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2002



Der Richter
John Grisham - Der Richter

eider birgt einer der vorderen Plätze auf der SPIEGEL Bestsellerliste nicht zwingend auch den Anspruch auf gute oder spannende Unterhaltung. Darum eine deutliche Warnung: Langweiliger als in seinem neuen Thriller "Der Richter" hat John Grisham nie geschrieben.

Dabei ist der Ausgangspunkt der Handlung gar nicht schlecht gewählt. Der alte Richter Atlee ist an Krebs erkrankt und bittet seine beiden Söhne zu sich. Ray, der als angesehener Professor an einer Universität in Virginia sein Auskommen hat und froh ist, dem strengen Vater entkommen zu sein, entschließt sich schweren Herzens seinem Wunsch zu folgen. Sein Bruder Forrest, alkohol- und drogenabhängig, war schon immer das schwarze Schaf der Familie, sagt seinen Besuch auch zähneknirschend zu. Doch als Ray am Familiensitz eintrifft, findet er seinen Vater tot vor. Und bei einer kurzen Inspektion des Hauses macht er eine unglaublichen Fund: Er entdeckt mehr als drei Millionen Dollar, sorgfältig in Kartons verpackt. Wer weiß außer ihm von diesem Geld? Im Testament ist es nicht erwähnt. Soll er dieses Vermögen mit seinem Bruder, der es mit Sicherheit sofort in Drogen umsetzen wird, teilen? Für Ray beginnt eine tagelange Odyssee mit einer Menge Geld im Kofferraum. Trügt ihn sein Gefühl, oder wird er tatsächlich verfolgt?

Diesen kurzen Handlungsstrang stellt Grisham tatsächlich sehr ausführlich auf dreihundert Seiten dar. Bei einem Buch mit insgesamt vierhundert Seiten ein Kunststück. Erst zum Ende hin gewinnt der Roman an Fahrt, doch es liest sich schon sehr bemüht und angestrengt. Der Autor kommt hier einfach nicht aus den Puschen. Als Leser spürt man, dass er mehr gewollt hat, als er letztendlich aufs Papier brachte. Dass er mehr kann, ist hinlänglich bekannt.

Wärmstens empfehlen kann man diesen zahmen Krimi allenfalls Lesern, die unter Schlafstörungen leiden - die Wirkung setzt sofort ein, garantiert ohne medizinisch schädliche Nebenwirkungen. © manuela haselberger


John Grisham - Der Richter
Originaltitel: The Summons, © 2002
Übersetzt von Heiner Friedlich, Dr. Bernhard Liesen, Bea Reiter und Kristiana Ruhl

© 2002, München, Heyne Verlag, 413 S., 24 € (HC)






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Da der Richter fast achtzig Jahre alt war und der modernen Technik misstraute, kam sein Brief auf dem guten alten Postweg. Für E-Mails oder Sendungen per Fax hatte der greise Mann nichts übrig. Einen Anrufbeantworter benutzte er nicht; selbst das Telefon war ihm immer unsympathisch gewesen. Seine Briefe tippte er im Zwei-Finger-Suchsystem auf einer altersschwachen Underwood-Schreibmaschine, die auf einem ebenfalls betagten Sekretär mit Rollverschluss thronte. An der Wand dahinter hing ein Porträt von Nathan Bedford Forrest. Der Großvater des Richters hatte im Amerikanischen Bürgerkrieg mit Forrest in der Schlacht von Shiloh und vielen anderen Orten im tiefen Süden gekämpft, und es gab keine historische Persönlichkeit, die der Richter mehr verehrte. Zweiunddreißig Jahre lang hatte er sich ohne weitere Begründung standhaft geweigert, am 13. Juli, Forrests Geburtstag, seinen Amtsgeschäften nachzukommen.

Mit dem Brief des Richters kamen ein weiteres persönliches Schreiben, eine Zeitschrift sowie zwei Rechnungen. Alle Sendungen waren wie üblich in Professor Ray Atlees Postfach in der juristischen Fakultät deponiert worden. Solange Ray zurückdenken konnte, waren Kuverts wie dieses ein Teil seines Lebens gewesen, und folglich wusste er sofort Bescheid. Der Absender war sein Vater, den auch er nur »den Richter« nannte.

Weil er unschlüssig war, ob er den Brief sofort öffnen oder noch etwas warten sollte, betrachtete Professor Atlee das Kuvert einen Augenblick lang. Gute Nachrichten oder schlechte? Bei seinem Vater konnte man das nie wissen, auch wenn der alte Mann todkrank war und gute Nachrichten selten geworden waren. Der dünne Umschlag schien nur einen Briefbogen zu enthalten, aber auch das war nichts Ungewöhnliches. Obwohl der alte Atlee einst wegen seiner wortreichen Strafpredigten bei Gericht bekannt gewesen war, ging er in schriftlicher Form äußerst sparsam mit Wörtern um.
Sicher war, dass es sich um einen Brief von einigermaßen wichtiger Natur handelte. Der Richter hasste Small-talk, Tratsch und müßiges Geschwätz, gleichgültig ob mündlich oder schriftlich. Wenn man mit ihm auf der Veranda Eistee trank, wurde der Amerikanische Bürgerkrieg rekapituliert, vornehmlich die Schlacht von Shiloh. Stets gab der Alte General Pierre G. T. Beauregard die Schuld an der Niederlage der Konföderierten, weil der sich seiner Ansicht nach zu fein gewesen war, sich die blank gewienerten Stiefel schmutzig zu machen. Sollte der Richter den General zufällig im Himmel treffen, würde er ihn selbst dort noch hassen.

Denn schon bald würde der alte Atlee nicht mehr unter den Lebenden weilen. Er war neunundsiebzig Jahre alt, hatte Magenkrebs, war übergewichtig und Diabetiker und rauchte unablässig Pfeife. Dazu kamen ein schwaches Herz, das bereits drei Infarkten getrotzt hatte, und eine Reihe weniger schwerer Leiden, die ihn schon seit zwanzig Jahren quälten und sich jetzt anschickten, seinem Leben ein Ende zu machen. Die Schmerzen gönnten ihm keine Ruhepause mehr. Vor drei Wochen, bei ihrem letzten Telefonat, das auf Rays Initiative zustande gekommen war, weil der alte Mann Ferngespräche für Geldschneiderei hielt, hatte die Stimme des Richters schwach und arg mitgenommen geklungen. Das Gespräch hatte keine zwei Minuten gedauert.

Die Absenderangabe war mit Goldprägung auf das Kuvert gedruckt: Chancellor Reuben V. Atlee, 25. Chancery District, Ford County, Gerichtsgebäude, Clanton, Mississippi. Nachdem er den Umschlag in die Zeitschrift geschoben hatte, setzte sich Ray in Bewegung. Mittlerweile war sein Vater nicht mehr Vorsitzender Richter des Chancery Courts, eines Gerichts für Zivilsachen. Vor neun Jahren hatten ihn die Wähler in Pension geschickt, und von dieser bitteren Niederlage würde sich der alte Atlee nie erholen. Zweiunddreißig Jahre lang hatte er gewissenhaft seine Pflicht erfüllt - und dann jagten ihn die Wähler aus dem Amt und gaben einem jüngeren Kandidaten, der mit Wahlkampfspots im Radio und im Fernsehen für sich geworben hatte, den Vorzug. Der Richter hatte sich geweigert, ebenfalls eine Wahlkampagne zu führen, und behauptet, durch seine Arbeit zu sehr in Anspruch genommen zu sein. Außerdem verließ er sich darauf, dass ihn die Menschen kannten. Wenn sie ihn also erneut wählen wollten, würden sie das auch tun. Vielen erschien diese Strategie damals als arrogant. In Ford County ging seine Rechnung auf, doch in den anderen fünf Landkreisen musste er vernichtende Niederlagen einstecken.

Bis man den alten Atlee dazu gebracht hatte, endlich sein Büro im zweiten Stock des Gerichtsgebäudes zu räumen, gingen drei volle Jahre ins Land. Das Büro hatte ein Feuer überdauert und war bei zwei Renovierungen des Gebäudes nicht berücksichtigt worden, da der Richter sich weigerte, Anstreicher oder Handwerker in sein Refugium zu lassen. Erst als die County-Offiziellen ihm klar machten, dass er das Büro verlassen oder im Zuge einer Zwangsräumung mit dem Rauswurf rechnen musste, packte der Richter endlich seine Sachen. Nachdem er mittlerweile nutzlos gewordene Akten aus drei Jahrzehnten, Notizen und verstaubte alte Bücher in Pappkartons verstaut und damit in sein Haus transportiert hatte, stapelte er sie in seinem Arbeitszimmer. Als dort kein Platz mehr war, benutzte er den Flur zum Esszimmer und sogar die Diele.

Ray nickte einem im Korridor sitzenden Studenten zu und sprach vor seinem Büro kurz mit einem Kollegen. Dann trat er ein, verschloss die Tür und legte die Post auf seinen Schreibtisch. Nachdem er das Jackett ausgezogen und an einen Haken an der Tür gehängt hatte, stieg er über einen Stapel dicker juristischer Fachbücher, die ihm schon seit über einem halben Jahr im Weg lagen. Dabei wiederholte er seinen täglichen Schwur, endlich sein Büro aufzuräumen.

Der Raum war etwa sechzehn Quadratmeter groß. Es gab einen kleinen Schreibtisch und ein kleines Sofa, und auf beiden stapelte sich genügend unerledigte Arbeit, um Ray als einen sehr beschäftigten Mann erscheinen zu lassen. Doch das war er nicht. Im Sommersemester lehrte er lediglich über einen Paragrafen des Kartellrechts. Außerdem sollte er ein Buch schreiben, einen weiteren langweiligen, weitschweifigen Wälzer über die Monopolproblematik, den niemand lesen, der sich aber neben dem Vorgängerwerk gut machen würde. Zwar hatte Ray eine feste Anstellung als Professor, aber genau wie für alle anderen seiner seriösen Kollegen galt auch für ihn die Maxime »Wer schreibt, der bleibt«, die das akademische Leben heute dominierte.
Ray setzte sich an seinen Schreibtisch und räumte lästige Papiere aus dem Weg.S. 5-8

Lesezitate nach John Grisham - Der Richter













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1997
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© 20.3.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de