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Ruth erinnerte sich, ertrunken zu sein. »Das ist nicht möglich«, sagte Tante Amanda. »Das musst du geträumt haben.« Aber Ruth blieb dabei, dass sie ertrunken sei, beharrte jahrelang darauf, selbst dann noch, als sie es eigentlich hätte besser wissen müssen.

Natürlich hatte ich Ruth angelogen. Sie war ja nur ein Kind. Was hätte ich schon sagen sollen? Dass ihre Mutter leichtsinnig gewesen war? Dass ich sie hatte retten, ihr neues Leben einhauchen, sie als mein eigenes Kind aufziehen müssen? Es gibt Dinge, die Kinder nicht wissen sollten.

Vermutlich werden die Leute sagen. es sei meine Schuld gewesen - wäre ich damals, im März 1919, nicht heimgefahren, wäre Mathilda, meine einzige Schwester, jetzt nicht tot. Aber ich bin nach Haus gefahren. So wie ich die Sache sah, hatte ich keine andere Wahl.

27 . März 1919. Das ist ein guter Ausgangspunkt. Dieses Datum schrieb ich in die rechte obere Ecke des Blattes. Liebe Mattie. Die Feder zitterte, als ich sie vom Papier hob, und verspritzte Tinte.

27 . März 1919, schrieb ich auf ein neues Blatt.

Liebe Mattie. S. 9


Lesezitat nach Christina Schwarz - Novemberkind


1919 - Novemberkind
Christina Schwarz - Novemberkind

Ruth weiß es seit ihrer Kindheit: Sie ist schon einmal ertrunken. Auch wenn Tante Amanda das vehement abstreitet. Doch die Erinnerung des Mädchens trügt nicht. Im Jahre 1919, während ihr Vater im Krieg war und sie zusammen mit ihrer Tante und ihrer Mutter auf der einsamen Insel im Nagawankee See lebte, haben sich Dinge abgespielt, die sich tief in die Erinnerung des Kindes eingegraben haben, ohne dass sie von Ruth genau zuordenbar waren. Schließlich war danach ihre Mutter tot und ihre Tante hatte seit damals eine sehr hässliche Narbe am Daumen.

Um dieses zentrale Ereignis rankt sich der Debütroman der Amerikanerin Christina Schwarz. In den USA erlebte das Buch einen fulminanten Erfolg, als es die bekannte Fernsehmoderatorin Oprah Winfrey zu ihrem Lieblingsbuch erklärte. Aus dem Stand sprang es auf Platz 5 der New York Times Bestsellerliste und entwickelte sich in Windeseile zu einem Verkaufserfolg.

Überzeugend bei "Novemberkind" ist der ständige Perspektiven - Wechsel in der Geschichte. Am Anfang hat Tante Amanda das Wort, später mischt sich immer mehr Ruth, die langsam vom Kind zu einer jungen Frau heranwächst, in den Erzählfluss mit ein, dann wieder berichtet ein neutraler Erzähler.

Für Ruth und Amanda bleiben die Geschehnisse auf der Insel ein Trauma, das sie über Jahre hin begleitet und verfolgt und auch der Leser wird erst am Ende des Romans alle tragischen Verwicklungen begreifen.

Aus einer unbedachten Nacht mit dem falschen Mann wird eine nicht gewollte Schwangerschaft, die zu einem unlösbaren Knoten heranwächst, der sich im Laufe von zwanzig Jahren nicht verkleinert, sondern sich gleich einem Krebsgeschwür um das Leben der Beteiligten legt, das ihnen allen ganz langsam die Luft zum Atmen abschnürt.

Das langsame Anschwellen der Katastrophe zu beobachten genau das ist der Köder, den Christina Schwarz, sehr raffiniert für ihr Lesepublikum sogleich auf den ersten Seiten ihres Romans auslegt und mit dem sie es an der langen Leine, über 380 Seiten unterhaltsamen Lesestoff nicht mehr von der Angel lässt. © manuela haselberger




Christina Schwarz - Novemberkind
Originaltitel: Drowning Ruth, © 2000
Übersetzt von Giovanni und Ditte Bandini
2001, München, btb, 382 S.,

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Fortsetzung des Lesezitats ...
»Du warst mit diesem jungen Owens zusammen?«, fragte Amanda so beiläufig wie möglich. Sie hob den Deckel vom Schmorbraten, und ein Schwall von Dampf umhüllte ihr Gesicht.
»Arthur? Er hat mich gefahren.«
»Und lmogene nicht?«
»Nein«
War es jetzt also Ruth, die man im Auge behalten musste? Amanda runzelte die Stirn und beobachtete Ruths Bewegungen. als sie den Tisch zu decken begann. »Habt ihr . ..« - sie unterbrach sich, unschlüssig, wie sie es formulieren sollte - »etwas getrunken?«, vollendete sie diskret.
»Natürlich nicht.«
Beim Gedanken an Vater und Sohn stieg in Amanda gallenbittere Wut empor. Warum konnten die beiden sie und die lhren nicht in Frieden lassen? Aber sie wusste, dass es ihre eigene Schuld war. Mit ihren Versteckspielchen und Verstellungen, Ausweichmanövern und Lügen hatte sie Clement Owens ln gewissem Sinn stets bei sich behalten. Aus einer Nacht mit ihm war etwas wie ein Knoten geworden, um den sie die letzten zwanzig Jahre lang herumgewachsen war. Wie konnte sie jetzt also überrascht sein, wenn er sich, anstatt sich aufzulösen, verdoppelt hatte?

Aber es würde alles gut werden, beruhigte sie sich. Der Sommer ging zu Ende, und bald würden sie abreisen. Sie brauchte nur dafür zu sorgen, dass die Dinge bis dahin an ihrem Platz blieben. S. 337

Um halb sieben Uhr morgens des 10. September 1931 sah Clement Owens gerade nach den Alfalfahybriden, die er am See vorgekeimt hatte, die aber jetzt in seinem kleinen Treibhaus in der Stadt wuchsen. Es war wirklich schade, dass er sie hatte umpflanzen müssen, aber es war schon recht spät im Jahr und höchste Zeit, dass die Familie wieder in das Stadthaus umzog. Dafür konnte er hier auch nach Beginn der Nachtfröste weiterarbeiten.

»Mrs. Owens sagt, ich soll sagen, dass Ihr Frühstück fertig ist.« Mimi, ein neues Mädchen, das Theresa als Haushaltshilfe eingestellt hatte, stand draußen vor dem Gewächshaus.

»Schau dir das an, Mimi. Fünf neue Blättchen seit Dienstag. Sieben, wenn man diese Knospen mitzählt. Ich denke, ich sollte die Knospen mitzählen, meinst du nicht?«

Mimi zögerte. »Ich weiß nicht, Sir.« Mr. Owens Projekte waren ihr von Anfang an etwas suspekt gewesen, und seit im August die Schnapsbrennerei im Keller in die Luft geflogen war, nahm sie sich ganz besonders in Acht. S. 248

Lesezitate nach Christina Schwarz - Novemberkind













dieser Titel von
Christina Schwarz
im Original:

Taschenbuch:


Drowning Ruth
(english)

© 2001

gebunden:


Drowning Ruth
(english)

© 2000

Audiobook:
Drowning Ruth
(english version)

© 2001

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© 26.4.2001 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de