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Die schönsten Jahre

Ich bin einmal, nur ein einziges Mal mit meiner Mutter zusammen verreist. Da war sie achtzig Jahre alt und noch sehr gerade, sehr energisch und tatkräftig, und ich war fünfundvierzig und hatte Rückenschmerzen, fühlte mich ziemlich alt und war alles andere als zufrieden mit meinem Leben. Meine Mutter lebte in einer ordentlichen Wohnung in einer Kleinstadt im Süden und ich in einer unordentlichen in einer Großstadt im Norden. Als sie älter wurde, besuchte ich sie öfter - notgedrungen, denn wir verstanden uns nicht besonders gut. Aber ich dachte, sie würde mich vielleicht brauchen, müßte doch in diesem Alter allmählich schwächer schusseliger und vergeßlicher werden, und so reiste ich alle paar Monate an, um irgend etwas bei Behörden für sie zu erledigen, den Großeinkauf mit dem Auto bei Aldi zu machen, auf die Leiter zu steigen, die Gardinen abzunehmen und zu waschen, im Frühling den Balkon zu bepflanzen und im Herbst alles zurückzuschneiden und die Töpfe in den Keller zu tragen - was man eben so macht als einzige Tochter aus Pflichtgefühl, nicht unbedingt aus Liebe. Und immer kam es mir so vor .... S. 7


Lesezitat nach Elke Heidenreich - Der Welt den Rücken




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© 2002



Glück ist Sonne auf der Hoteltapete
Elke Heidenreich - Der Welt den Rücken

och ist es Elke Heidenreich nicht gelungen, ihre Leser mit einem richtig dicken Roman zu überraschen. Doch ihre sieben neuen Erzählungen mit dem Titel "Der Welt den Rücken" sind auch nicht ohne.

Den Lieblingsspruch kennt man bereits aus dem gleichnamigen Buch "Sonst noch was" und das komplizierte Verhältnis zu ihr beschäftigt die Autorin weiter. Gleich ihre erste Geschichte, "Die schönsten Jahre", gehört zu den stärksten dieses Bandes.

Die Mutter ist achtzig Jahre, als sie zum ersten Mal mit ihrer Tochter nach Mailand fährt. Die beiden schaffen es kaum, ein vernünftiges Wort miteinander zu reden, ohne dass eine von ihnen in die Luft geht. Doch die Tochter muss das Trauma ihrer Kindheit endlich klären, muss es wissen und also fragt sie, warum sie als Kind von der Mutter so entsetzlich geschlagen wurde. Die Mutter antwortet mit Ausflüchten, hat das Ganze verdrängt, bis sie schließlich zur Wahrheit kommt.... "Die Zeit heilt nicht alle Wunden, die Zeit ist die Wunde."

Elke Heidenreich erzählt lakonisch, in Blitzlicht - Aufnahmen. Ihre Geschichten handeln vom bedeutsamen ersten Mal und wie schwierig es ist, den Richtigen dazu auszusuchen.

Oder die fünfzigste Geburtstagsfeier des Senders. Einfach herrlich eingefangen. Insider erkennen schnell den linken, frustrierten Literatur-Redakteur, der seine Tage in Irland verbringt, oder den kritischen Journalisten, der in seinen engagierten Umweltreportagen zu viel Religion verpackt hat und abserviert wurde. Eine nette Truppe, die hier feiert.

Es sind Alltagsaufnahmen, teils schmerzlich, teils fangen sie das kleine Glück ein, wenn die Sonne auf die Hoteltapete scheint, oder sie berichten vom großen Kummer, der bedeutet, "wer mehr als ein Leben lebt, auch mehr als einen Tod sterben muss." © manuela haselberger


Elke Heidenreich




Elke Heidenreich - Der Welt den Rücken
© 2001, München, Hanser, 191 S. / 15.90 € (HC)
© 2001, München, Hanser, 191 S. / 15.90 € (TB)
© 2001, München, kein & aber, 2 CDs, / 19.90 € (CD)CD Audiobook
© 2002, München, Saur, 18.90 € (GROSSDRUCK)



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Fortsetzung des Lesezitats ...

Der Tag, als Boris Becker ging

Am 30. Juni 1999 spielte Boris Becker zum letzten Mal in Wimbledon. Er verlor und dann sagte er:
"Es war Zeit zu gehen" und "Es ist gut, daß es vorbei ist".

Wir hatten mit diesem Tag gerechnet und waren doch verstört und fassungslos, als er kam. Nie wieder unser Boris! Die meisten von uns interessierten sich überhaupt nicht für Sport, schon gar nicht für Tennis. "Fünfundfünfzig Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg", sagte Wenzel immer "und ich soll mich dafür interessieren, wer Dritter auf der Tennisweltrangliste ist? Leckt mich doch."

Wir ließen eigentlich nur Fußball als Sport des Volkes gelten, und die Fußball-WM wurde in unserer Stammkneipe immer komplett übertragen und mit horrenden Wetten begleitet. Aber Boris Becker dieser rothaarige Junge mit den hellen Augen und den hellen Wimpern, der irgendwann plötzlich im Tennis aufgetaucht war, ein pummeliges Kerlchen, linkisch und scheinbar nicht besonders helle und auch nicht das klassische Reiche-Leute-Tenniskind in weißen Söckchen, dieser Boris Becker hatte uns im Laufe der Jahre alle fasziniert. Wir waren dabeigewesen, als er ein Sieger, ein Mann wurde, attraktiv; selbstbewußt, elegant und souverän. Wir haben triumphiert, als ausgerechnet er, der Blondeste der Teutonen, eine farbige Frau heiratete. Wir liebten seinen Jubel, und wir litten mit ihm, wenn er den Schläger verzweifelt auf den Rasen schmiß und "Scheiße!" schrie, und weil er ins Internet ging, gingen wir auch rein. Es brach uns fast das Herz, daß wir ihn nun nie wieder sehen würden, zumindest nie wieder in kurzen Hosen, rennend und mit vor Wut oder Freude geballten Fäusten, denn: "Im nächsten Jahr bin ich wieder da, aber dann mit Anzug und Krawatte" - das hatte er auch noch gesagt. Und jetzt trat er ab, weil er wußte, dass es Zeit war, und wir, alt geworden mit ihm, noch älter, saßen noch immer da, wo wir immer gesessen hatten. Wir hatten ihn damals unter uns aufgenommen, hatten gemeinsame Jahre mit ihm verbracht, und nun gingim ging er einfach weiter und ließ uns zurück. Wir fühlten uns, wie Eltern sich fühlen, wenn die Kinder endgültig das Haus verlassen und unsichtbar an die Tür schreiben: "Jetzt seid ihr alt."

Es war ein schwüler, langweiliger bleierner Tag. Ein Donnertag. In der Luft lag ein Gewitter. Ich radelte mit ein paar Blumen aus dem Garten zum Grab meiner Mutter, warf die alten Blumen weg, stellte die frischen hin und bat sie um Entschuldigung, mal wieder, für alles. Sie antwortete nicht, wie immer dabei hätte es noch so vieles zu bereden gegeben. Aber wir hatten es verpaßt, und nun lag sie zu Asche verbrannt in ihrer schwarzen Urne Terra nera für 685 Mark unter den weißen Rosen, dem Lavendel, den Hornveilchen, die wir ihr gepflanzt hatten, und schwieg. Ich wußte, daß sie Boris Becker an diesem letzten Tag bestimmt gern noch zugesehen hätte, sie mochte ihn auch und kaufte alle Zeitungen, in denen etwas über ihn stand. Und sie hätte sich in diesen Tagen aufgeregt über das Todesurteil für Öcalan, denn auch der hatte ihr gefallen. "Halunke", sagte sie, "aber recht hat er doch, die Kurden werden seit Jahrhunderten verraten, von allen, am meisten von den Türken. Was sagst du dazu?" Ich sagte, daß ich da nicht so richtig durchblickte, und sie seufzte, wie so oft: "Für was haben wir dich studieren lassen."

Sie war so wach und aufmerksam und kritisch gewesen, bis zuletzt, bis zum ersten Schlaganfall, der ihr das halbe Hirn lahmlegte, ehe der zweite dann eine hilflose Greisin aus ihr machte, von einem Tag auf den anderen. Das war noch nicht lange her ich hatte es noch nicht begriffen, hatte mich noch nicht von dem Schreck erholt, wie schwer Sterben war wie schwer dabei zuzusehen, und eigentlich betrank ich mich jeden Abend, um halbwegs durch die Nacht zu kommen. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Die Zeit ist die Wunde.

Auch an diesem Abend radelte ich in unsere Stammkneipe, über deren Eingang in grüner Neonschrift leuchtete: "Schafft alles ab!" und neben der Tür stand rechts an der Wand ein altes, aufgesprühtes Graffito: "Kamf dem Faschismus!" Das p hatte der Sprayer vergessen, aber was ist schließlich ein bißchen Rechtschreibung gegen die richtige Gesinnung. S. 75-77



Ich bestellte mir noch ein Bier und einen Schnaps und ich dachte, was für ein Haufen Desperados wir doch waren. Wir warteten darauf, daß sich etwas veränderte, und ich glaube, daß die Veränderung auch schon oft still mitten unter uns gestanden hatte und wir hatten sie einfach nicht bemerkt und sie war weitergegangen. Für Boris Becker sollte sich jetzt alles ändern, das hatte er jedenfalls so beschlossen, ich beneidete ihn darum und ich hätte was darum gegeben zu wissen, was wohl Boris Becker gerade jetzt, in diesem Augenblick, machte, ob es einfach war, von einem Leben in ein anderes zu wechseln, und ob er wohl auch manchmal daran dachte, daß, wer mehr als ein Leben lebt, auch mehr als einen Tod sterben muß. S. 94

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© 13.11.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de