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"Ich meine es ernst. Ich will ..." Was will ich? Was will ich anfangen gegen das ganze Dorf? "Ich kann es nicht erklären.", sage ich seufzend. Meine Hand, die auf seinem Bein gelandet ist, hebe ich erschrocken hoch, aber er legt seine Hand darüber und sagt todernst: "Was willst du in so einem Wespennest?"
In der Dunkelheit suche ich seine Augen. Ich suche nach Worten in meinem Kopf.

"Wespennnest?", sage ich schließlich.
Er stößt sich von der Mauer ab, kniet sich vor mich hin. Einen Moment lang ist nur das Summen der Mücken zu hören, dann wieder alles: das Rascheln der Blätter, die Musik aus dem Himmel.

"Du kannst wählen", sagt er. "Entweder bohrst du mit dem Finger im Nest, dann bekommst du überall Stiche. und dein Finger schwillt an, oder du rennst ganz schnell weg." Er beugt sich zu mir und flüstert: "Wenn ich du wäre, würde ich mich füpr das Zweite entscheiden." Du bist schließlich allein, Suzanne." Er spricht so langsam und deutlich, dass ich seine Worte fast vor mir sehen kann. Du bist schließlich allein, Suzanne. Er steht übergroß an der Friedhofsmauer.


Wolf berührt meine Wange und lächelt. "Ganz allein kannst du nichts machen. Ich kann dir nicht helfen, das hättest du dir selbst überlegen können. Ich bin gerade herbeigeflogen und kenne niemanden hier, wie sollte ich da einschätzen, was du tun sollst? .... "


Lesezitat nach
Bart Moeyaert - Im Wespennest, S. 123


Ein Stochern im Wespennest
Bart Moeyaert - Im Wespennest

Die Vorbereitungen für das alljährliche Dorffest laufen auf Hochtouren, als der fremde Junge mit seinem Motorroller auf den Marktplatz knattert und mit seinen beiden Marionetten den Anwohnern eine kleine Vorstellung bietet.

Suzanna, 14 Jahre, schaut mit ihrer Mutter zu und lauscht den höhnischen Kommentaren der Nachbarn, die für Marionetten nur Spott übrig haben. Der Junge ist ungerührt. "Er legt seine Marionetten in der Tasche schlafen. Ganz still, als gehöre er nicht zu den Stimmen."

Am Nachmittag, als alle damit beschäftigt sind, Holz für das abendliche Feuer zu sammeln, trifft Suzanna den Puppenspieler Wolfgang im Wald wieder. Sie findet ihn sympathisch, fasst Vertrauen und erzählt von den unterschwelligen Spannungen im Dorf.

Alle Dorfbewohner fühlen sich von den kläffenden Hunden Rudis, dem Mann der Hebamme, seit Jahren gestört. Nun habe sie alle eine Petition unterschrieben. Nur ihre Mutter, die mit Rudis Frau eng befreundet ist hat nicht unterzeichnet - bis heute Morgen. Jetzt steht ihr Name auch auf der Liste. Suzanna fühlt sich allein gelassen, denn sie mag die Hebamme und fühlt sich von ihrer Mutter verraten. Gehört sie überhaupt noch im Dorf mit dazu? Die Zeit ist reif, dass sie für alle sichtbar ein Zeichen setzt und zur Tat schreitet.

Bereits für seinen letzten Roman "Mit bloßen Händen" wurde der junge flämische Autor Bart Moeyaert mit dem "Deutschen Jugendliteraturpreis 1998" gekürt. Seine absolute Stärke liegt in der Analyse und Sichtbarmachung schwelender Konflikte sowie unterdrückter Aggressionen. © manuela haselberger

Lesealter ab 14 Jahren



Bart Moeyaert - Im Wespennest
Originaltitel: Wespennest, © 1997
Übersetzt von: Mirjam Pressler
© 2000, Weinheim, Beltz und Gelberg, 148 S., (HC)
© 2002, Weinheim, Beltz und Gelberg, 147 S., 7.90 € (TB)

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Afrika hinter dem Zaun


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 23.03.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger

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