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Das Opfer ist diesmal kein Mensch Carlo Fruttero und Franco Lucentini - Der rätselhafte Sinn des Lebens
Mit viel Witz widmet sich das berühmte Turiner Autorenduo der Frage nach dem woher und wohin unseres Lebens. Und, dass sie es auch bei diesem ernsten Thema nicht lassen können, etwas aus der Krimikiste auszupacken, merkt man gleich zu Beginn: Unsere beiden Helden werden von einem Taxifahrer gekidnappt und in einer luxuriösen Villa abgeliefert. Dort sollen sie einen Auftrag übernehmen; doch nicht einmal für eine einzige der legendären Robur-Nougat Aktien lassen sie sich weich kochen. Unbestechlich verfolgen sie ihre neue Aufgabe und werden selbst verfolgt: Die ganze Welt scheint plötzlich scharf darauf zu sein, was denn wohl der Sinn des Lebens ist. Fruttero & Lucentini haben da schon so eine Idee: Auf jeden Fall Griechenland und selbstverständlich nur im Orientexpress ist so eine philosophisch-journalistische Rechechentour stilecht. Also machen sich die beiden auf, um die Spuren dieser heiklen Angelegenheit zu sichern: In Mykene, in Athen und wo sonst anders als natürlich auch beim Orakel von Delphi. Ei, was nehmen sie dabei alles auf die Schippe - bis hin zu den traurigen Erfahrung der russischen Reisegruppe, auf die sie treffen. Doch haben sie Erfolg bei Ihrer Reise? Vielleicht !? Jedenfalls begegnen sie mehrfach unerkannt einer gewissen Mia, auch Minerva, der Tochter des Pythagoras, Göttin der Philosophie, die ihnen jenen eulenhaften Spruch orakelt: "Was aus euch werden soll, wüßte auch ich euch nicht zu sagen. Ich kann euch nur helfen, zu verstehen, wie ihr dahin gekommen seid." Auf 140 Seiten ein überaus kurzweiliges Bändchen, das man wie eine kleine, kostbare Edelpraline auf den heißen Bahnen unserer Zerebrallappen zerfließen lassen und sich am aufsteigenden Dampf philosophischer Anspielungen berauschen kann. Oder, wer es weniger poetisch interpretiert haben möchte: Ein Krimi für Leser/innen, die es nicht bedauern, wenn das Opfer des Romanes ´mal nicht irgendein armer oder reicher Schlucker, dessen Frau oder Freundin, oder ein berühmter Politiker ist, sondern die Vermisste und mit glänzender Detektivarbeit Verfolgte keine geringere als die "Philosophie" selbst ist. Versteht sich von selbst, dass der lesende Beobachter dieser höchst anspruchsvollen kriminologischen Tätigkeit ein wenig mehr mitbringen muss, als der durchschnittliche Splatter-Roman-Leser.
Diese Manöver geben uns schließlich zu denken, so daß wir den unbestimmten Verdacht, den wir in bezug auf den unglücklichen Pastor hegten, nun auf ihn verschieben. Wir tun, unter den betrübten Blicen des Maitre, so, als konzentrierten wir uns ganz darauf, mit Brotstücken unsere Nudelteller blankzuwischen, und beobachten verstohlen den Unbekannten ... Und was für ein Unbekannter! Oho! Die glatten blonden Haare, die dicke Schildpattbrille auf der sommersprossigen Nase, die bleichen Tütenohren, die langen Pferdezähne, die schwarzsilberne Krawatte des Magdalen College von Oxford gehören unverwechselbar zu Philip Campbell-Bannerman, dem Philosophiekorrespondenten der
Times! Campbell-Bannerman muß auch in Italien nicht besonders vorgestellt werden. Er war es doch, der 1957 einer von der Kommission Skefauver übersehenen Spur nachging und aufdeckte, daß in Brooklyn die ganze ontologische Spekulation von der Mafia kontrolliert wurde, der darauf seine Nachforschungen nach Palermo verlegte und einen schändlichen Nahosthandel mit leibnizianischen Monaden auffliegen ließ. | ||
© by Manuela Haselberger rezensiert am 1999-11-14 Quelle: http://www.bookinist.de layout © Thomas Haselberger
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