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Der König der Kloaken "Clare Clark - Der Vermesser"
ut, dass Bücher keinen Geruch haben, zumindest keinen, der ihren Inhalt widerspiegelt, denn ganz ehrlich: dieser Roman, "Der Vermesser" würde bestialisch stinken. Schauplatz der Handlung ist das Abwasser-Kanalsystem Londons im 19. Jahrhundert - eine Kloake.
Für zwei Männer jedoch ist dieser Ort so etwas wie ihr Zuhause. William May arbeitet im staatlichen Vermessungsamt als Ingenieur und ist damit beauftragt, laufend das Kanalsystem zu überprüfen. Der langarmige Tom hingegen verdient seinen Lebensunterhalt damit, als Kanaljäger Ratten in den unterirdischen Gängen einzusammeln und sie an Gastwirte meistbietend zu verhökern. Abends finden in den Spelunken dann Wettkämpfe zwischen Ratten und Hunden statt. Wenn ein Hund eine bestimmte Anzahl von Ratten, so um die zwanzig, in einer Minute tötet, dann hat sein Besitzer mit den Wetten eine Menge Geld verdient.
William, der, seit er aus dem Krimkrieg zurück ist, schwer traumatisiert ist, findet bei seiner jungen Frau und dem kleinen Sohn kaum Ruhe. Nur wenn er allein in den Kanal hinabsteigt, geht es ihm besser.
"Aber hier unten, in der völligen Dunkelheit, unter den Rädern, den Hufen und den Nagelschuhen, wo er knietief in den Ausscheidungen der größten Stadt auf Erden stand, fand Williams Geist Freiheit. Hier, wo es kein Leben gab, keine Wärme, nichts als den Ekel erregenden Fäkaliengestank - hier fand sein Geist seinen Sauerstoff."
In seiner Behörde bahnt sich, während William, der "König der Kloaken", noch mit seinen Kriegsblessuren beschäftigt ist, ein unglaublicher Fall von Korruption an. Dann gibt es einen Toten und William wird der Verdacht untergeschoben, da er nicht gewillt ist, sich an den Schiebereien zu beteiligen. Um seine Unschuld zu beweisen, ist er auf die Hilfe eines Mannes angewiesen, der sich ebenfalls in den unterirdischen Gängen heimisch fühlt - hierfür kommt nur der langarmige Tom in Frage.
"Der Vermesser" ist ein glänzender, historischer Kriminalroman, wobei der Schwerpunkt deutlich auf der genauen Darstellung der geschichtlichen Gegebenheiten liegt. Clare Clark schreibt so anschaulich, dass man als Leser meint, tatsächlich im unterirdischen London mit der Lampe unterwegs zu sein. Diese ausgezeichnete Qualität trug dem Roman die Nominierung für den begehrten Orange Prize ein. Völlig zu Recht.
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© 20.12.2005 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |