Das Lenkrad fest umklammert, jagte Erica den Geländewagen über den Feldweg, wich Buckeln aus, rumpelte durch Schlag-löcher. Neben ihr saß, aschfahl und verschreckt, ihr Assistent Luke, Mitte zwanzig, der nach bestandenem Examen jetzt an seiner Dissertation arbeitete. Luke hatte das lange blonde Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck Archäologen stehen auf ältere Semester.
"Soll wüst aussehen, Dr. Tyler", sagte er jetzt, als Erica die gewundene Zufahrtsstraße hinaufpreschte. "Angeblich ist der Swimmingpool in der Versenkung verschwunden, einfach so." Er schnippte mit den Fingern. "In den Nachrichten hieß es, die Doline zieht sich über die gesamte Länge der Mesa, das heißt, sie verläuft unterhalb der Villen von Filmstars, auch der von diesem Rocksänger, der im Fernsehen war, und von dem Baseballspieler, der letztes Jahr sämtliche Runs für sich verbucht hat, und von einem berühmten Schönheitschirurgen. Unter ihren Häusern. Sie können sich vorstellen, was das bedeutet. "
Erica war nicht sicher, was das bedeutete. Ihre Gedanken drehten sich nur um eins: die erstaunliche Entdeckung, die damit einherging.
Zur Zeit des Unglücks hatte sie an einem staatlichen Projekt oben im Norden gearbeitet. Das Erdbeben vor zwei Tagen .... S. 7
Vor zweitausend Jahren
Marimi verfolgte die Bewegungen der Tänzer in der Mitte des Kreises und sagte sich, dass die heutige Nacht von Zauber erfüllt sein würde.
Sie konnte den Zauber bereits in ihren Fingern spüren, die geschickt die ovale Unterlage für das bald zu erwartende Baby flochten, die zarten Weidenzweige kreuzweise miteinander verwoben; die Oberfläche würde noch mit Rehleder bezogen und über dem Kopf des Neugeborenen ein geflochtener Sonnenschutz angebracht werden. Sie konnte den Zauber in ihrem Leib spüren, in dem sich neues Leben regte, ihr erstes Kind, das sie im Frühjahr erwartete. Sie sah den Zauber in den geschmeidigen Gliedern ihres jungen Ehemanns, der tanzend die diesjährige Piniennussernte feierte, ein gut aussehender, sehr männlich wirkender Jäger, der sie in die Ekstase körperlicher Liebe zwischen Mann und Frau eingeführt hatte. Marimi hörte Zauber im Lachen der Männer, ob sie nun tanzten oder spielten oder Geschichten erzählten und dabei ihre Tonpfeifen rauchten; sie hörte es in den Weisen der Musikanten, die ihre aus hohlen Vogelknochen gefertigten Pfeifen und Flöten aus Holunderholz erklingen ließen; Zauber lag auch im munteren Plappern der Frauen, die im Schein der vielen Lagerfeuer ihre hübschen Körbe flochten; im Geschrei der Kinder, die Reifen- und Stockspiele veranstalteten oder Ring ... S. 35
Eine "Geisternacht" nannte es ihre Mutter, wenn die Geister der Vorfahren von den Seelen der Bäume und Felsen und Flüsse angerufen wurden, um das Einssein aller Dinge zu feiern. Für Marimi eine Zeit überwältigender Freude, eine schöne, eine besondere Nacht.
Nur dass sich in ihre Freude über diese festlich begangene Nacht unversehens Angst einschlich.
Auf der anderen Seite des großen Kreises, um den die Familien den Tänzern zusahen, war ein schwarzes Augenpaar fest auf sie gerichtet: die alte Opaka, die Schamanin des Clans, prächtig anzuschauen in ihrem rehledernen Gewand und geschmückt mit Perlen und kostbaren Adlerfedern. Marimi erschauerte unter dem durchdringenden Blick, und die feinen Härchen auf ihrer Haut richteten sich auf. Opaka verschreckte jeden, selbst die Häuptlinge und Jäger, mit ihrem reichen und geheimnisvollen Zauberwissen, weil sie mit den Göttern sprach, weil sie als Einzige des gesamten Clans das Geheimnis kannte, mit der Sonne und dem Mond und allen Erdgeistern zu kommunizieren und deren Macht zu beschwören.
Gewöhnliche Menschen waren nicht in der Lage, zu den Göttern zu sprechen. Wenn ein Mitglied des Clans bei den Göttern einen Gunstbeweis erflehen wollte, musste ein Schamane eingeschaltet werden. Ob sich eine unfruchtbare Frau ein Kind wünschte oder eine ältliche Jungfer einen Ehemann, ob die Geschicklichkeit eines in die Jahre gekommenen Jägers schwand oder ob eine Großmutter nicht mehr fingerfertig genug zum Flechten von Körben war, ob eine Schwangere Schutz vor dem bösen Blick suchte, ein Vater sich fragte, ob .... S. 36
Rancho Paloma hatte sich zu einer riesigen Hacienda entwickelt, stellte jetzt einen Wirtschaftsbetrieb dar, der unzählige Arbeiter beschäftigte und neben Ackerbau und Viehzucht auch andere Bereiche umfasste. Navarro hatte sich an das in der Hochzeitsnacht gegebene Versprechen gehalten und es zu Wohlstand gebracht. Auch das Dorf Los Angeles erlebte einen Aufschwung. Überall gab es jetzt Farmen mit Obstplantagen, Grünflächen und Weingärten. Neben der Rancho Paloma waren andere Ranchos entstanden: La Brea, La Cienegas, San Vicente und Santa Monica. Und weiter entfernt größere wie Los Palos Verdes, San Pedro, Los Felis - Hunderttausende deren Besitzer so berühmte Namen wie Dominguez, Sepúlveda oder Verdugo trugen. Die Zahl der Einwohner des Pueblos war auf nahezu achthundert angewachsen. S. 326
Sie brauchte keine Tricks. Die Geister, die ihr erschienen, waren weder Sinnestäuschungen noch die Auswüchse von Scharlatanen oder Hokuspokus - wie Sister Sarah versicherte. Sie hatte nichts zu verbergen und hieß jeden in ihrer Kirche der Geister in Topanga willkommen, der ihren Seancen mit wissenschaftlicher Genauigkeit auf den Grund gehen und sie widerlegen wollte. Und so erschienen die Zweifler und Skeptiker mit Fotoapparaten, Tonbandgeräten, Wärmesensoren und Bewegungsdetektoren, ja mit den neuesten wissenschaftlichen Apparaturen, um ihr auf die Schliche zu kommen. Jedoch ohne Erfolg. Psychiater und Geistliche erklärten, die Erscheinungen seien das Produkt einer Massenhysterie, die Leute sähen eben das, was sie sehen wollten. Und Sister Sarah bestand darauf, dass ihre Geister real seien und sie selbst das menschliche Medium, mit dessen Hilfe sie aus dem Reich des Jenseits in das der Lebenden traten.
Erica klebte vor dem kleinen Fernseher in Jareds Wohnmobil. Als sie den Dokumentarfilm über die Spiritisten aus dem Jahr 1920 entdeckt hatte, konnte sie nicht ahnen, auf was für eine Goldgrube sie da gestoßen war: seltenes Archivmaterial über Sister Sarahs Predigten, bei denen sechstausend Menschen in Ekstase gerieten, wenn sich die verstorbenen Liebsten vor ihren Augen materialisierten. S. 477
Lesezitate nach Barbara Wood - Himmelsfeuer