mir noch nie gekommen", sage ich. "Aber ich glaube, du hast Recht." S. 9
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Lesezitat nach Marianne Fredriksson - Inge und Mira


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 © 2003


Frauenfreundschaft
Marianne Fredriksson - Inge und Mira

In "Inge und Mira" hat die schwedische Autorin Marianne Fredriksson die Geschichte zweier unterschiedlicher Frauen in den Mittelpunkt gestellt. Ein Rezept, das sich bereits bei ihrem Bestseller "Hannas Töchter" bewährte.

Bei einem Gärtnereibesuch begegnen sich die Schwedin Inge, eine ehemalige Lehrerin, die heute als Autorin arbeitet, und die Chilenin Mira, die seit dem blutigen Militärputsch Pinochets ihrem Land den Rücken gekehrt hat. Die beiden haben die Lebensmitte überschritten, ihre Kinder sind groß und sie sind von ihren Männern geschieden.

Es ist an der Zeit, dass Inge und Mira ihr Leben ordnen, Rückschau halten und den zahlreichen Verletzungen ins Auge blicken und ihre Wunden lecken. Die bislang praktizierten Verdrängungsmechanismen funktionieren bei beiden nicht mehr.

Inge wird durch eine Karte ihres geschiedenen Mannes, der seine neue Familie in England auch verlassen hat, mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Als sie ihre Töchter fragt, ob sie seiner jetzigen Ehefrau von der Ansichtskarte erzählen soll, ist sie bass erstaunt, in welchem Licht die beiden ihren Vater sehen. Inge hat nicht gewusst, dass er versuchte, die Mädchen in der Kindheit zu missbrauchen.

Die temperamentvolle Mira ist, als Pinochet in Chile die Macht ergreift, mit einem linken Revolutionär verheiratet. Obwohl sie keinerlei wichtigen Informationen besitzt, werden sie und ihre Tochter gefoltert und vergewaltigt. Von dem Mädchen fehlt seit damals jede Spur.

Die beiden Frauen stehen sich gegenseitig bei, doch die Missverständnisse sind durch ihre unterschiedlichen Temperamente vorprogrammiert. "Wie verteidigt man sich gegen eine Schwedin, die einem nur Gutes will? Und dabei nichts begreift?"

"Inge und Mira" lässt sich allerdings nicht mit den bisherigen Romanen Marianne Fredrikssons vergleichen. Während zu Beginn die Geschichte und die agierenden Personen noch glaubhaft erscheinen, werden sie mit fortschreitender Handlung immer grober gezeichnet, wirken holzschnittartig.

Die psychischen und physischen Verletzungen sind aneinander gereihte Grausamkeiten, die alle erdenklichen Schrecken beinhalten, aber nur notdürftig zusammengezimmert sind. Hier fehlt das schriftstellerische Feingefühl, das sorgfältige Ausloten der unterschiedlichen Biografien. Leider entwickelt sich aus diesem durchaus interessanten Thema kein guter Roman. manuela haselberger





Marianne Fredriksson - Inge und Mira
Übersetzt von: Senta Kapoun
Originaltitel: © 1999, "Flyttfaglar"
© 2000, Frankfurt, Krüger Verlag, 237 S., 19.90 €
© 2002, Frankfurt, Fischer Verlag, 237 S., 8.90 €
© 2001, München, Hörverlag, 256 min,



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Fortsetzung des Lesezitats ...


Inge Bertilsson hatte den Lehrerberuf aufgegeben und verdiente genug durch das Schreiben von Sachbüchern, in denen es im wesentlichen um Schulkinder ging. Sie brachte gute Voraussetzungen für diese Aufgabe mit, hatte sie doch Universitätsstudien in Literatur und Pädagogik absolviert. Am nützlichsten waren ihr aber die langjährigen praktischen Erfahrungen. Ihr gefiel diese Arbeit, aber sie lebte dadurch - besonders jetzt, wo ihre beiden Töchter in England Sprachen studierten - zurückgezogen. S. 27

Eine schöne Frau tritt aus dem verschwommenen Grau der alten Fotografie hervor. Mandelförmige Augen schauen an ihr vorbei, als weigerten sie sich, Inges Blick zu begegnen.

Das war ungewöhnlich. Leute, die in den dreißiger Jahren zum Fotografen gingen, starrten üblicherweise genau in die Linse. Und es geht aus den Details hervor, dass es sich um eine Atelieraufnahme handelt, getönter Hintergrund, elegantes Kleid, Halskette, eine Rose am Ausschnitt.

Die Augen sind groß, etwas schräg, dunkel, vorwurfsvoll? S. 46

 

Mira hingegen schläft in dieser Nacht nicht viel. Ungestüm bedrängt sie die Angst, diese Freundschaft aufzugeben. Durch ihren Kopf schwirrt die Frage, was Inge eigentlich zu dem Foto ihrer Mutter gesagt hat, nein, sie kann sich nicht erinnern. Nur an die Traurigkeit in ihrer Stimme. Dieses verdammte Weib zerrt an ihr. reibt sie auf.

Sie versucht Gott um Verständnis zu bitten, aber er ist unerbittlich. S. 54

"Was euch Schweden das Leben so erschwert, ist, dass ihr immer Erklärungen braucht. Ihr müsst alles mit dem Verstand erfassen können. Aber dieses verdammte Leben ist nun mal nicht zu verstehen." S. 61

In ihr Tagebuch schrieb Inge an diesem Abend: "Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, mich zu erinnern und vieles besser zu verstehen. Trotzdem bin ich nicht einen Schritt weiter gekommen. Alte Augen haben auf alte Bilder zurückgegriffen. Alte Gedanken wurden bis zum Überdruss wiedergekäut."

Aber dann erkannte sie blitzartig, dass sie an diesem Tag etwas Neues gedacht hatte, etwas Wichtiges. Sie versuchte sich zu erinnern, sah in Gedanken Matildes schönes Gesicht in der Londoner Bar vor sich: "Er hat mich von meinem Außenseitertum befreit."

Inge war während ihrer ganzen Kindheit eine Außenseiterin gewesen. Keine beste Freundin, kein Kreis, dem .... S. 134

Lesezitate nach Marianne Fredriksson - Inge und Mira


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 29.8.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger