Portugiesische Stimmen
António Lobo Antunes
Das Handbuch der Inquisitoren

Bücher, wie sie der portugiesische Schriftsteller António Lobo Antunes verfaßt, sind äußerst rar. Er hat nicht nur ein Thema über das er schreibt, er weiß auch zu erzählen. Seine Geschichte im "Handbuch der Inquisitoren" handelt zur Zeit des Salazar Regimes und dessen Sturz mit der Nelkenrevolution 1974.

Konzipiert hat Antunes eine Trilogie, von der jetzt der erste Band vorliegt, in der er Menschen und ihr Verhältnis zur Macht schildert.

Protagonist des Romans ist der patriarchalische Besitzer eines Landgutes, Berater und Minister unter Salazar. Um ihn sind eine Fülle von Personen gruppiert: Sein Sohn, der ihn verachtet, seine Frau, die ihn verläßt, und die Haushälterin, die versucht die Familie im Gleichgewicht zu halten.

Diesen Leuten hat Antunes Stimmen verliehen und sie sprechen über ihr Leben vor und nach der Revolution.

Dieselben Ereignisse werden aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen und spiegeln so die unterschiedlichen Charaktere wieder, ohne daß der Autor dabei zu erklärenden psychologischen Ausführungen greifen muß.

Antunes hat sein Buch in fünf Abschnitte gegliedert. Zunächst kommt Joaquim, der Sohn des Ministers zu Wort, während er vor Gericht steht, um sich von seiner Frau scheiden zu lassen.

Doch seine Worte sind nicht nur ein linearer Bericht, sondern eine vollständige Ausleuchtung seiner Gedanken, seiner Innenwelt, all seiner Assoziationen und Erinnerungen, die hier zu Papier gebracht wurden.

Indem er den Leser selbst zum Inquistitor macht, saugt Antunes ihn regelrecht in die Geschichte hinein. Ungeheuer spannend ist es, den Personen und ihren unterschiedlichen Schilderungen zu folgen - zu einem Ausflug in ihr Bewußtsein aufzubrechen.

"Das Handbuch der Inquisitoren", gehört zu den besten Romanen dieses Jahres. Es läßt sich nicht leicht konsumieren, doch gerade solche Romane machen den Unterschied deutlich zwischen einfallsloser Massenware, die man kaum gelesen auch schon wieder vergißt, und wirklich guten Büchern.

Alle, die Geschmack am Stil des Portugiesen gefunden haben, sollten nicht versäumen, seine seit 1987 kontinuierlich auf deutsch erschienen Werke zu lesen, sie lohnen.


António Lobo Antunes - Das Handbuch der Inquisitoren
1997, München, Luchterhand Verlag, 457 S., ,


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... weitere Titel:


António Lobo Antunes: Der Judaskuß
1987, München, dtv, 269 S.,


António Lobo Antunes: Die Vögel kommen zurück
1989, München, dtv, 290 S.,


António Lobo Antunes: Reigen der Verdammten
1991, München, dtv, 267 S.,


António Lobo Antunes: Die Leidenschaften der Seele
1994, München, Hanser Verlag, 429 S.


António Lobo Antunes: Die natürliche Ordnung der Dinge
1996, München, Hanser Verlag, 343 S.,




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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 21.10.1997