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Es war nur ein Windhauch, doch Cäsar verstand, was er zu bedeuten hatte, ebenso wie die übrigen Tiere der Herde. Er graste gerade auf einem Stück Heide, als ein Wind aus dem Norden über die Weide blies und ihm unvermittelt die Gewissheit zutrug. Es war ein bestimmter Geruch, der den Tod des Sommers ankündigte. Noch stand die Sonne hoch am Himmel und brannte heiß, aber Cäsar wusste es - er witterte es: Schon bald würden die Luft die Farben. der Himmel anders sein. Wieder einmal war es an der Zeit aufzubrechen.

Sobald er fertig war mit Grasen, machte er sich auf zum Versammlungsplatz im Tal. Am Waldrand traf er seine zwei jüngeren Vettern und zusammen stiegen sie die erste Anhöhe hinauf. Bei einer umgestürzten Fichte stießen sie auf eine Gruppe von fünf Rentieren, die auch zu ihrer Herde gehörten. Cäsar hieß sie in seiner Gruppe willkommen und schweigend legten sie den Rest des Weges gemeinsam zurück. (S. 7-8)

Piorello und Bette begegneten einander zum ersten Mal auf der ausgestreckten Hand eines Mädchens mit einem Kranz weißer Blüten im Haar. Es war ein Spätsommertag, und nicht lange bevor das Mädchen kam, war ein kurzer Regenschauer über dem Wald niedergegangen. Wie immer war das Mädchen auf einmal dort aufgetaucht, wo der schmale Weg, der am Seeufer durch den Wald führte, eine Biegung machte.

Fast den ganzen Sommer über war es jeden Tag zur selben Zeit gekommen und hatte ihnen Samenkörner gebracht, und so riefen die Spatzen in jenem Teil des Waldes einander gleich herbei, sobald das Mädchen heute erschien, den weißen Blumenkranz im goldbraunen Haar. Sie sammelten sich im Wacholder und das Mädchen blieb stehen. Es griff in einen kleinen braunen Beutel und füllte eine Hand voll Samenkörner. Kaum hatte es den Arm ausgestreckt, kamen die Vögel auch schon herbei. Einer nach dem anderen flogen sie von ihren Ästen herunter und landeten auf der Hand des Mädchens, pickten ein paar Körner auf und flogen damit zurück, um in Ruhe die Schale zu knackenb und den Kern zu essen.

(S. 18-20)


Lesezitat nach Brooks Hansen - Hör mein Lied, S.


Hör mein Lied
Brooks Hansen - Hör mein Lied

Durch den verschneiten Winterwald im Norden ziehen drei merkwürdige Gesellen: unermüdlich trottet das Rentier Cäsar voran, um die Spuren der Brüder Gaiano und Ole aufzuspüren, die nach dem Sommer nicht aus den Wäldern zurückgekehrt sind.

Oben im Geweih Cäsars hat sich Bette mit ihren beiden Spatzenkindern provisorisch ihr Nest gebaut. Sie hat ihren Mann Piorello verloren und versucht ihn wieder zu finden. Er ist eines Tages nicht mehr zu ihr und den Kindern ins Nest gekommen. Ob ihm etwas zugestoßen ist? Die drei Spatzen machen sich zusammen mit dem Rentier Cäsar auf eine abenteuerliche Reise. Sie trotzen gefährlichen Angriffen von Füchsen und Wölfen, nehmen eine ungeheure Anstrengung auf sich, frieren und leiden Hunger, denn mittlerweile bricht der Winter mit aller Macht herein.

Piorello, der Spatzenmann, hingegen befindet sich nach seinem Unfall, - er ist gegen eine Fensterscheibe geflogen und hat sich schwer verletzt -, wieder auf dem Weg der Besserung. Allerdings begleitet er das kleine Mädchen, das ihn so hingebungsvoll in den letzten Tagen gepflegt hat, in das ungeliebte Internat und tröstet es.

Bis die Tiere alle wieder zusammenfinden, dazu ist eine gute Portion Glück und ein Schuss Magie nötig. "Hör mein Lied" ist eine ruhiges, wunderschönes Wintermärchen aus dem hohen Norden. In zarten poetischen Tönen beschreibt der amerikanische Autor Brooks Hansen in seinem ersten Kinderbuch die ungewöhnliche Reise des Rentiers Cäsar mit seinen Gästen im Geweih. Die liebevoll eingestreuten Illustrationen von Michaela Helms, alle sehr zurückhaltend mit Bleistift skizziert, lassen den Text lebendig werden, doch bieten gleichzeitig genug Raum für die kindliche Fantasie, eigene Bilder zu entwickeln.

Lesealter ab 9 Jahren


Brooks Hansen - Hör mein Lied

aus dem Amerikanischen von Birgitt Kollmann
Originaltitel: © 1997, "Caesarīs Antlers"
1998, Hamburg, Carlsen Verlag, 238 S.,

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 5.1.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger