Ein Wanderschaftsroman
Roland Müller - Der Goldschmied

Dies ist die Geschichte des Jungen Gwyn Carlisle, der im September 1115 bei Peter Fallen, einem etwas verschrobenen, zurückgezogen lebendem Goldschmied in London, das Zunfthandwerk des faber aurifex erlernt.

Sehr schnell begreift der alte Lehrherr, daß er mit seinem Lehrling ein handwerkliches Genie eingestellt hat, das er nach allen Regeln seiner Kunst ausbildet und ihm sogar noch das Schießen mit dem gefürchteten sächsischen Langbogen beibringt.

So ausgestattet zieht der frischgeprüfte Geselle nach seiner Lehre auf abenteuerliche Wanderschaft und landet in Bath bei Meister Randolph Borden.

Auch dort leistet Carlisle kunsthandwerklich Großes und spielt eine tragende Rolle bei der Beendigung der Belagerung der Stadt durch den Herzog Bois de Guilbert.

Durch letztlich nicht sehr feine Machenschaften gelangt Carlisle zu einer wunderhübschen Frau, Reichtum und Meistertitel. Doch auf einen Schlag gibt er all das auf. Ihn zieht es nach Augsburg, er will noch mehr in seinem Beruf erlernen.

Roland Müller widmet sich in seinem Romandebüt liebevoll Details aus dem Goldschmiedehandwerk. Auch die Künste des Pfeilmachers, einer anderen damaligen Zunft, beschreibt er genauso anschaulich wie das mittelalterliche London, Bath oder Landshut.

Eine äußerst beschwerliche Alpenüberquerung bringen den "Faber Gottes" nach Italien, Venedig.

Offenbar verstrickt er sich dort in die Politik der Venezianer, des Papstes in Avignon und eines alten bekannten, einem englischen Großinquisitor namens Fresenius van Straaten, was ihn beinahe das Leben kostet.

Störend ist wie die Hauptfigur durch den Roman driftet, ohne daß man etwas genaueres über die Hintergründe und Motive der einzelnen Protagonisten erfährt.

So verharrt der Roman in einer angenehm gerafften, guten filmischen Beschreibung der Erlebnisse des Gwyn Carlisle, hinterläßt aber den schalen Geschmack, daß die Personen um ihn herum wenig psychologischen Tiefgang erfahren. Die Schilderung des Ritterturniers und die Alpenquerung zählen da schon eher zu den Highlights.

Die vielen gut bearbeiteten Einzelerlebnisse befriedigen allerdings nicht, weil es dem Roman an einem geschichtenverbindenden, auf ein Ende hin ausgerichteten plausiblen Bogen mangelt.

Insgesamt fehlt dem Buch damit ein Ziel, eine Botschaft oder die Moral, auch wenn der Böse, dessen Motivation leider nicht glaubhaft genug erhellt wurde, am Schluß ganz und gar nicht triumphiert.

Roland Müller ist ein guter Romanhandwerker und fleißiger Rechercheur, auf dessen zukünftige Bücher wir uns freuen können, sofern er uns eine gute Geschichte erzählen kann und seine Figuren untereinander etwas mehr menschlicher klatschen und tratschen läßt und den Leser damit mehr am "warum" als am "wie" beteiligt.



Roland Müller - Der Goldschmied
1998, München, Droemer Knaur, 512 S.,
2000, München, Droemer Knaur, 586 S.

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 98-06-17

Quelle: http://www.bookinist.de
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