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Irrwege
Alice Miller - Wege des Lebens
Alice Miller, bekannt durch ihre Sachbücher
"Das Drama des begabten Kindes" und "Am Anfang
war Erziehung" hat in ihrem neuen Buch das Grundthema ihrer
Forschung variiert. Ihre zentrale Frage ist: Wie wirken sich die
ersten Erfahrungen von Liebe und Leid auf das spätere Leben
des Menschen und auf sein Zusammenleben mit anderen aus?
In sieben Geschichten, eigentlich sind es Protokolle aus psychotherapeutischen
Sitzungen, erzählen ganz unterschiedliche Menschen aus ihrem
Leben.
Da sind zum Beispiel Claudia und Daniel. Schon während ihres
Studiums treffen sich die beiden und verstehen sich gut. Daniel
fällt aus allen Wolken, als Claudia ihm eröffnet, daß
sie heiraten wird. Dreißig Jahre später begegnen sie
sich wieder, beide sind geschieden und mit diesem langen Abstand
sind sie in der Lage zu erkennen, warum sie damals ihre heute
so unverständlichen Entscheidungen getroffen haben.
Alice Miller zeigt in aller Deutlichkeit, daß die Verletzungen,
die Kindern schon in ihrer frühesten Kindheit zugefügt
werden, niemals in Vergessenheit geraten und das zukünftige
Leben in oft unerträglicher Weise einengen und behindern.
Die falschen Vorstellungen der Eltern, die oft in ihrer eigenen
Kindheit auch mißhandelt worden sind, werden unbedacht an
die eigenen Kinder weitergegeben. Diese quälen sich häufig
ein Leben lang mit den erlittenen Verletzungen, ohne in der Lage
zu sein, sie artikulieren können. Es wurde ihnen doch nachdrücklich
als Kind versichert, daß jede Strafe nur zu ihrem Besten
sei.
Zwei Essays über die Entstehung von Haß und wie Gurus
und Führer arbeiten runden die Geschichten des Buches ab.
Für die Leser, die Alice Miller bereits kennen, sind in diesem
Band keine neuen Erkenntnisse zu finden, doch ihre klare Analyse
von oft unbewußten Zusammenhängen und ihr vehementes
Eintreten für den Schutz der Kindheit macht ihr Buch zu einer
aufrüttelnden Lektüre.
Alice Miller - Wege des Lebens
1998, Frankfurt, Suhrkamp Verlag, 296 S., 22.00 €,
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