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Gefangener in einem Kellerloch Jan Philipp Reemtsma - Im Keller
Mein zweiter Buchtipp des Monats Februar 97
s ist mittlerweile fast ein Jahr her, daß Jan Philipp Reemtsma entführt und erpreßt
wurde. Bis zur Geldübergabe von 30 Mio DM befand er sich 33 Tage in den Händen
seiner Entführer - gefangen in einem Kellerloch.
Nun hat er ein Buch über diese Zeit geschrieben. Als Vorgeschmack sind Auszüge
aus diesem Bericht in einer dreiteiligen SPIEGEL-Serie erschienen und diese
Passagen waren beeindruckend. Der jetzt erschienene schmale Band beschreibt auf
eine so noch nicht gelesene Art und Weise sein Leben im und nach dem Keller.
Zunächst schildert Reemtsma den äußeren Ablauf der Entführung. Wie er brutal vor
seinem Haus in Hamburg-Blankenese niedergeschlagen und in einem Auto
verschleppt wurde. Die Rolle seiner Frau, als sie die Polizei hinzuzog und das
schwierige Verhandeln mit den Entführern selbst. Es ist die Perspektive von außen,
wie sie später in den Medien nachgelesen werden konnte.
Der zweite Teil des Buches berichtet über Reemtsmas Aufenthalt im Keller. Um die
notwendige Distanz zu wahren, schreibt er von sich in der dritten Person. "Er" im
Keller hat mit der Person, die er vorher war und nachher ist, nicht das geringste zu
tun.
Reemstma schildert seinen erzwungenen Aufenthalt, der eine absolute
Extremsituation war, mit einer gedanklichen und sprachlichen Präzision, wie man sie
in Büchern selten findet.
Mit aller Kraft versucht er die immer wieder aufsteigende Panik in Schach zu halten.
In seinem Leben als Wissenschaftler hat er sich theoretisch mit Traumen und den
Folgen von Folter beschäftigt. Die erlebte Todesangst im Keller, das hilflose
Ausgeliefertsein an Entführer, die er nicht einschätzen kann, ist etwas völlig anderes
und mit nichts zu vergleichen. Sein Leben wird von anderen Menschen auf sein Geld
reduziert: it´s just a business - nicht´s weiter.
Es geht ihm nicht um Mitleid oder Lamentieren. Es geht darum, daß durch diesen
Eingriff von außen der innerste Kern der Persönlichkeit eines Menschen angetastet
wurde, und auf irreparable Weise verletzt bleibt. Auch als er viel später der Polizei
dabei behilflich ist, den Keller, in dem er gefangengehalten wurde, zu identifizieren,
stellt sich das erhoffte Erleichtertsein nicht ein. Der Keller ist aus seinem Leben nicht
mehr wegzudenken - nicht einmal mit der größtmöglichen Anstrengung.
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© 3.2.1997 by Manuela Haselberger www.bookinist.de
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