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Jedes Mal, wenn man nachprüft, ob die Leute wirklich das meinen, was sie sagen, sieht man, es ist nicht so. Stellt man sie auf die Probe, versagen sie immer.

(S. 5)

Jemand, der uns beobachtet und sieht, wie Benji auf mich wartet und mir überallhin nachläuft, könnte glauben, er wär eine Zecke.

(S. 7)

Als ich bei ihm zu Hause einen Klassenabend organisieren wollte, habe Ich es nicht geschafft. Niemand kam. Entweder wollten sie nicht oder sie durften nicht, ist ja auch egal. Und niemand hat Benji zu sich nach Hause eingeladen, kein Einziger. Wenn ich mir Benji vorstelle, diesen kleinen, dicken Jungen mit den blauen Augen in dem großen Haus, verstehe ich, dass es ihm nicht besonders gut geht, auch wenn er alles hat. Auch wenn ich alles bekäme, was er hat, würde ich nicht mit ihm tauschen wollen.

(S. 29)


Lesezitat nach Batya Gur - Die schwaze Schatulle


Bookinists Buchtipp zu


Denn die Seele ist in deiner Hand.

von Batya Gur




Die schwaze Schatulle
Batya Gur - Die schwaze Schatulle

Schabi lebt in Israel, besucht die achte Klasse und sein ganzer Stolz ist die wunderschöne schwarz lackierte Schatulle aus Holz, die mit rotem Tuch ausgelegt ist und Fächer für Pastellkreiden und Stifte hat. Viele langweilige Englischstunden hat diese Schatulle ihm schon wichtige Dienste geleistet, denn die Farben eignen sich besonders gut für Porträts jeder Art, am besten gelingen natürlich Karikaturen.

Der Junge hängt auch an seinen neuen Farben, weil er sie von Benji geschenkt bekommen hat. Für Benji mit seinen acht Jahren ist Schabi wie ein großer Bruder. Er beschützt ihn vor dem Spott der Mitschüler, wenn sie ihn wieder einmal wegen seines Körperumfangs hänseln und besucht ihn nachmittags, wenn Benji im großen Haus seiner Eltern allein vor dem Computer sitzt.

Bis eines Tages die schwarze Schatulle und Benji verschwunden sind. Schabi kann sich nicht erklären, warum Benji vor ihm davon gelaufen ist, als er ihn zuletzt in der Schule sah. Allerdings bemerkte er die blauen Flecken an seinen Beinen. Wer hat den kleinen Jungen, der erst vor zwei Jahren nach Israel gekommen ist, so verletzt?

Alleine schafft Schabi die Aufklärung nicht. Auch wenn es ihm schwer fällt, er muss seinen Vater um Hilfe bitten, der seit seinem Unfall, nur noch gedankenverloren daheim sitzt und Trübsal bläst. Eine Chance für Vater und Sohn, wieder miteinander zu sprechen. Schabi spürt: "Für das Leben gibt es keine Anfängerklassen."

Die israelische Autorin und Krimispezialistin mit dem berühmten Inspektor Michael Ochajon, Batya Gur, hat mit ihrem ersten Jugendbuch eine spannende und feinfühlige Geschichte zum Thema Gewalt unter Kindern geschrieben, wobei die Einsamkeit der Kids, die von ihren Eltern viel zu oft mit ihren Ängsten und Nöten allein gelassen werden, nicht nur in Israel ein Problem ist.

Kindern bietet "Die schwarze Schatulle" mit Schabi, der selbst aus keiner heilen Familienwelt kommt, eine hervorragende Identifikationsfigur. Spannung wird garantiert, denn über lange Strecken ist auch für eingefleischte Krimileser nicht klar, worauf der Fall hinausläuft. Und natürlich spielt mit dreizehn die Liebe eine Rolle, logisch. © manuela haselberger


Batya Gur - Die schwaze Schatulle
© 2000, Originaltitel: Ma kara le-Benji?
Übersetzt von Mirjam Pressler
© 2000, München, Hanser Verlag, 207 S., 12.90 €
© 2003, München, Goldmann Verlag, 207 S., 6.90 €

gebunden
Taschenbuch

Batya Gur, geboren 1947 in Tel Aviv, arbeitete zunächst als Lehrerin für Literatur und als Journalistin, ehe sie sich entschloss, Schriftstellerin zu werden. Ihre Kriminalromane für Erwachsene mit dem inzwischen berühmten Inspektor Michael Ochajon wurden internationale Bestsellererfolge. Heute lebt sie mir ihrem Mann und ihren drei Kindern in Jerusalem. "Die schwarze Schatulle" ist ihr erstes Kinderbuch.


Fortsetzung des Lesezitats ...

Bis sein Bruder ihm schließlich einen Katalog aus Chicago schickte, von einem Spezialgeschäft für Künstler. Da sah er ein Foto von der Schatulle. Die hat er dann bestellt, weil er sie für das Tollste und Einmaligste hielt. Er wollte mir nicht sagen, wie viel sie gekostet hatte, aber ich bin sicher, dass er viel dafür ausgegeben hat, vielleicht sogar fast alles, was er gespart hatte. Als ich die Schatulle das erste Mal aufmachte und das weiche rote Tuch anhob, in das die Farben und Stifte gebettet waren, sah ich über den Pastellkreiden einen winzigen zusammengefalteten Zettel.

(S. 52)

"Du willst die Welt verändern, Schabi", sagte sie. "Aber merke dir, Menschen kann man nicht verändern. Weder sie noch ihr Schicksal . Du willst immer alles verändern. Es wenigstens versuchen. Aber man kann höchstens Dinge in sich selbst verändern, wenn man sich sehr anstrengt. Du kannst also nur dich verändern, und auch das nur ein wenig."

Mir wurde kalt, als ich sie so reden hörte. Ich fand das schrecklich. Schrecklich, dass man Menschen nicht ändern kann, denn das bedeutet doch, dass alle immer so bleiben, wie sie sind. Ich wollte mit ihr streiten, wollte sagen, dass sie nicht Recht hatte, ich hatte sogar Beispiele, doch da sagte sie noch etwas Schrecklicheres: "Nicht nur, dass man sie nicht ändern kann. Man darf es auch nicht." Ich erschrak und fragte, was das heißen solle: Man darf es auch nicht. (S. 83)

"Es gibt Dinge, die sind noch nichts für dein Alter", sagt meine Mutter immer, und Michal, unsere Klassenlehrerin, sagt: "Wenn ihr größer seid, werdet ihr es verstehen." Solche Sprüche machen mich ganz verrückt. Von all den Gedichten, die wir im Literaturunterricht gelernt haben, erinnere ich mich nur an eine Zeile: "Für das Leben gibt es keine Anfängerklassen." Aber ausgerechnet auf diese Zeile ging die Lehrerin nicht ein. (S. 99)

Danach wurde ich zu einer Art Detektiv in der eigenen Familie und sammelte langsam Einzelheiten über den Unfall, ohne dass die andern mir etwas erzählten. Ich wusste, dass mein Vater nicht schuld an dem Unfall sein konnte, er war ein großartiger Autofahrer und sehr vorsichtig Immer hatte er sich über die Verrückten aufgeregt, denen man Gelegenheit gab, sich auf den Straßen auszutoben. Seit dem Unfall war er fast nicht mehr Auto gefahren, auch nachdem man ihm den Führerschein zurückgegeben hatte. Er saß nur zu Hause herum und rauchte, füllte ganze Aschenbecher mit seinen Kippen. (S. 130)


Lesezitat nach Batya Gur - Die schwaze Schatulle


© 3.3.2000
by Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de