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Na'im war nicht überzeugt, doch wie üblich musste er sich Efraim fügen.

Endlich fuhr der Zug los. Gimel schloss sich einer Gesellschaft an, die eine Braut mit ihrer gesamten Aussteuer zu einem Ort irgendwo an der Strecke brachte. Er sang mit ihnen und aß von ihren Vorräten. Die anderen Fahrgäste merkten offenbar, dass wir Juden waren, doch das Gefühl, zusammen in einem Zug zu reisen, war stärker als jeder Hass.

Der Zug brauste in der Dunkelheit durch einen Sandsturm. Meine Augen brannten, doch ich atmete die Luft mit einem Gefühl des Glücks ein. Noch immer konnte ich es nicht fassen. Louise hatte die Kerkermauern, die sie umgaben, durchbrochen und hatte sich mit mir getroffen. In den Tagen davor hatte ich oft das Gefühl gehabt, sie füge sich dem Wunsch ihres Großvaters und ihrer Mutter und wolle mich nicht mehr sehen. Mir tat das Herz weh vor Sehnsucht und ich gab mir große Mühe nicht an sie zu denken, aber sie ging mir nicht aus dem Kopf Ich kannte sie, seit wir Kinder gewesen waren. Niemand hatte sich die Mühe gemacht uns rechtzeitig zu erklären, dass unsere Liebe verboten sei, nur weil ihr Großvater Millionär war und mein Vater nur ein kleiner Eisfabrikbesitzer.

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Lesezitat nach Sami Michael - Eine Liebe in Bagdad


Eine Liebe in Bagdad
Sami Michael -
Eine Liebe in Bagdad

Der Schriftsteller Sami Michael, der heute in Haifa lebt, gehört zu den Autoren, die ihr Thema gefunden haben: Er schreibt über seine Kindheit im Irak, in Bagdad. Fasziniert beschreibt er die vielstimmige Atmosphäre, die in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch dort vorherrschte. Kurden, Araber, Juden, Christen lebten friedlich nebeneinander. Bis der Europäische Terror der Nazis 1941 auch die Juden im Irak trifft. Sie werden verfolgt, geschlagen, verhaftet, sodass viele von ihnen gezwungen sind, das Land fluchtartig zu verlassen.

Der Jugendroman "Eine Liebe in Bagdad", der in Israel zu den erfolgreichsten Jugendbüchern zählt, handelt von der jungen, reichen Louise, die im jüdischen Viertel Bagdads in der Nachbarschaft Saids aufwächst. Saids Familie gehört ebenfalls dem jüdischen Glauben an, doch sein Vater, der mit seiner Eisfabrik längst nicht so wohlhabend ist, hat immer mehr unter den Verfolgungen zu leiden. Während Louise und Said sich trotz des erheblichen Standesunterschiedes, bei ihren heimlichen Verabredungen ihre Liebe gestehen, brauen sich dunkle Wolken am Horizont zusammen.

Saids Vater erleidet, als die Geheimpolizei sein Haus nach Waffen durchsucht einen schweren Herzanfall und stirbt. Sein älterer Bruder wird verhaftet, gefoltert und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Der nächste auf der Verhaftungsliste ist Said. Traurig begreift er, dass er sein Arztstudium im Augenblick vergessen kann und versucht in aller Eile nach Israel zu fliehen, doch die Grenzen sind bereits sehr gut bewacht.

Louise, deren vermögender Großvater durch Bestechungsgelder den Aufenthalt seiner Familie zu sichern versucht, erkennt die Gefahr gerade noch rechtzeitig und schickt seine Enkelin zusammen mit ihrer Mutter nach Teheran. Die Zeiten sind zu unsicher und gefährlich für die beiden frisch Verliebten und sie sind gezwungen, in verschiedenen Richtungen ihr Land zu verlassen.

Aus wechselnden Blickwinkeln und mit einem wunderbar orientalischen Tonfall schildert Sami Michael die erste Liebe in politisch unsicheren Zeiten. Eine deutlichere Abgrenzung in der Sprache Saids und Louise wäre wünschenswert, doch das ist nur ein kleiner Mangel an einer zarten Liebesgeschichte, die von den historischen Umständen zunichte gemacht wird.

Lesealter ab 13 Jahren



Sami Michael - Eine Liebe in Bagdad
aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
© 1991, Ahawa bejn ha-dekalim
2000, Wien, Gabriel Verlag, 230 S.

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Und siehe da, sie war ihrem Gefängnis entsprungen und hatte sich mit mir getroffen. Wie ich sie im Ödland im Osten von Bagdad geküsst hatte! Mein Herz hatte im Takt der großen Sufi-Trommel gegen meine Rippen geschlagen. ,,Niemand wird uns trennen können", hatte sie mir versprochen.

Wie naiv wir an diesem Abend gewesen waren, wie glücklich. Auch jetzt, im Zug, war ich noch glücklich, obwohl ich durch einen Sandsturm zur nördlichen Grenze des Landes fuhr, um einen Weg herauszufinden, über den wir bei Gefahr fliehen könnten, bevor die Falle über uns zuschnappte.

Aber was wäre dann mit Mutter und meinem herzkranken Vater? Und was wäre mit Louise?

Mir war klar, dass auch ich mich auf die Fähigkeiten des Millionärs verließ, der Staatsminister kaufte und verkaufte. Ich sagte mir, dass es ihm auch in Zeiten einer Feuersbrunst möglich wäre, seine Tochter

und seine Enkelin an einen sicheren Ort zu bringen. Er und mein Vater waren echte Iraker. Von Erez-Jisrael wollten sie nichts wissen. Sie sagten, es sei ein Land der Teuerungen, der Schwerarbeit und des Blutvergießens. Sie waren überzeugt davon, dass sie hier, in diesem Paradies, in dem ihre Vorfahren tausende von Jahren gelebt hatten, weiterleben könnten, auch wenn es mal einen kleinen Pogrom gab und jemand versuchte sie umzubringen. Fahnen, Nationalstolz und Unabhängigkeit waren in ihren Augen Begriffe für kleine Jungen, aber nichts, mit dem sich der Lebensunterhalt bestreiten ließ.

Am Morgen stiegen wir in Chamam al-Alil aus, einem kleinen Kurort ungefähr zwanzig Kilometer von Mosul entfernt. Wir schickten Efraim und Gimel los, damit sie für ein paar Tage ein Haus für uns mieten sollten, wir wollten am Bahnhof warten. Ich schärfte Efraim noch ein, dass wir ein richtiges Haus benötigten, keine halb zerfallene Hütte, und dass er nicht so knausrig sein solle.

Efraim weinte fast, als sie zurückkamen. ,,Wisst ihr, was ich für ein verdrecktes Haus mit zwei Zimmern und einem kleinen Hof bezahlen musste?"

,,Wir wollen es gar nicht hören", riefen wir einstimmig. Wir hatten viel Geld in die gemeinsame Kasse einbezahlt und jeder von uns hatte noch ein paar zusätzliche Scheine in der Tasche.

Einer hinter dem anderen liefen wir zu dem Haus. Wir wollten auffallen, wir wollten bemerkt werden. Jedem, der es hören wollte, erzählten wir, dass wir gerade die Prüfungen abgelegt hätten und jetzt in dem Kurort Ferien machen wollten. Wir waren sehr nahe bei Mosul und dem gefährlichsten Bereich der Grenze. Nicht weit von hier fanden die Zusammenstöße zwischen dem Militär und den Kurden statt. Beduinenstämme zogen von einem Ort zum anderen ohne auf Grenzen zu achten, und Terrorbanden wechselten über die Grenzen zwischen dem Irak, der Türkei und Syrien. Schmuggler brachten ihre Waren von einem Land ins andere. Die Landschaft war flach wie ein Handteller und glühte in der Sommerhitze, und nur in der Nacht war man vor der Sonne und den Kugeln der mörderischen Grenzsoldaten geschützt, die, wie es hieß, mehr Leute umbrachten als die Schmuggler.
Lesezitate nach Sami Michael - Eine Liebe in Bagdad, S.52-53


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 25.3.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger