... reinlesen


<<   weitere Bücher   >>

          Taschenbuch - broschiert


... reinlesen

 

Wer damals 10000 € in EM.TV investierte, hatte zweieinviertel Jahre später einen Wert von knapp drei Millionen Mark im Depot. Die Uraktie, die zu 34 Mark ausgegeben wurde, war im März 2000 nicht weniger als 10000 Mark wert. Die Börse gestand der Minifirma, die kaum mehr als 220 Leute beschäftigte, einen Gesamtwert von sagenhaften 26 Milliarden Mark zu, so viel wie dem Handelsgiganten Metro und mehr als Deutschlands größtem Maschinenbaukonzern ThyssenKrupp. S. 217

 

»Kaufen, kaufen, kaufen«

»Viele altgediente Analysten schauen dem Treiben am Neuen Markt fassungslos zu«, nimmt Heiko Bienek von der Frankfurter Firma Independent Research die Branche in Schutz, »doch die Youngster scheren sich einen Teufel um die wahnwitzig hohen Bewertungen und raten munter weiter zum Kaufen.«

Arbeitete ein Analyseteam früher sechs bis acht Wochen an einer Studie, so muss es heutzutage pro Monat mindestens zwei davon abliefern.

Für die Anleger noch verhängnisvoller ist der zweite Grund: Die meisten dieser sogenannten Analysten sind zu Marketinginstrumenten der Banken verkommen. Statt objektiven Informationen und Bewertungen enthalten sie allzu häufig seichtes Reklamegeschwätz und dienen in erster Linie der Akquisition neuer Kunden. Klar, Analysten sind nicht unabhängig, sondern Angestellte der Banken. Sie kosten Geld und müssen sich ihr Gehalt verdienen.

»Man muss die Emotionen der Anleger ansprechen, ihre Fantasie wecken«, blies BCG-Geschäftsführer Heino Meerkatt zur Attacke- und die Botschaft kam an. Kaum ein Konzern von Format, der sich nicht eine Abteilung für »Investor Relations« zugelegt hat, um Groß- und Kleinanleger von den Vorzügen seiner meist viel zu teuren - Anteilsscheine zu überzeugen. Nicht mehr der reale Wert eines Unternehmens oder die von ihm erwirtschafteten Gewinne bestimmen den Preis, sondern die Cleverness der Aktienvermarkter beim Verteilungskampf um die Ersparnisse der Bürger.

Da von den 4,5 Billionen Mark, die die Deutschen Anfang des Jahres 2000 gebunkert hatten, nicht einmal 15 Prozent in Aktien angelegt waren, wittern die Börsianer Morgenluft. Trotz der Vermögensverluste, die die Anleger nach dem Kursverfall hinnehmen mussten, werden sie, so hoffen die Herren des leicht verdienten Geldes, ihre Groschen bald wieder zur Börse tragen. Das Kalkül der Finanzwirtschaft: Solange Zinspapiere und Immobilien nur dürftige Renditen abwerfen, gibt es für vermögendere Deutsche kaum eine Alternative zur Aktie. Und so blasen sie denn erneut zur Jagd auf die Besserverdienenden.

 

Miserable Beratungsqualität

Im Visier haben Banken wie Versicherungskonzerne, Vermögensverwalter und Fondsmanager die etwa eine Million Vermögensmillionäre, die die Statistik im Jahr 2000 auswies, und ihrer ganz besonderen Aufmerksamkeit dürfen jene oberen zehntausend Deutsche sicher sein, die zusammen über 50 Prozent des Volksvermögens ihr Eigen nennen. Um ans Geld der Begüterten zu gelangen, ist den Finanzkonzernen offenbar jedes Mittel recht. S. 240


Lesezitat nach Günter Ogger - Der Börsenschwindel


Die Abzocker
Günter Ogger - Der Börsenschwindel

m Jahr 1637 blühte in Holland die Spekulation mit Tulpenzwiebeln. Einzelne Zwiebeln waren um das zigtausendfache im Preis geklettert - am Ende der Hausse stürzten die Preise binnen Stunden ins Bodenlose.

Eine Karikatur aus der damaligen Zeit trägt die Bildunterschrift: »Darstellung des seltsamen Jahres 1637, als der eine und der andere Narr den Plan ausheckte, ohne Fähigkeit reich und ohne Verstand weise zu werden.«

So ähnlich wird die Geschichte wohl auch das Jahr 2000 beurteilen: Eine beispiellose Hausse der Aktienwerte lockte 1999 und 2000 hunderttausende von neuen Aktionären auf das Parkett - heute nun herrscht Ernüchterung und Katerstimmung. Bis März 2000 stieg die Party - dann kam der Absturz.

Günter Ogger, bekannt durch Bücher wie »Nieten in Nadelstreifen« und »Das Kartell der Kassierer« beschäftigt sich etwas genauer mit dem Börsenboom des letzten Jahres und kommt schon im Buchtitel zur Sache: Der Börsenschwindel - Wie Aktionäre und Anleger für dumm verkauft werden.

Schonungslos beleuchtet er die Szene: Was ist dran am Neuen Markt. Aktie um Aktie repetiert Ogger die »Story« der Anlageberater und Marktschreier: Ricardo.de, Allgeier, Informatec, CPU, ABIT, Netlife, Pixelnet. Keine unbekannten Namen für viele Zeitgenossen. Doch man ist fassungslos, wenn man dazu liest, was wirklich an Substanzwert in den Unternehmen vorhanden ist und wieviel Kubikkilometer heiße Luft die Aktionäre letztes Jahr für Milliarden € gekauft haben.

Ogger mutmaßt, dass die unglaublichen Kurssteigerung bis zum März 2000 ein groß angelegter Schachzug der Finanzwirtzschaft war, um sowohl dem Otto Normal seinen Notgroschen, als auch den meist noch unerfahrenen Neureichen der »Erbengeneration« ihre frischen Millionen abzujagen.

Das Spiel scheint aufzugehen - Milliarden an Werten sind durch die Spekulation in IT- und Pharmafirmen verloren. Wie anno 1871/72, als die sogenannte Gründer-Spekulationswelle dem kleinen Mann in Deutschland sein Erspartes wegschwemmte, weil er so unvorsichtig war, es in »Actien« zu investieren.

Dazu meint Ogger: »Mit verblüffender Präzision wiederholt sich zu Beginn des neuen Jahrtausends ein Verhaltensmuster, das die Wissenschaft bei früheren Generationen häufig mit Unwissenheit erklärte. Tatsächlich aber sind es wohl unveränderliche menschliche Eigenschaften wie Gier, Neid und Angst, die dem Geschehen an der Börse den Stempel aufdrücken. Und daran hat sich offenbar seit der ersten großen Spekulation der Neuzeit aus dem Jahre 1634 bis heute nicht viel geändert.« (S. 267)

Aber Ogger macht nicht nur Verlierer aus, denn einer gewinnt bei diesem Spiel immer: Richtig - Die Bank. Und an den Beratern und Fondsverkäufern lässt er deswegen auch kein gutes Haar - Aktien mit Dartpfeilen oder mit Hilfe eines Schimpansen zum Kauf und Verkauf ausgewählt schlagen die Ergebnisse ausgebuffter Finanzprofis um Nasenlängen - das sollte jedem, der sein sauer verdientes Geld anlegt, zu denken geben.

Viele Anleger versuchen daher ihr Risiko zu vermindern und erstehen Fonds. »Das ist deshalb erstaunlich, weil gerade die Aktienfonds bei Licht besehen, miserable Ergebnisse zu enorm hohen Kosten produzieren. Denn kaum ein Fonds schaffte es, bei richtiger Berechnung, den jeweiligen Index zu übertreffen, und das bedeutet, dass die Anleger das viele Geld, das sie für den Vertrieb, das Management und die Transaktionen ihrer Fonds bezahlen mussten, umsonst ausgegeben haben. Verdient haben an den Fonds vor allem deren Besitzer, und das sind in aller Regel die Banken.« S. 128

Selbstverständlich beschäftigt sich Ogger auch mit den »großen« Unternehmensgründern wie Thomas Haffa (EM.TV) oder Dietrich Walther (Gold Zack) und einer Reihe anderer illustrer Gestalten. »Aufgeblasen und abgesoffen« heißt denn auch bezeichnenderweise ein Kapitel in Oggers Buch - ein Bonmot, das sowohl zu den Unternehmensgründern passt als auch zur besoffenen Euphorie der Anleger. Viele Beispiele öffnen dem Leser die Augen und rauben dem betroffenen Aktionär die Illusionen: Die Aktien des Spielwarenhändlers Toys»R«Us werden mit einem Umsatz von 11,2 Mrd $ und einem Gewinn von 376 Millionen von den Börsianern gerade mal mit 2,0 Mrd $ bewertet; der drei Jahre alte Internetkonkurrent eToys dagegen mit 8 Mrd $. Seine wirtschaftlichen Zahlen dagegen sind niederschmetternd: Bei einem Jahresumsatz von 30 Mio $ erwirtschaftete das Unternehmen einen Verlust von 28,6 Mio $.

Und leider ist das kein Einzelfall, sondern eher die Regel.

Unternehmen mit guten wirtschaftlichen Meldungen werden mit Kurseinbrüchen abgestraft, denn man kauft heute nach dem Motto »Buy on rumors, sell on facts.« Und die Gerüchteküche schraubt die Erwartungen der Anleger so unendlich hoch, dass die Unternehmen diese Erwartungen nicht mehr erfüllen können.

So ist Oggers Fazit zum Schluss auch eher ernüchternd: In seinem 10-Punkte-Regelwerk empfiehlt er niemandem Geld in Aktien anzulegen, der nicht mindestens 100000 DM investieren kann und dazu auch noch eine ordentliche Portion Zeit und Geduld mitbringt.

Für die Verlierer des vergangenen Jahres spendet sein Buch wenig Trost: Robert J. Shiller, US-Ökonom aus Yale, einer der bedeutensten amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler, analysierte die Aktienkurse und Crashs seit 1880 und kam zu dem vernichtenden Urteil, dass es wohl ein bis zwei Jahrzehnte dauern wird, bis der Kursverfall des Jahres 2000 wieder ausgeglichen sein wird. Möglicherweise behält er recht: Am Schwarzen Freitag 1929 verloren die Aktienkurse rund 80%, und das bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 21 zu 1. Anfang 2000 waren die Dow-Jones-Werte bereits mit dem 43fachen Jahresgewinn bewertet.

Dazu muss man nichts mehr sagen. © manuela haselberger


Günter Ogger - Der Börsenschwindel
incl. Literaturhinweis, Register und Glossar
2001, München, Bertelsmann, 320 S.,

          gebundenes Buch
          Taschenbuch - broschiert
          Audiobook CD
          Audiobook Cassette

Börsenbücher für Einsteiger
Börse Special
Bücher für Insider, Daytrader und Aktienanalysten


Fortsetzung des Lesezitats ...

Die Ergebnisse freilich, die von den Profiverwaltern erzielt werden, sind von der jeweiligen Börsenlage genauso abhängig wie jene der normalen Kleinanleger. Als die Commerzbank-Tochter Commerzfinanz Management Finanzpläne und Anlageergebnisse von 2500 Topkunden unter die Lupe nahm, stellte sich heraus, dass mit den Millionenvermögen im Durchschnitt nur eine jährliche Rendite von vier Prozent nach Steuern erzielt wurde. Lediglich 13 Prozent schafften jährliche Erträge von acht Prozent netto - ein Ergebnis, das den wilden Zockern vom Neuen Markt zu denken geben sollte.

Die dürftige Performance der vermögenden Commerz-Kunden zeigt aber auch, wie viel realistischerweise von einer Kapitalanlage zu erwarten ist. Langfristig nivellieren sich auch die tollsten Börsengewinne, wenn der Anleger sein Risiko in Grenzen halten will und das Kapital auf die verschiedenen Anlageformen verteilt. Was in guten Börsenjahren als Fehler gelten mag, beispielsweise die Investition in renditeschwache Immobilien, zahlt sich wieder aus, wenn die Kurse purzeln und die Preise steigen. Deshalb sind die starken Sprüche, mit denen sich die Aktienzocker zu brüsten pflegen (»Mit Nokia habe ich in drei Monaten verdoppelt«), stets mit Vorsicht zu genießen, denn über ihre Verluste reden sie etwa so gern wie über ihre Seitensprünge. Das führt uns zur Frage, welchen Stellenwert Aktien bei der Kapitalanlage haben, wie man mit ihnen umgehen sollte und welche Kurse akzeptabel sind. S. 247

Lesezitate nach Günter Ogger - Der Börsenschwindel













ebenfalls von
Günter Ogger:

Taschenbücher:


Absahnen und abhauen

Deutschland vor dem Chaos.
© 1999


Das Kartell der Kassierer

Die Finanzbranche macht Jagd auf unser Geld.
© 2001


Nieten in Nadelstreifen

Deutschlands Manager im Zwielicht.
© 1995


König Kunde

Angeschmiert und abserviert.
© 1998


Macher im Machtrausch.

Deutschlands Manager auf gefährlichem Kurs.
© 2001


 Bookinists
 amazon shop

  hier klicken



© 26.01.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de