Lesezitat



  Lesealter: 10 Jahre  




Lesezitat

KUNDSCHAFT FÜR VICTOR

Es war Herbst in der Stadt des Mondes, als Victor zum ersten Mal von Prosper und Bo hörte. Die Sonne spiegelte sich in den Kanälen und überzog die alten Mauern mit Gold, aber der Wind blies eisig vom Meer herüber, als wollte er die Menschen daran erinnern, dass der Winter kam. In den Gassen schmeckte die Luft plötzlich nach Schnee, und die Herbstsonne wärmte nur den Engeln und Drachen hoch oben auf den Dächern die steinernen Flügel.

Das Haus, in dem Victor wohnte und arbeitetet stand dicht an einem Kanal, so dicht, dass das Wasser unten gegen die Mauern schwappte. Manchmal träumte Victor nachts, dass das Haus in den Wellen versank, mitsamt der ganzen Stadt. Dass das Meer den Damm fortspülte, mit dem Venedig am Festland hing wie eine Kiste Gold an einem dünnen Faden, und alles verschluckte: die Häuser und Brücken, Kirchen und Paläste, die die Menschen dem Wasser so frech aufs Gesicht gebaut hatten. S. 7

"Und es sind nlcht unsere Kinder", stellte ihr Mann fest.

Seine spitznasige Frau warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. "Prosper und Bonifazius sind die Söhne meiner verstorbenen Schwester", erklärte sie. "Sie hat die Jungen allein großgezogen. Prosper ist gerade zwölf geworden, Bo ist fünf." S. 10


Lesezitat aus Cornelia Funke - Herr der Diebe


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Herr der Diebe
Cornelia Funke - Herr der Diebe

Es gibt nicht nur in England mit Joanne K. Rowling exzellente Kinderbuchautorinnen. Cornelia Funke gehört unbestritten zu den besten Schriftstellerinnen auf diesem Sektor im deutschsprachigen Raum. Nach ihrem großen Erfolg mit "Drachenreiter" legt sie wieder einen richtig dicken Schmöker mit dem Titel "Herr der Diebe" vor. Ein außergewöhnliches Kinderbuch, das mit einer spannende Geschichte aus Venedig aufwartet, der Stadt der geflügelten Löwen und verwunschenen Plätze, durchzogen von kleinen Kanälen und Wasserstraßen.

Nachdem ihre Mutter gestorben ist, haben sich die beiden Brüder mit den ungewöhnlichen Namen Prosper, 12, und Bo, 5 Jahre, in die Stadt der Gondeln geflüchtet. Sie wollen nicht getrennt werden, denn ihre Tante Esther möchte nur den kleinen niedlichen Bo aufnehmen. Umgehend beauftragt Tante Esther den besten Detektiv der Stadt, Victor Gerz, nach ihnen zu suchen. Zum Glück haben die beiden Jungs das praktische Mädchen Wespe und ihre drei Freunde getroffen. Alle vier hausen in einem alten, verlassenen Kino. Bei ihnen können Prosper und Bo unterschlüpfen.

Anführer der Kinder ist Scipio, der Herr der Diebe, wie er sich selbst nennt. Wenn er abends unangekündigt ins Kino schneit, mit seiner schwarzen Maske und den hochhackigen dunklen Stiefeln, verbreitet er eine Menge Respekt. Kaum einer merkt, dass Scipio kaum älter als zwölf ist. Von seinen Beutezügen versorgt er die Kinder mit Waren, die diese zu guten Preisen wieder verkaufen. Das Geld wird anschließend gerecht aufgeteilt. Doch die Herkunft Scipios ist geheimnisvoll. Wo wohnt er wirklich?

Und dann erhält der Herr der Diebe einen richtigen Auftrag. Er soll einen Holzflügel für eine Karussellfigur wiederbeschaffen. Jetzt wird es gefährlich. Ohne die Hilfe Hilfe der Kinder ist das nicht zu schaffen. Doch der Detektiv Victor hat sich ihnen auf die Fersen geheftet....

"Herr der Diebe" ist eine fantasievolle Geschichte, mit feinen Tuschezeichnungen am Beginn jedes Kapitels von der Autorin persönlich, die im Kinderbuchregal direkt neben Harry Potter einen adäquaten Platz findet.

Lesealter ab 10 Jahren



Cornelia Funke - Herr der Diebe
Illustrationen von der Autorin selbst
© 2000, Hamburg, Dressler, 392 S., 15.90 € (HC)
© 2002, Hamburg, Jumbo Neue Medien, 7 CDs, 29.80 € (HC)
© 2000, Hamburg, Jumbo Neue Medien, 4 Cass., 19.50 € (HC)

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Dank des freundlichen Tons von U.Juettner konnten hier einige Fehler beseitigt werden, die vier Jahre niemanden besonders gestört haben. Und wenn hier Vergleiche zur Autorin von Harry Potter gezogen werden, dann wohl in erster Linie deswegen, weil im Jahr 2000 (Datum der Rezi) der Bekanntheitsgrad von C.Funke dem von J.K. Rowling mit Sicherheit nicht entsprach, was sich im Lauf des Jahres 2004 wahrscheinlich ein klein wenig verändern mag, was mich besonders für die nette Frau Funke freut.     thomas haselberger, webmaster, 22.3.2004



Fortsetzung der Lesezitate ...

Scipio, der Herr der Diebe.

Er war kaum älter als Prosper, obwohl er gern den Erwachsenen spielte, und ein ganzes Stück kleiner als Mosca, selbst mit den hochhackigen Stiefeln, die er immer trug. Viel zu groß waren sie ihm, aber immer auf Hochglanz poliert, schwarze Lederstiefel, schwarz wie die seltsame lange Jacke, ohne die man ihn nie zu Gesicht bekam. Die Schöße reichten ihm bis an die Kniekehlen.

"Weck die anderen!", befahl Scipio in dem herablassenden Ton, den Wespe so hasste. Prosper beachtete ihn einfach nicht. "Mich habt ihr schon geweckt!", brummte Mosca hinter ihnen und richtete sich gähnend zwischen seinen Angelruten auf. "Schläfst du nie, Herr der Diebe?" S. 33

"Wozu braucht man denn das hier?", fragte Wespe und hielt die Rosenzange hoch. "Zupft man sich damit die Haare aus den Nasenlöchern?"

"Herrgottl nein!" Scipio richtete sich auf und nahm ihr die Zange ungnädig aus den Fingern. "Das ist eine Zuckerzange."

"Woher du so was alles bloß weißt!" Riccio musterte Scipio mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid. "Du bist doch im Waisenhaus aufgewachsen, genau wie ich, aber uns haben die Nonnen nie was von Zuckerzangen oder so erzählt." S. 35

Sie rannten fast den ganzen Weg zum Campo Morosini. In den Gassen öffneten schon die ersten Läden, obwohl der Himmel noch dunkel war. Lastkähne schoben sich unter den Brücken hindurch und brachten Lebensmittel in die Stadt, Müllschiffe schafften den Abfall des vergangenen Tages fort. Die Stadt erwachte, aber die drei Jungen merkten es kaum. Während sie durch die dunklen Gassen rannten, malten sie sich tausend Dinge aus, die Bo und Wespe zugestoßen sein konnten und je näher sie dem Campo Morosini kamen, desto furchtbarer wurden die Bilder. Schwer atmend erreichten sie das Denkmal, den Mann mit dem Bücherstapel hinter sich, Niccolò Tommaseo hieß er, aber in der Stadt nannte man ihn nur den Cagalibri, den Bücherscheißer. S. 247

Es war eine dunkle Nacht. Immer wieder verschwand der Mond hinter den Wolken. Obwohl Scipio seinem Vater eine Seekarte gestohlen hatte, nach der sie sich richten konnten, kamen sie zweimal vom Weg ab. Beim ersten Mal brachte sie der Anblick der Friedhofsinsel auf den richtigen Kurs zurück, und als Murano aus der Nacht auftauchte, wussten sie, dass sie zu weit nach Westen gefahren waren. Dann endlich, als sie schon so durchgefroren waren, dass sie kaum noch ihre Finger spürten, tauchte aus der Nacht die Mauer der Isola Segreta auf, bleichgrau vom Laternenlicht. Die steinernen Engel blickten zu ihnen herüber, als hätten sie sie erwartet.

Scipio drosselte den Motor. Das Boot des Conte schaukelte mit eingezogenem Segel am Steg, und Prosper hörte die Hunde anschlagen.

"Was nun?", flüsterte er Scipio zu. "Wie willst du an den Doggen vorbeikommen?"

"Meinst du ich bin so verrückt über das Tor zu klettern?" antwortete Scipio leise. "Wir versuchen es auf der Rückseite." S. 287


Lesezitate aus Cornelia Funke - Der Herr der Diebe


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1.Mai 2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger