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Das erste Buch darüber zu schreiben, wie Amazom.com zu dem wurde, was es heute darstellt, war, kurz gesagt, eine Herausforderung. Als das Exposé für dieses Buch abgefasst und im Spätherbst 1998 angenommen wurde, lag der Schwerpunkt auf dem Bereich des Verlagswesens und der Buchbranche. Hier begann ich auch mit meinen Recherchen. Monate später weitete sich die Geschichte dann auf den Einzelhandel insgesamt aus. Noch ein wenig später stellte sich heraus, dass der Erfolg von Amazon.com Auswirkungen auf praktisch alle Bereiche der Wirtschaft zeigt. Kein Wunder also, dass der Hund von Jeff Bezos, Kamala, nach einem Metamorph benannt ist, das in einer Folge von Star Trek aufgetreten ist - denn Amazon.com durchläuft ständig neue Metamorphosen.

Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum Jeff Bezos und Amazom.com an meinem Vorhaben nicht beteiligt sein wollten: Die offizielle Mitteilung der Firma lautete, es sei zu früh für ein Buch. Obwohl Mr. Bezos seine Mitarbeiter weder dazu ermuntert noch davon abgebracht hat, sich mit mir zu unterhalten, wollte keiner der jetzigen Angestellten dienstlich oder privat mit mir sprechen. Amazon.com bleibt also eine Geheimorganisation.
S. 7


Zum größten Teil sehen die Amazon.com-Aktionäre genau wie jene Leute aus, die man auch bei normalen Hauptversammlungen erwarten würde: eine Menge Rentner mit grauen Haaren und enorm viel Zeit, in der sie sich um ihre Aktien kümmern können. Auch ein Mann in den Dreißigern ist dabei, ein Familienvater aus Allentown, Pennsylvania. Er erklärt seinem neunjährigen Sohn, der stolz eine Baseballkappe der Seattle Mariners trägt, den Ablauf der Versammlung. Aber wir wären nicht in Seattle, stünde nicht auch ein tätowierter und gepiercter Angehöriger der Generation X mit lila Haaren - ein ehemaliger Mitarbeiter von Amazon.com, der mehr Geld gemacht hat, als er sich je erträumte, weil die oftmals gesplittete Aktie seit dem Börsengang der Firma vor zwei Jhren, am 15. Mai 1997 um 5600 Prozent (ja, 5600!) gestiegen ist. S. 10


Unternehmen, die dem Kunden dienen wollen, sind meist erfolgreich.
Unternehmen, die Profit machen wollen, scheitern oft.
Nicholas Murray Butler

Jeff Bezos hat immer wieder hervorgehoben, dass er Amazon.com zum "kundenorientiertesten" Unternehmen der Geschichte machen wolle. Noch bevor er die Website im Juli 1995 startete, erklärte er einen besonders guten Kundendienst zur ersten Maxime des Unternehmens. Er wusste, dass ein guter Ruf einen größeren Eindruck auf potenzielle Kunden macht als jede Werbekampagne. (Ganz davon abgesehen konnte er 1995 auch kein Geld für Werbung aufbringen.)

Die gleiche Strategie hat auch Nordstrom erfolgreich eingesetzt. Diese Firma hat in keiner einzigen Werbekampagne oder Pressemitteilung herausposaunt, wie gut ihr Kundendienst sei. Nordstrom ist einfach für eine ausgezeichnete Kundenbetreuung bekannt, und zwar allein durch die Lobeshymnen zufriedener Kunden. "Wir haben in diesem ersten Jahr gemerkt, wie erfolgreich die Mund-zu-Mund-Propaganda ist. Das hat uns dazu bewogen, obsessiv, zwanghaft und peinlich genau auf den Kundendienst fixiert zu sein", meint Bezos.

Meinungen werden online noch schneller und weiter verbreitet als in der Welt aus Stein und Mörtel. Wie Bezos oftmals betont hat, wird ein unzufriedener Kunde in der realen Welt vielleicht fünf Freunden von einem schlechten Service erzählen. Aber ein unzufriedener lnternetkunde teilt seine Enttäuschung 5000 oder 50000 Leuten mit. S. 154
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Lesezitat nach Robert Spector - amazon.com


Der Internet-Aufsteiger amazon.com
Robert Spector - amazon.com

Die Karriere von Jeff Bezos, dem Gründer von Amazon.com, liest sich wie der typische amerikanische Traum. Ausnahmsweises hat er nicht als Tellerwäscher begonnen, sondern war mit einer sehr guten Ausbildung in der Tasche als Quereinsteiger im Buchhandelsgeschäft gestartet - natürlich in einer Garage. Vom Buchhandel und allem was damit zusammen hängt hatte er zunächst überhaupt keine Ahnung. Doch hinderte ihn das nicht trotzdem damit Millionär zu werden.

Konsequent verfolgt er seit Beginn der neunziger Jahre seine Idee, das neue Medium Internet gleich einem großen virtuellen Kaufhaus zu nutzen. Bezos analysiert wissenschaftlich die Möglichkeiten und entschied, dass Bücher dazu das geeignete Objekt waren, den Gedanken eines kundenfreundlichen Einkaufs mit dem PC umzusetzen. Heute hat Amazon längst nicht nur Bücher im Angebot, sondern vom Kickboard bis zum neuesten DVD-Film mit der passenden Musik ist alles zu haben. Der Kundenservice bleibt dabei oberstes Gebot.

Mittlerweile hat sich Amazon nicht nur in Amerika etabliert, in Europa ist es in England, Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Frankreich vertreten. Die Gewinnzone ist nach wie vor in weiter Ferne, auch wenn gigantische Umsatzsteigerungen zu verzeichnen sind. Übrigens ist die Aktie seit dem Börsengang 1995 und mehreren Splittings um unglaubliche 5600 Prozent in zwei Jahren gestiegen.

Der Wirtschaftsjournalist Robert Spector, leuchtet den grandiosen Aufstieg des führenden Online-Unternehmens Amazon nach allen Seiten aus, beschreibt ihn, ohne dass sich der Leser durch betriebswirtschaftliches Fachchinesisch quälen muss, sehr genau und verständlich. Natürlich steht Jeff Bezos im Mittelpunkt des Buches, denn ohne sein Engagement und seine Ideen wäre Amazon nicht denkbar.

"Die Geschichte von Amazon.com ist eine Mischung aus Weitblick, Intelligenz, Technologie, Geld und dem richtigen Timing, aber keines dieser Elemente hätte sich ohne die einnehmende Persönlichkeit von Jeff Bezos entfaltet, die der Öffentlichkeit und den Investoren durch eine der größten und geschicktesten PR-Aktionen der modernen Unternehmensgeschichte vermittelt wurde."

Heute wird Amazon, ebenso wie viele andere Onlinefirmen, an der Börse kritisch bewertet. Der Enthusiasmus der Startphase ist dem Realitätssinn, der an erster Stelle nach Gewinn fragt, gewichen. Spannend bleibt, ob es Jeff Bezos gelingt, seine Kritiker auch von der langfristigen Durchsetzung seines Konzepts zu überzeugen. Millionen Kunden bei Amazon hat er bereits auf seiner Seite.

Das Buch insgesamt ist nicht unbedingt ein literarischer Wurf, auch ist das Preis-Leistungsverhältnis nicht überragend, aber dadurch dass der Autor der Person Jeff Bezos nicht ständig unmittelbar nahe steht, kann er ihn und sein Unternehmen mit der gebotenen Distanz analysieren und auch kritisieren.
Für den Leser, der sich mit dem Phänomen des Internethandels auseinandersetzen will, eine mindestens so informative Quelle, wie das Buch "Digital Business" von Bill Gates war.



Robert Spector - amazon.com
aus dem Amerikanischen von Ursula Held
Originaltitel: Amazon.com. Get Big Fast © 1999, ""
2000, Stuttgart, DVA Verlag, 286 S.

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Fortsetzung des Lesezitats ...


Mitte der 90er Jahre dachten viele Firmen, sie könnten potenzielle Kunden am besten auf ihre Site locken, wenn sie die schicksten, schönsten und coolsten Seiten gestalten würden - aber sie vergaßen dabei wohl, dass die meisten Leute sich mit einer Schneckengeschwindigkeit von 96oo Bits oder 14,4 Kilobits pro Sekunde einwählten und nicht darauf warten wollten, bis sich dieses ganze coole Dekor aufbaute. Amazon.com dagegen erkannte, dass man die Kunden am meisten damit beeindrucken konnte, wenn man ihnen die Möglichkeit gab, Bücher ganz bequem online zu bestellen, anstatt zu einer Buchhandlung fahren zu müssen, um sie dort zu kaufen. "Ich glaube an jene Theorie, die besagt, dass Zeit im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert die knappste Ressource ist" meint Bezos. "Wenn die Leute Zeit und Geld sparen können, sind sie einem dankbar."

Bezos wusste, dass die Amazon.com-Website den Kunden nicht als das Layout von Pixeln auf der Homepage, sondern als Serviceleistung in Erinnerung bleiben würde. S. 158

Die Besucher der Website konnten die leistungsstarke Suchmaschine verwenden, wenn sie ein spezielles Buch, Thema oder Werke eines bestimmten Autors finden wollten. Oder sie stöberten einfach in der Datenbank, die damals aus 1,5 Millionen Titeln zu 23 Themengruppen bestand. Drei Redakteure lasen Rezensionen, gingen den Kundenbestellungen nach und verfolgten das Tagesgeschehen, um Bücher zu aktuellen Themen besonders hervorzuheben. S. 159

"Die Leute kaufen nicht nur Bücher, weil sie gerade ein bestimmtes Buch brauchen", bemerkt Bezos. "Sie wollen herumstöbern. Wir möchten auch diesem Wunsch gerecht werden." Möglichkeit zum Stöbern gaben beispielsweise die "Schaukästen" auf der ersten Seite der Website, die Neuerscheinungen, Sonderausgaben oder Geschenkvorschläge präsentierten. Kunden, die genau wussten, welches Buch sie haben wollten, konnten mit der Suchmaschine zu bestimmten Themenbereichen wie Wirtschaft, Computer, Heim & Garten usw. gehen und ....

Weiterhin konnte man "exklusiv für Amazon.com gegebene Interviews" mit Autoren lesen, die außerdem ihre Bücher vorstellten oder auf Lesermeinungen antworteten. Einige bekannte Autoren, darunter auch Bill Gates (Der Weg nach vorn), nahmen an diesen Interviews teil, welche von den Amazon.com-Redakteuren geführt wurden.

Die Kunden wurden ermuntert: "Schreiben Sie eine Online-Rezension und teilen Sie Ihre Gedanken anderen Lesern mit!" Ein Grund dafür war, eine Art Gemeinschaft zu bilden - ein weiterer, dringlicherer, all die leeren Seiten der Amazon.com-Website zu füllen. S. 160

"Amazon hat sich auf diese Bewegung eingestellt, indem die Leute ihre eigene Meinung über diu Bücher kundtun konnten."

Amazon.coms Leitsatz für die Rezensionen lautete: "Greift Ideen an, aber keine Menschen", erzählt Glenn Fleishman, der für den Katalog zuständig war und dabei half die Kundenmeinungen zu filtern. Kritiken, die negative Bemerkungen oder Verleumdungen enthielten, welche mit dem Buch nichts mehr zu tun hatten, wurden herausgenommen. "Wir wollten keine Tatsachen bewiesen haben und strichen schlimmere Schimpfwörter, aber mir wurde nie aufgetragen, etwas wegen seines Inhalts von der Website zu nehmen", sagt Fleishman.

Als Verleger und Autoren Bezos fragten, warum er denn auch negative Meinungen veröffentliche, erwiderte er, dass Amazon.com alle Bücher im Angebot haben möchte. Wir wollen, dass jeder Titel verfügbar ist - die guten, die schlechten und die ganz üblen. Wenn man diesen Ansatz verfolgt, geht man auch die Verpflichtung ein, der Wahrheit ihren Lauf zu lassen - vorausgesetzt, man möchte eine Atmosphäre schaffen, in der die Leute gerne einkaufen. Diesen Maßstab setzen wir auch bei unseren Kundenrezensionen an. S. 161

An ihrem ersten Arbeitstag bei Amazon.com im Sommer 1996 trat Dana Brown in einen kleinen Raum im hinteren Teil des Warenlagers an der First Avenue Nr. 2250. Sie erblickte zwei 486er PCs und einen Mitarbeiter und ihr wurde mitgeteilt: "Dies ist unsere Bestellabteilung. Sie sind ab jetzt dafür verantwortlich." S. 163

Zu Beginn wurde ein Buch, das bei den Grossisten vorrätig war, innerhalb von 4 Tagen geliefert, aber Amazon.com wollte diese Zeitspanne auf 24 Stunden reduzieren. (Bezos war sich darüber im Klaren, dass die Kunden nur ungern Bestellungen aufgaben, wenn sie nicht wussten, wie lange es dauern würde, bis sie das Buch in den Händen hielten. S. 164

Die Kunden waren nicht bereit, länger als zwei Tage auf einen populären Bestseller zu warten, den sie schließlich im nächsten Buchladen finden konnten. Also mietete Amazon.com im November 1996 ein 28.000 Quadratmeter großes Warenlager in Seattle, indem man Bücher verpacken und versenden konnte. S. 168

Als die Bestellungen exponentiell zunahmen, installierte die Firma zwei leistungsstarke Digital AlphaServer 2ooo-Systeme (die zu jener Zeit als beste Server auf dem Markt galten) mit 64-Bit-Prozessoren in einer symmetrischen Rechnekonfiguration und einem Gigabyte RAM, auf denen dann die 3 Millionen Buchtitel gespeichert wurden. S. 169

Ende 1997 Stellte Amazon "1-Click Shopping" vor - ein eingetragenes Warenzeichen und patentierter Service. Mit diesem Angebot wurde der Einkauf per Internet weiter verbessert und vereinfacht, indem regelmäßige Käufer mit nur einem Mausklick eine Bestellung aufgeben können. Um den Prozess so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, kann ein Kunde der Amazon.com-Website seine Kreditkartennummer, seine Adresse und den gewünschten Lieferweg einmal festlegen und dann jede weitere Transaktion mit einem Mausklick erledigen. Sobald er die gewünschten Artikel ausgewählt hat, klickt er das entsprechende Symbol an und schon ist der Bestellvorgang erledigt. Natürlich kann der Kunde im 1-Click-System alle Daten ändern oder erweitern, außerdem erhält er ständig Einblick in alle Bestellungen, die er jemals getätigt hat.

"Als wir den neuen Service in Testgruppen Probe laufen ließen, bevor er auf der Website erscheinen sollte, ergab sich folgendes Problem: Die Leute konnten nicht glauben, dass sie nun wirklich eine Bestellung aufgegeben hatten", erzählt Bezos. "Also mussten wie den Text an dieser Stelle ändern. Jetzt steht nicht nur da: ,Danke für Ihre Bestellung', sondern daneben ist in Klammern noch zu lesen: ,Ja, so einfach ging das.'" Nachdem Tausende Onlinehändler das 1-Click-Shopping kopierten, ging Amazon.com vor Gericht um sein geistiges Eigentum zu schützen. S. 173

"Ein erfolgreicher Führer verkauft Hoffnung." Napoleon Bonaparte

Er hat Recht. Die Geschichte von Amazon.com ist eine Mischung aus Weitblick, Intelligenz, Technologie, Geld und dem richtigen Timing, aber keines dieser Elemente hätte sich ohne die einnehmende Persönlichkeit von Jeff Bezos entfaltet, die der Öffentlichkeit und den Investoren durch eine der größten und geschicktesten PR-Aktionen der modernen Unternehmensgeschichte vermittelt wurde. Seit Gründung seiner Firma hat Bezos die Werbetrommel) meisterhaft gerührt. S. 213

Lesezitate nach Robert Spector - amazon.com


© by Manuela Haselberger
rezensiert am 19.9.2000

Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger