isbert Haefs, seit langem im Geschäft, hatte mit seinen
beiden historischen Romanen "Hannibal" und "Alexander"
in den vergangenen Jahren großen Erfolg.
Für seine Recherchen zu den einzelnen Romanen sprachen ihm
sogar die Hochschulhistoriker ihren Respekt aus - selbst Hollywood
zeigte sich an einer Drehbuchvorlage interessiert.
Nun veröffentlicht der Heyne Verlag das dritte große
historische Werk von Haefs:
Troja.
Homer verdanken wir die Geschichte vom Untergang Trojas, von Paris
und der schönen Helena und von der Irrfahrt des Helden Odysseus.
Schliemann und Korff wiederum, daß sie uns durch ihre Grabungen
die wahre Stadt Troja aus dem Reich der Fiktion gehoben, und Gisbert
Haefs den zum Roman verarbeiteten Gedanken, daß es sich
hier nicht um eine Weibergeschichte über eine Frau, die ein
gewisser Faust Jahrtausende später noch begehrt, handelt,
sondern um einen Wirtschaftskrimi auf höchster staatlicher
Ebene, wie er sich - so denkt man schlicht - erst in unserer jüngeren
Geschichte ereignet: Machtgelüste und Handelsvorteile, die
zum Krieg führen, den man unter einem anderen Vorwand beginnt.
"Haefs Antike ist kein glatter Marmor, sie lebt, frißt,
grölt, lacht, liebt und verreckt ..." verrät uns
der Schutzumschlag des Buches und das ist dann im Roman auch so.
Lebensnahe, rauhe Männer, die ihre Zoten reißen und
es "sich geben": Kampf, Frauen, Alkohol und philosophische
Unterhaltungen.
Auch mit den unterschiedlichen Zeitebenen 589 v. Chr. und 1188
v. Chr. kommt man als Leser relativ schnell klar, so daß
den Handlungen der Romanfiguren zu folgen, eigentlich ein Genuß
ist.
Wer allerdings kein Assyrologe ist und in seiner Jugend nicht
schon immer gerne Fantasyromane verschlungen hat, für den
wird die detailgenaue Recherchewut des Gisbert Haefs dann zur
Qual, denn er liebt es außerordentlich die Personen und
Nationen, deren viele den damaligen Erdkreis bevölkert haben,
möglichst mit den Originalnamen zu nennen. Kein Wunder,
daß die damaligen Schriftsteller die Geschichte vom babylonischen
Turmbau erfanden:
"Phönikier, wie du sagst, ist euer neuer Name. Wir haben
uns nach unseren Städten genannt - Männer aus Suru oder
Sidunu oder Gublu, für dich Tyros und Sidon und Byblos; oder
einfach Chanani, nach dem Land, Chanaanu." Ahiram blinzelte
ins Fackellicht; als er weitersprach, klang seine Stimme ein wenig
herablassend, vielleicht gönnerhaft. "Was wäre
euer Gespräch ohne mich? Ha. Und Muqannu ist natürlich
Mykene, war aber für die Romet früher der Name des ganzen
Landes, das du als Hellas zu bezeichnen beliebst. Eine Erfindung,
natürlich - Hellas gibt es nicht, ebensowenig wie es ein
Land der Phönikier gibt: nur Städte."
Solon hob abwehrend die Hände. »Langsam, ich bitte euch!
Ich ertrinke in fremden Wörtern und Namen. Und bis jetzt
weiß ich nichts von dem, worauf wir Hellenen stolz sein
könnten, wenn wir es noch wüßten."
Wen-Amun lächelte spöttisch. "Ohne Kenntnisse keine
Erkenntnis, mein Freund. Wie soll ich dir über Dinge aus
dem Land der Ströme berichten, wenn du nicht weißt,
daß jener Fluß, den du Euphrates nennst, bei den Assyrem
Purattu heißt und bei uns Uruttu oder, manchmal, Buranun?
Wie..."
"Gib mir, weiser Fürst aller Priester, einen Rahmen,
in den die fremden Begriffe passen. Wenn ich ungefähr weiß,
worauf sich dies und jenes bezieht, kann ich damit umgehen. Nenn
mir nicht die Namen aller Teile in deiner Sprache, Wen-Amun -
sag mir, daß es sich um Namen der Teile eines Körpers
handelt und mit welchem Teil man hört. Dann höre ich
genauer.«
Ahiram schnaubte, beugte sich vor und klopfte dem Athener auf
die Schulter. "Fuß, sagte er. "Der mit dem du
riechst."
Wen-Amun schwieg ein paar Atemzüge lang; dann begann er eine
sehr allgemein gehaltene Abhandlung über Ägyptens uralte
Kenntnisse ferner Länder und Menschen, "im großen
Grünen und am Rand der Welt".
Wen das nicht schreckt, der sollte zunächst im Anhang des
Buches lesen, in welchem Haefs in kurzen Abrissen den geschichtlichen
Hintergrund beschreibt, mit den Auszügen aus Platons Timaios
und Kritias weitermachen und sich dann die restlichen 494 Seiten
einverleiben.
© manuela haselberger