Es hatte angefangen zu regnen. Simon Morelius stellte die Frequenz neu ein. Seit Fünf Minuten kein Funkruf. Es war bald zehn, und alles war ruhig. Greger Bartram hielt bei Rot vor der Ampel. Zwei Frauen überquerten die Straße, die eine drehte sich zum Streifenwagen um und lächelte, und Greger Bartram hob grüßend die Hand.
»Siebenundzwanzig und hübsch«, sagte er. »Und sie denkt dasselbe von mir.«
»Mich hat sie angelächelt, nicht dich« , sagte Morelius.
»Sie hat mir direkt in die Augen gesehen« , beharrte Bartram.
Die Ampel wurde grün, und Bartram bog in den Korsvägen ein.
»Und dann hat sie festgestellt, dass dahinter niemand zu Hause ist«, sagte Morelius.
»Haha.«
Aus dem Sender ertönte eine Frauenstimme: »Neun eins zwanzig, neun eins zwanzig, kommen.« Von irgendwoher das Gemurmel einer Antwort und wieder die Frauenstimme: »»Bei Liseberg liegt jemand vorm Focus, wahrscheinlich besoffen. Dort hält sich eine Gruppe Jugendlicher auf. Bitte übernehmen.«
Sie hörten jemanden aus einem anderen Streifenwagen auf den Anruf antworten: »Wir haben gehört. Wir sind auf der Prinsgatan und fahren runter zum Focus.«
Morelius griff nach dem Mikrofon. »Hier elf zehn. Wir sind näher dran, wir befinden uns auf dem Korsvägen und fahren hin.«
»Okay, elf zehn.«
Der Streifenwagen vom Bezirksrevier Lorensberg verließ den Kreisverkehr und fuhr vor das Einkaufszentrum. Eine kleine Gruppe Menschen hockte auf dem Parkplatz. Als das Auto hielt, lief jemand von ihnen auf die Autotür zu, die Bartram gerade geöffnet hatte.
»Ich hab angerufen«, sagte ein Mädchen, etwa fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, und schüttelte das Handy, als ob es anfangen sollte zu klingeln, um zu bestätigen, was sie eben gesagt hatte. Ihre Haare glänzten, und ihre Augen waren groß und erschrocken. Sie roch nach Alkohol und Tabak. Ihre Armbewegungen waren übertrieben weit ausholend. »Da liegt sie, Maria, aber ihr geht´s schon wieder besser.« S. 10
Lesezitat nach Ake Edwardson - Das vertauschte Gesicht
Das vertauschte Gesicht
Ake Edwardson - Das vertauschte Gesicht
rimis aus Schweden haben Hochkonjunktur und Ake Edwardson gehört neben Henning Mankell und Liza Marklund zum erfolgreichen Triumvirat. Mit "Das vertauschte Gesicht" legt er bereits den dritten Thriller in deutscher Sprache vor. Die Hauptrolle spielt, wie bereits in den beiden Vorgänger-Bänden "Tanz mit dem Engel" und "Die Schattenfrau" der durchgestylte Kommissar Erik Winter mit seiner Vorliebe für guten Jazz und modische Anzüge.
Als ihn der beunruhigende Anruf seiner Mutter aus ihrem Feriendomizil Marbella erreicht, packt Winter sofort die Koffer. Sein Vater liegt im Krankenhaus und die Situation ist kritisch. Doch auch in Winters Privatleben daheim in Göteborg ergeben sich einschneidende Veränderungen. Seine Freundin Angela erwartet ein Kind von ihm und ist dabei, bei ihm einzuziehen.
Und dann hat er noch den äußerst grausamen Mord an einem Ehepaar aufzuklären, der für die Polizei kaum verwertbare Spuren bietet. Oder sollte die Schmiererei an der Wand und die Musik-Kassette mit ohrenbetäubendem Heavy-Metal-Sound eine Botschaft des Täters sein?
In knappen, wortkargen Dialogen fängt Ake Edwardson das heutige Göteborg ein. Die Lebensumstände seines vierzigjährigen Kommissars, der mit seiner Freundin, die als Ärztin arbeitet, keine materielle Not leidet, steht dabei im Vordergrund. Oder wer leistet sich sonst eine Lesebrille, wenn schon nicht passend zu den Anzügen von Armani, dann aber auf jeden Fall aus "Air Titanium"? Daneben schildert der in seiner Heimat mehrfach preisgekrönte Autor das Umfeld der Polizei- Kollegen, die weit weniger privilegiert sind als Winter. Ihr Familienleben ist, soweit überhaupt vorhanden, nervenaufreibend, Verbrechen und Unfälle aus der Vergangenheit lassen sie auch nachts nicht zur Ruhe kommen.
Am schlimmsten trifft es den Zeitungsjungen Patrik. Er ist ein wichtiger Zeuge bei Winters Mordfall. Sein Vater taucht nur selten aus seinen Alkoholnebeln auf und selbst wenn er einigermaßen nüchtern ist, prügelt er den Jungen krankenhausreif. Eine deprimierende Familie.