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Alamannenmuseum
in Ellwangen


Römisches Landgut
bei Hechingen/Stein

Germania Magna,
anno 268 n. Chr.

Dominik Weiss - Die Reise des Favonius

Zunächst muß unbedingt gleich zu Anfang die profunde Kenntnis des jungen Autors Dominik Weiss gelobt werden, mit der er seinen Roman "Die Reise des Favonius" geschrieben hat.

Selten erfährt man als Leser das umfassende Gefühl, man wäre beinahe selbst dabeigewesen. Häufig ergehen sich Autoren in belehrenden und im Endeffekt doch nur selbst angelesenen Exkursen über Ess- und Trink, Schlaf- und Sexgewohnheiten der Menschen damaliger Zeiten, die sie wie Inseln in ihren historischen Roman einschleusen. Ein Aufsatz eben, abgegrenzt und alleinstehend vom übrigen Text- und Geschichtenfluß - austauschbar.

Diesen planerischen Baukastenfehler begeht Dominik Weiss nicht; en passent gelingt es ihm über die Welt zwischen Brigantium (Bregenz), Summelocenna (Rottenburg) und Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) zu berichten. Seine Romanfigur Favonius Sannio, ein junger nobilis aus Rom, der vor der Dekadenz der Reichshauptstadt zu entfliehen versucht, macht sich auf eine philosophische Forschungsreise in die nördlichen Provinzen des römischen Reiches, um das Leben der Barbaren zu studieren.

Im heutigen Sinne handelt es sich um einen Aussteiger, einen jungen Nichtstuer, der jahrelang den Worten seines griechischen Lehrers Plotinos in Rom gelauscht hat, und den jetzt Lust und Appetit auf eigene Erfahrungen forttreiben.

Dabei ist Favonius keineswegs ein unüberlegter Abenteuerer oder etwa ein religiöser Spinner: Mit sehr viel innerer Anteilnahme kann der Leser ein Stück Werdegang, ein Stück Entwicklungsgeschichte eines jungen Menschen miterleben, der danach fiebert seine philosophischen und geistigen Erkenntnisse draußen in der rauhen und realen Welt zu probieren und sein theoretisches Wissen am Leben zu verifizieren.

Mit seinem Reisebegleiter Verecundus verschlägt es ihn zu Beginn des Romans in das Auxiliarlager Finis Mundi (dem Ende der Welt) am Bodensee. Eigentlich hat er keine Ambitionen auf den Militärdienst, doch läßt er sich von Verecundus überzeugen an einem Feldzug der Legionäre gegen einen alamannischen Stamm teilzunehmen.

Viele Verirrungen und Verwirrungen auf seinem Weg lassen ihn Einblicke in die ortsansäßigen Machtverhältnisse und das religiöse Leben der Bewohner gewinnen. Er nimmt an einem germanischen Thing teil, an diversen Gastmählern, darunter auch an einer sehr delikaten Festivität zu Ehren des Gottes Bacchus, und kommt mit dem Kult der Pythagoreer in Berührung. ( ... für das Bacchanal ist Weiss allerdings noch zu jung.)

Das wirklich gelungene an dem Roman ist, dass sich Weiss nicht an irgendwelchen bekannten historischen Persönlichkeiten der Zeit festbindet und ihnen irgendwelche Motive für ihr Handeln und ihre Politik in bester schriftstellerischer Manier unterschiebt, sondern er läßt seine Figuren einfach leben und gelegentlich auch sterben. Der Roman hat auch nicht unbedingt einen Anfang und ein Ende, also auch kein schwülstiges Happy End, sondern wirft nur ein Schlaglicht auf die damalige Zeit im Grenzland, aber dieses dafür um so ausgeleuchteter mit vielen wunderbaren Farben und Schattierungen in den Winkeln und Ecken.

Ein handwerklich guter Schreibtrick sind auch die immer wieder in den Roman eingeschobenen Briefe an den römischen Studienfreund Porphyrio, in welchem dieser beinahe Antiheld Favonius sich in philosophischen Abhandlungen und Überlegungen über seine innere Seelenlandschaft ausläßt und damit dem Leser, der diesen Favonius nur über große Strecken äußerlich begleiten durfte, tiefe Einblicke in die Reflexion des Erlebten gewährt.

Wirklich beachtlich, daß ein 24jähriger Autor bereits über eine solche Ausdrucksfähigkeit und Schreibtechnik verfügt. Man kann nur allen seinen Lehrern und vermutlich auch dem Lateinlehrer danken, daß sie soviel bei Dominik Weiss säen konnten.

Vale!

Dominik Weiss - Die Reise des Favonius
1998, München, Limes Verlag, 375 S.,
2000, Droemer/Knaur, 374 S, 8.90 € (TB)

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Lieferbedingungen


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1998-07-31
Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger