... reinlesen


  Lesealter: 14 Jahre  

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Hinter der Kiefernschonung laufen sie auf dem Trampelpfad zwischen den Feldern. Der Hasengraben, seit Jahren ihre Sommerstrecke. Rechts blühender Raps, links Lupinen. Lupinus luteus, eine prächtige Pflanze und doch nur ein Stickstoffsammler. Sie wird in voller Blüte geschnitten und untergegraben.

Dieses Gedicht vom Schnitter: Es ist ein Schnitter; der heißt Tod... Von wem? Keine Ahnung.

»Ergötze dich am Busen der Natur, oh, Freund.« Felix schnauft hinter Wolf her. »Alles leider nur ein schwaches Surrogat für den Busen von Sandra Fender aus meinem Informatikkurs.«

Halt die Mappe, Mann! Du laberst im Augenblick an meiner Schmerzgrenze. Wolf vergrößert den Abstand zwischen Felix und sich um ein paar Meter. Seit acht Jahren sind sie Freunde. Experten für lange Strecken. Seite an Seite. Erst sind sie wie die jungen Hunde gelaufen. Welpen beim Spiel. Jetzt laufen sie auf geradem Kurs gegen die Stoppuhr und gegeneinander. Um eines Tages zu siegen. Go for gold. S. 23

Dan! Er muss ihn anrufen. Dan, du bist der Glückspilz. Du bist der Sieger. Auch wenn es damals nicht danach aussah. Dan hatte ihn mit diesem melancholischen Blick angesehen, bevor er Gas gegeben hatte und in seinem alten Buick Cabrio langsam davongerollt war: Okay, du hast jetzt freie Bahn bei Shandy. Schicksal, dass ich zurückmuss. Was kann man da machen. Du hast gewonnen, aber der Sieger bin ich.

Einen Moment lang hatte Wolf so was wie ein schlechtes Gewissen gehabt. Doch was bedeutete das gegen die beiden Tage mit Shandy. Mit ihr allein am Strand von Venice! Ohne Dan! Wenigstens diese zwei Tage. Danach war auch Shandy abgefahren, zurück zu ihrem Steve, und der Sommer war für ihn vorbei gewesen. Bei fünfunddreißig Grad im Schatten!

Ein paar Tage später war er mit Dan nach San Francisco gefahren. Auf der Golden Gate Bridge hatte Dan Allen Ginsberg rezitiert.

Du bist jener Eine, der sich wünscht, ein sanfter Finger zeichne die Spur des Gefühls von der Brust zum Geschlecht.

Um was geht's da genau?, hatte er von Dan wissen wollen.

Liebe, Liebe, Liebe, hatte Dan geantwortet.

War Ginsberg eigentlich schwul?

Und wie! Aber vielleicht auch ein bisschen bi. S. 27


Lesezitat nach Helene Kynast - Siebter Himmel - freier Fall


Leben am Limit
Helene Kynast - Siebter Himmel - freier Fall

s ist ein harmloser Brief in der Post, der Wolfs Leben kurz vor dem Abi ins Schleudern bringt.

Eigentlich denkt er längst nicht mehr so oft an Shandy. Er lernte sie während seines Jahres in Amerika kennen. Zusammen mit seinem Freund Dan haben sie zu dritt die Strände um Los Angeles unsicher gemacht, sind die Küste bis San Francisco mit der Harley entlang gebraust. Alles ganz easy. Verliebt waren sie beide in das unkomplizierte Mädchen. »Sie hat jedenfalls einen tiefen Eindruck bei uns hinterlassen, stimmt's? Für sie würde ich mein Leben sofort in den Rinnstein werfen.«

Und als Dan einen dringenden Anruf bekommt und fluchtartig die Heimreise antritt, kommt Wolfs große Stunde. Für Wolf ist Shandy, die ihm nicht verheimlicht, dass sie in einigen Tagen wieder zu ihrem Freund Steve fahren wird, seine erste große Liebe und für ihn ist klar: »Love you to the limit. Ich würde auf der Stelle mit dir sterben, Shandy.«

Zurück in Deutschland wartet das Abi, er hat eine Menge nachzuholen und er begegnet Julia. Alles im grünen Bereich: bis der besagte Brief eintrifft. Shandy ist HIV positiv. Sie hat sich bei Steve angesteckt.

Ein Wochenende kreist das Wort AIDS in Wolfs Hirn in allen Variationen. Was soll er tun? Nichts in seinem Leben ist mehr an seinem Platz. Alle Prioritäten sind verrutscht: »Wie geht das wilde Leben für wilde Herzen?«

Helene Kynast, die für ihren ersten Jugendroman "AIles Bolero" 1997 den Oldenburger Jugendpreis bekam, hat das richtige Feeling für das Leben am Limit. Es gibt keine Patentlösungen und auch das Happy End, bei dem der Leser beruhigt das Buch aus der Hand legen kann, gönnt sie ihm nicht. Der Schluss ist offen. Nur soviel ist klar: Wolf ist an diesem Wochenende erwachsen geworden und in der Lage, für sich und sein Leben die Verantwortung zu übernehmen - mit allen Konsequenzen. © manuela haselberger


Helene Kynast - Siebter Himmel - freier Fall
2001, Stuttgart, Thienemann Verlag, 175 S., 9.90 €

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Fortsetzung des Lesezitats ...

Love you to the limit, Shandy.
Da ist Steve, Birdy. Mit ihm will ich leben. Ich lieb ihn. Nur ihn.
Was nehm ich ihn denn weg?, hatte er gebettelt.
Ich nehm ihm was, Birdy. Er vertraut mir.
Jetzt ist jetzt, Shandy.
Und sie hatte ihm schließlich nachgegeben.
Oh, Shandy, wir fliegen!

Dann war sie fort. Bye, Birdy. Grüß Dan. War schön mit euch. Aber jetzt nehm ich den Highway zu Steve.

Später war er mit Dan über die Golden Gate Bridge gelaufen. Barfuß. Brennende Füße gegen brennende Liebe, hatte Dan melancholisch gesagt. Wir werden sie nie vergessen, Wolfy.

Sag nie nie, Dan.

Okay, dann werden wir sie eben so lange nicht vergessen, bis wir sie vergessen haben.

Shandy, das war vernarbt. Jedenfalls bei ihm. Bis gestern. Er war zurückgekommen und hatte für die Schule gepaukt. Den gesamten Stoff nachgebüffelt. Arbeitstherapie. Manchmal war da noch ein Stich, ein Ziehen Richtung Herz gewesen. Zum Beispiel, wenn er mit Dan telefoniert hatte. Dann auch das nicht mehr. Nur eine schöne Erinnerung. Bis gestern.

Shandy oder das Leben? Nicht eine Sekunde hatte er an Aids gedacht, als sie sich geliebt hatten. Mit ihr war es anders gewesen als mit Laura. Nur dieses Wahnsinnsgefühl. Sein Kopf war total ausgeschaltet.

Nein, er hatte gar keine Chance gehabt zu entscheiden. Und jetzt? Für einen kurzen Augenblick in den Lüften hat er sein Leben getauscht?

Er hasst sie! Warum hat sie ihm nachgegeben? Sie hat ihn doch nicht geliebt! Sie hätte den klaren Kopf behalten müssen. Wie Laura: Nicht ohne Kondom!

Jetzt halt mal die Luft an, mein Lieber. Du wälzt die Verantwortung einfach auf sie ab? Sie hat dich ja nicht geliebt! Und ihren Steve betrogen. Du selbst willst für dich einen Freispruch, weil du sie schließlich geliebt hast? Ganz nebenbei: Hast du sie wirklich geliebt?

Ja doch! Damals schon. Jedenfalls war ich verliebt. Aber die Zeit! Sie schafft neue Tatsachen.

Deine Zeit hat ein ziemlich kurzes Gedächtnis. Vor neun Monaten: Love you to the limit. Ich würde auf der Stelle mit dir sterben, Shandy. Und jetzt?

Ja, verdammt! Ja! Ja! Ja! Ich bin wütend auf sie. Wenn ich damals, genau in dem Augenblick gestorben wär, mitten im Rausch! Aber jetzt? Und so? Jetzt hasse ich sie!

Und wenn ich einen Wahnsinns-Dusel hab? HIV-negativ, Wolf! Das ist noch mal gut gegangen. Dann setz ich mein Leben nie mehr für ein Augenblicksgefühl aufs Spiel.

Und sie? Für sie gibt es kein Dann mehr. Scheißegoist. Nervenbündel. Jammerlappen. S. 75


Lesezitate nach Helene Kynast - Siebter Himmel - freier Fall


Bookinists Buchtipp zu


Ana und Paul

von Helene Kynast


Helene Kynast:

Alles Bolero

(Oldenburger Jugendpreis 1997)





© 31.01.01 by Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de