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Bonjour tristesse und andere

Ich hatte nie die Absicht, die Geschichte meines Lebens aufzuschreiben. Zum einen, weil darin viele glücklicherweise noch lebende Menschen vorkommen, und zum anderen, weil mich mein Gedächtnis zusehends im Stich läßt; mir fehlen hier fünf Jahre und da fünf Jahre, was irgendwelche dunklen Geheimnisse vermuten ließe, die keineswegs vorhanden sind. (S. 7)

Wenn ich hier so freizügig aus meinem Privatleben berichte, dann nicht deshalb, weil ich beispielsweise diese Anekdote so hinreißend finde, sondern weil sie ein wenig das Durcheinander um In einem Monat, in einem Jahr und meine mangelnde Sorgfalt bei der Durchsicht es Manuskripts erklärt. Für eine Entschuldigung ist es nie zu spät, wird man mir vielleicht sagen, und das ist auch ganz richtig. Für mich ist dieses Buch so etwas wie das häßliche kleine Entlein aus dem Märchen. (S.35)

Wie dem auch sei, im Nachhinein betrachtet, war es nicht der Ruhm, der mich störte, sondern die Arbeit, die er erforderte; und daß meine Freunde so gleichgültig, ja fast brutal wirkten, lag daran, daß sie sich an mir rächen wollten. (S.44)

Ich sage es jetzt gleich und werde dann nie wieder davon sprechen: Mein größter Traum war es immer, Gedichte zu schreiben, und zwar an einem mir wohlvertrauten Ort (im Departement Lot, in Paris oder in der Normandie) , wo mich niemand von jenem erhebenden, bei mir jedoch allzu widerspenstigen inneren Drang ablenkt, jenem Drang, der einzig und allein den Sinnen, der instinktiven Erinnerung an der Harmonie entspringt - kurz: dem lyrischen Echo. (S. 53)

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Lesezitat nach Francoise Sagan - Mein Blick zurück


Mein Blick zurück
Francoise Sagan - Mein Blick zurück

Mit neunzehn Jahren, 1954, war sie mit ihrem ersten Roman "Bonjour Tristesse" in aller Munde. Fortan veröffentlicht die französische Autorin Francoise Sagan eine ganz erkleckliche Zahl an Romanen, Erzählungen, Theaterstücken und Filmdrehbücher.

Nun ist sie in einem Alter, in dem sie es sich leisten kann, Rückschau zu halten. Welchen zeitlichen Rahmen soll sie wählen? "Wenn ich darüber nachdenke, kämen als Richtpunkte in meiner Chronologie nur die Erscheinungsdaten meiner Romane in Frage, die einzigen nachprüfbaren, zeitlich festgelegten und wenigstens annähernd greifbaren Meilensteine meines Lebens."

Gut, das mag etwas selbst verliebt sein, doch Francoise Sagan liest ihre Romane noch einmal und kommentiert ihre Entstehung aus heutiger Sicht. Zugegeben, eine etwas eitle Nabelschau.

"Bonjour Tristesse" verfasste sie in einem kleinen verräucherten Bistro am Boulevard Saint-Germain im Paris der Existenzialisten. In einem Schulheft hat sie den bis heute sehr erfolgreichen Roman niedergeschrieben. Zu ihren Bekannten zählten damals so wichtige Persönlichkeiten wie Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir.

Doch die Bemerkungen, die Sagan über ihr Privatleben einflicht sind äußerst dünn gesät und mit großer Diskretion verfasst. So ging beispielsweise lange Zeit der französische Präsident Francois Mitterand bei ihr ein und aus, kam zum Tee oder zu einer Essenseinladung vorbei. Über die sicherlich interessanten Unterhaltungen mit ihm schweigt Sagan, leider.

Wer gefallen an ihrem eigenwilligen, schwerelosen Stil findet, der wird auch in "Mein Blick zurück" nicht enttäuscht: "Die Erinnerung ist ebenso verlogen wie die Fantasie, aber noch wesentlich gefährlicher, weil sie so strebsam tut."

Und ein Geheimnis lüftet sie ebenfalls. Die meisten ihrer wunderschönen Titel, wie "Stehendes Gewitter" oder "Ein bisschen Sonne im kalten Wasser" hat sie aus Gedichten von Paul Eluard entlehnt, den sie sehr bewundert. Und überrascht mit der Feststellung: "Mein größter Traum war es immer, Gedichte zu schreiben."

Für Leser, die einen Blick hinter die Kulissen von "Lieben Sie Brahms?" werfen wollen, eine empfehlenswerte Quelle.






Francoise Sagan - Mein Blick zurück
aus dem Französischen von Claudia Feldmann
Originaltitel: Derrière l' épaule, 1998
2000, München, Ullstein Verlag, 207 S.,

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Vater unser, der da bist im Himmel, bleib ruhig dort;
Wir bleiben auf der Erde, bisweilen ein so schöner Ort.
(S. 56)

Die Erinnerung ist ebenso verlogen wie die Phantasie, aber noch wesentlich gefährlicher, weil sie so strebsam tut. (S 81)

Doch die Frage läßt mich nicht los: Wie kann man sechs Monate lang über uninteressante Leute schreiben? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt, vor allem in bezug auf andere Autoren; jetzt betraf sie mich selbst. Bonjour Tristesse hatte bei einer ganzen Schar von jungen Mädchen, mäßig oder nicht, den Drang ausgelöst, zur Feder zu greifen, in dem edlen Bestreben, ebenfalls Lorbeeren und Millionen zu ernten. Viele Verleger vergaßen, zumindest in den ersten Jahren nach Bonjour Tristesse, ihre Auswahlpflicht und brachten die Bücher heraus, versehen mit einer breiten Banderole mit der Aufschrift: "Eine neue Sagan", so, als sei ich gestorben, was ich in Anbetracht meiner fünfundzwanzig Jahre etwas taktlos und verfrüht fand. (S. 106-107)

Ich habe meine Liebe zur Natur bereits an anderer Stelle ausführlicher beschrieben und werde jetzt nicht noch einmal davon anfangen; aber es stimmt, es fällt mir manchmal schwer, darüber zu reden, wie über etwas allzu lntimes. Ich schaffe es nur aus der Ferne. Und ich habe auch keine Lust mehr, über meinen Hund oder seine Vorgänger zu reden, und genausowenig über die paar Menschen, mir denen mich eine bedingungslose Zuneigung verbindet oder verband. Dies alles ist ein Teil von mir, von meinem ureigensten Wesen, und in dem Moment, wo ich über sie spreche, ist es, als würde ich sie erstarren lassen, eine Skulptur von etwas Lebendigem anfertigen, den Zeitlauf und die Sternschnuppen anhalten. Ich sehe nicht ein, weshalb ich Gefühle oder Anwandlungen, die niemanden etwas angehen, außer diejenigen, die sie ausgelöst haben, auf diese !Weise sterilisieren sollte. (S. 151)

.... der lnnenhof, der Staub, die Katze und der Geschmack des Apfelsafts. Es klingt furchtbar, aber die einschneidendsten und die köstlichsten Erinnerungen sind einsame Erinnerungen. Die Momente zu zweit, die doch, wie man mir entgegenhalten wird , auf andere Weise prägend sind, werden vollkommen überwältigt, ausgelöscht vom Augenblick, von der Lebendigkeit des Augenblicks, von jenem Eindruck des Entliehens, des Nicht-Seins, das die Leidenschaft vermittelt. Wenn man allein ist, merkt man, sieht man, was einem gefällt. Zu zweit sieht man nur den anderen. (S. 163)

In diesem Buch spreche ich - wie ja bereits klar ist - weder über meine Theaterstücke noch über meine Erzählungen oder meine sonstigen Texte, wie zum Beispiel Musiques de scène, Les violons parfois oder Le cheval évanoui. Ich beschränke mich auf die Romane. Sonst würde ja nie fertig, ... (S172)

Francoise Sagan - Mein Blick zurück

aus dem Französchischen von Claudia Feldmann © 1998, Derrière l`épaule
2000, München, Ullstein, 207 S., 3550083149


Lesezitate nach Francoise Sagan - Mein Blick zurück


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 18.2.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger