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Afra, taub für den Sarkasmus in Ursulas Stimme, nickte zustim-mend

Afra, taub für den Sarkasmus in Ursulas Stimme, nickte zustimmend.

So war es, doch leider habe ich nicht viel erfahren, nur daß es wie üblich um viel Geld ging - und um Rudolf.«

»Was hat denn Rudolf mit Ulrich zu schaffen?« fragte Ursula abwesend, ihre Aufmerksamkeit scheinbar nur ihrer Stickerei zugewandt, doch das Senftenmädchen übersah diese Unhöflichkeit.

»Es ging um irgendeine delikate Angelegenheit.« Sie errötete und kicherte verlegen. »Nun, es ist ja bekannt, daß Rudolf den Frauen sehr zugetan ist, und sie ihm.«

Plötzlich hatte Anne Katharina das Gefühl, daß alle anwesenden Frauen atemlos und voller text/@crtimel die Ohren spitzten, auch wenn Ursula nach wie vor konzentriert stickte und Marie den kleinen David herzte.

»Nun, die Männer waren sich einig, daß Rudolf irgend etwas angestellt hat, was sie beide vertuschen wollen. Sie schienen sehr erleichtert, daß Rudolfs Verlobung mit Helene von Rinderbach bald offiziell gefeiert wird, und hoffen, daß die Hochzeit noch in diesem Jahr folgt.« Ohne auf die erstaunten Rufe ihrer Zuhörerinnen zu achten, fügte sie noch hinzu: »Sie hoffen wohl, daß eine so schöne, reiche und energische Ehefrau ihn auf den Pfad der Tugend zurückbringt.«

»Du weißt nicht zufällig den Namen dieser delikaten Angelegenheit, ich meine, deren Beziehung - Verhältnis - zu deinem Vetter . . . ?« ........... weiter....


Lesezitat nach Ulrike Schweikert - Die Tochter des Salzsieders, S. 210


Giftmorde in Schwäbisch Hall
Ulrike Schweikert - Die Tochter des Salzsieders

Schwäbisch Hall, im Februar 1510 a.D., ist der vertraute Schauplatz eines Kriminalromans mit historisch exzellent recherchierten Personen und Orten.

Ulrike Schweikert erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Anne Katharina Vogelmann, der "Tochter des Salzsieders", und setzt damit einigen, historisch belegten Bewohnern der Stadt ein literarisches Denkmal.

Anne Katharina, noch sehr jung und unverheiratet, lebt zusammen mit ihren Brüdern Peter und Ulrich und ihrer Schwägerin Ursula in einem großbürgerlichen Stadthaus. Die Familie Vogelmann ist durch den Salz- und Weinhandel reich geworden und Ulrich sitzt anstelle des früh verstorbenen Vaters sogar im Stadtrat.

Die Autorin, selbst geborene Hallerin, hat in den Archiven ihrer Heimatstadt ordentlich Material gewälzt und die in der Regel eher alltäglichen und langweiligen Informationen aus mittelalterlichen Büchern und Annalen zu einer spannenden Melange aus lokalem Geschichtsunterricht und Kriminalfall vermengt.

Als gelernte Geologin besitzt sie eine entsprechend gut ausgeprägte Geländevorstellung und als Journalistin das nötige Handwerkszeug, um diese Imagination so in Worte zu kleiden, dass der Leser, sollte er jemals selbst Schwäbisch Hall besuchen wollen, sich in der historischen Altstadt garantiert umgehend zurechtfinden wird.

Allerdings ergeht sich die Autorin nun nicht in langatmigen Fassadenbeschreibungen, wie das in anderen Romanen des Genres durchaus üblich ist, sondern sie verschafft dem Leser einen übersichtlichen Kleinkosmos, indem er sich auch bequem ohne die mitgelieferte Karte zurechtfindet.

Geschickt verbindet sie historische Fertigungstechniken (z.B. Salzgewinnung) mit der laufenden Erzählung, ohne dass der Leser den Eindruck gewinnt, dass hier nun wieder ein Absatz aus dem Konversationslexikon abgekupfert worden ist – ein sonst eher gebräuchliches Verfahren von Autoren historischer Romane.

Schweikert lebt in ihrer Materie, verwendet zielsicher, aber sparsam Fachbegriffe, die sie in einem eigenen Glossar, neben einer Übersicht der handelnden Personen und einer ausführlichen Fachliteraturliste am Ende ihres Buches aufführt.

Die eingewobene Kriminalgeschichte bleibt anhaltend spannend – der Leser tappt wie in Umberto Ecos "Name der Rose" lange im Dunkeln. Logisch erarbeitet die Hauptperson Anne Katharina Puzzleteil um Puzzleteil zur Lösung des Falles, hat aber nicht die Brillanz eines William von Baskerville.

Zwei Dinge in diesem Buch sind nicht besonders: Das dreiseitige Kapitel "Eins" (Der Alptraum) sowie der zu schnelle Showdown am Romanende zur Aufklärung all der Giftmorde. Durch den abrupten Ausgang mit dem dramaturgischen Schlusspunkt kommt der Leser um den Genuß eines Happy Ends oder – alternativ – um seine Genugtuung für sein Gerechtigkeitsgefühl.

Von all dem abgesehen ist "Die Tochter des Salzsieders" ein handwerklich gut gemachter historischer Roman, der nicht wie andere Bücher durch deftige Sexszenen über eine Mittelmäßigkeit hinwegtäuschen müsste.

Auch versteigt die Autorin sich nicht aus ihrer Hauptperson eine Art bewundernswertes Supergirl zu stylen (z.B. Hakima u.ä.), sondern charakterisiert ein normales, gescheites Mädchen, das manchmal nicht ganz ungefährlich seine Nase in anderer Leute Dinge hineinstecken muss.

Dadurch findet Ulrike Schweikert sicher auch der Weg zu einem jüngeren Leserpublikum, das sich an historischen Fakten freut, wie z.B. welche Kleidung getragen wurde, was die Menschen gegessen haben, welche Alltagsgewohnheiten sie hatten, wie sie Waren des täglichen Bedarfs hergestellt haben usw. und das bei gleichzietig spannnender Unterhaltung.





Ulrike Schweikert - Die Tochter des Salzsieders
2000, München, Knaur Verlag, 448 S.

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Errötend brach Anne Katharina ab.
»Leider, nein.« Bedauernd schüttelte Afra den Kopf. Doch dann begannen ihre Augen zu funkeln. »0bwohl mich das sehr interessieren würde! Wartet nur ab, ich bekomme es schon noch heraus. Morgen abend ist Ratsherr Baumann zum Nachtmahl bei uns. Vielleicht weiß er ja darüber Bescheid und läßt sich etwas entlocken?«

Da das Thema erschöpft schien, wandte sich Afra ihrem zweiten Lieblingsthema zu: dem Mord an der Hebamme.
»Wie schrecklich es sein muß, so unvorbereitet vor den Schöpfer zu treten, ohne letzte Ölung, ohne den Beistand eines Priesters, der einem die Last der Sünden abnimmt, ohne Sterbesakramente. Was glaubt ihr, wie lange sie im Fegefeuer schmoren muß, bis all ihre Sünden gebüßt sind?«
»Vielleicht hat sie gar keine so große Schuld auf sich geladen. Immerhin war sie Hebamme und hat vielen Kindern auf die Welt geholfen, den Müttern guten Rat gegeben, ihnen die Schmerzen erleichtert und sie getröstet. Daher wird die Zeit der Buße sicher nicht lange dauern«, erwiderte Ursula voll Zuversicht in ihrer Stinnne.

Anne Katharina dachte an die Worte der Hebamme, die sie mit dem Unbekannten gewechselt hatte, und schwieg, schaudernd bei dem Gedanken, wie viele Höllenqualen EIs für diese schwere Sünde ertragen mußte, die das Mädchen nur erahnen konnte.
»Nun ja, so viele Sünden können es wirklich nicht gewesen sein«, räumte Afta ein. »Schließlich habe ich sie erst am Sonntag vor ihrem Tod bei der Beichte angetroffen. Ich wundere mich nur, daß sie bei eurem Oheim und nicht drüben in St. Katharina war. Ist nicht Pfarrer Rüttinger ihr Beichtvater?«
Anne Katharina nickte, doch wenn sie an die Anklage des Pfarrers gegen die Schloßsteinerin dachte, die im finsteren Verlies des Sulferturms ihrem sicher nicht rosigen Schicksal harrte, dann konnte sie Els Entscheidung verstehen.
Wer weiß, was sie dem Pfarrer erzählt hat. Vielleicht nimmt es Pfarrer Rüttinger mit dem Beichtgeheimnis nicht so genau?
»Ganz kalt läuft es mir über den Rücken, wenn ich daran denke, daß die arme Els vielleicht nicht genug Geld hatte, damit ihr nach der Beichte alle Sünden vergeben wurden, oder ihr die Zeit nicht reichte ....
S. 211


Lesezitate nach Ulrike Schweikert - Die Tochter des Salzsieders


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 15.3.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger