Lesezitat


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Lesezitat

In meiner Ansprache bei der Beerdigung von Lotte Inden erzählte ich, was sie zu mir gesagt hatte, als ich für sie zu arbeiten begann.
"Ich habe nicht genug Zeit, sehr anständig und höflich zu dir zu sein", hatte sie gesagt, "verzeih mir also bitte im voraus meine Grobheiten." Was sie danach gesagt hatte, verschwieg ich: "Und wenn du das nicht abkannst, mußt du gehen."
Hinterher sprach mich einer ihrer Brüder an und sagte, sie habe nie Zeit gehabt, Zeit sei das einzige gewesen, womit sie in ihrem Leben gegeizt habe, er habe sie seit der Kindheit nicht anders gekannt.
"Meine Zeit ist mein Leben", habe sie zu ihm gesagt.
Solche Sätze habe ich später in ihren Papieren wiedergefunden. Es stimmt auch, daß sie ansonsten mit nichts gegeizt hat. Sie wie ihre Freunde waren die großzügigsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Als ich sie einmal nach einer Erklärung für dieses Maß an Großzügigkeit fragte, sagte sie, das sei doch logisch, geizige Menschen könnten niemals gute Schriftsteller sein, nie. S. 5


Lesezitat nach Connie Palmen - Die Erbschaft


Bookinists Buchtipp zu


I.M. Ischa Meijer.
In Margine. In Memoriam.

von Connie Palmen



Ante - mortem Kummer
von Beruf: Leser
Connie Palmen - Die Erbschaft

ür Max ist das Zusammentreffen mit der Schriftstellerin Lotte Inden ein wahrer Glücksfall. Schon seit seiner Jugend hat er sich nichts anderes als den Beruf des Lesers gewünscht. Und vordergründig scheint er bei seinem neuen Job auf seine Kosten zu kommen. Ein passionierter Leser und eine erfolgreiche Autorin - eine ideale Kombination.

Doch Lotte Inden ist krank, unheilbar krank, das sagt sie gleich beim ersten Treffen der beiden. Noch ist es die Aufgabe von Max, ihr die wichtigsten Sekretariatsarbeiten vom Hals zu halten und ihr bei ihrem großen Roman, den sie im Kopf mit sich herumträgt, behilflich zu sein. Später wird er pflegerische Dienste übernehmen müssen. Aus einer umfassenden Bibliothek erstellt Max für Lotte Destillate aus Zitaten und Stichworten. "Jeder Kopf ist ein Archiv, und jeder Körper birgt Erinnerungen. Wir waren nie allein auf der Welt. Wir waren stets von anderen umgeben, die sich eingenistet haben mit ihren Worten, ihren Berührungen, ihren Dummheiten und ihrer Weisheit, mit ihren mitleidsvollen und strafenden Blicken im Gedächtnis unseres Gehirns, unserer Haut und unserer Organe."

In langen Gesprächen vermittelt Lotte die Quintessenz ihres Denkens. "Das ganze Leben ist nichts als "Ante-mortem-Kummer, Max." Sie hat keine Zeit mehr für Höflichkeiten, ihr Ton ist ungeduldig, radikal. Die Krankheit schreitet fort und immer häufiger versagen die Muskeln Lotte ihren Dienst.

Am schönsten ist Conni Palmens Buch "Die Erbschaft", wenn sie Lotte über die Welt der Bücher und die Aufgabe der Schriftsteller philosophieren lässt. "Jeder ist so verlassen, aber die Schriftsteller schreiben darüber und heben dadurch die manchmal für eine kleine Weile die Verlassenheit der anderen auf, aber dafür bezahlen sie mit ihrer Absonderung und einer Verlassenheit, die von Zeit zu Zeit größer ist als die derer, denen sie sich mitteilen."

Auch wenn die Konstruktion des Romans, beispielsweise werden einzelne Stichworte zu "Brüdern" wie in einem Zettelkasten abgearbeitet, etwas unfertig und unausgegoren wirkt, so machen die kleinen Perlen, die Connie Palmen für ihre Leser versteckt hat, diesen Mangel wieder wett. Der Erzählton, der in ihrem letzten Buch "I. M." voller Leidenschaft und Intensität war, ist hier unterkühlt und nüchtern. Auch der bevorstehende Tod ändert daran nichts.

"Die Erbschaft" gehört nicht zu den herausragenden Veröffentlichungen Connie Palmens, doch dieser kurze Roman verdichtet auf knapp 150 Seiten ein ganzes Leben mit einer Menge kluger Einsichten. Und das wiederum schaffen nur die besten Autoren. © manuela haselberger

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Connie Palmen - Die Erbschaft
Originaltitel: De Erfenis, © 1999
Übersetzt von Hanni Ehlers
© 2001, Zürich, Diogenes Verlag, 149 S., 16.90 € (HC)
© 2003, Zürich, Diogenes, S. 371, 9.90 € (TB)
© 2001, Hamburg, Hörbuch - Verlag, 3 CDs, 22.00 € (CD)
© 2001, Hamburg, Hörbuch - Verlag, 3 Cass, 22.00 € (MC)














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Taschenbuch:


Die Gesetze

© 1995


Die Freundschaft

© 1998


I.M. Ischa Meijer.
In Margine. In Memoriam.


© 1999

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© 20.5.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de